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Rubrik: Science Life
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Publiziert: 10.06.2004 06:00

Studien zur Erdbebensicherheit am IBK
Ein neuer Prüfstand für Gebäude

Für die Abklärung der Erdbebensicherheit von Gebäuden spielen grossmassstäbliche Experimente eine wichtige Rolle. Am Institut für Baustatik und Konstruktion wird zur Zeit eine neue, sechs Meter hohe Reaktionswand aufgebaut. Damit können zukünftig dreistöckige Gebäude im Massstab 1:1 untersucht werden.

Von Felix Würsten

Die Schweiz gilt nicht gerade als Land der grossen Erdbeben. Wer allerdings glaubt, er bleibe hierzulande von solchen Naturkatastrophen verschont, könnte sich schwer täuschen. In der Vergangenheit wurden in der Schweiz immer wieder grössere Erschütterungen registriert, die zum Teil massive Schäden verursachten. Schon seit längerem warnt die Schweizer Gesellschaft für Erdbebeningenieurwesen und Baudynamik (SGEB) (1), dass die grosse Mehrheit der Gebäude nicht auf ihre Standfestigkeit bei einem Erdbeben untersucht wurde. Denn eine moderne Erdbebennorm, welche eine ausreichende Bemessung der Gebäude vorschreibt, gibt es in der Schweiz erst seit wenigen Jahren.

Kostspielige Fehleinschätzung

Die Anwendung dieser SIA-Norm ist allerdings nicht ganz ohne Tücken, wie Alessandro Dazio vom Institut für Baustatik und Konstruktion (IBK) (2) der ETH Zürich erklärt. Gerade das vereinfachte Bemessungsverfahren, auf das sich Ingenieure ohne grosse Erfahrung in der Regel stützen, kann zu kostspieligen Fehleinschätzungen führen. "Die Norm erfordert von den Ingenieuren ein gewisses Umdenken", meint Dazio. "Entscheidend für die Sicherheit ist nämlich nicht nur, ob ein Gebäude den Kräften bei einem Erdbeben standhält, sondern auch, wie stark es sich verformen lässt." Für Dazio ist deshalb klar, dass es im Bereich Erdbebensicherheit eine verstärkte Aus- und Weiterbildung der Bauingenieure braucht.

Sechs Meter hohe Reaktionswand

Wie Häuser konstruiert sein müssen, damit sie einem Erdbeben standhalten, wird an der ETH schon seit mehreren Jahren untersucht. Dazios Vorgänger und Doktorvater Hugo Bachmann hat mit seiner Gruppe den sogenannten Rütteltisch entwickelt, mit dem die Sicherheit von Gebäuden experimentell untersucht werden kann. Dazio möchte diese Arbeiten nun weiterführen. Zur Zeit ist er daran, mit seinen Mitarbeitern in der grossen Versuchshalle des Instituts eine neue, über sechs Meter hohe Reaktionswand aufzubauen. Diese besteht aus drei steifen, je 50 Tonnen schweren Türmen. Zwischen diesen Türmen und dem Versuchskörper werden hydraulische Pressen montiert, die das Untersuchungsobjekt langsam verformen. "Mit dieser Versuchswand können wir dreistöckige Häuser im Massstab 1 : 1 untersuchen", erklärt Dazio.

Die Versuchskörper werden Kräften und Bewegungen ausgesetzt, wie sie bei einem Erdbeben vorkommen. Die entstandenen Risse werden für die Auswertung schwarz markiert. gross


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Die neue, sechs Meter grosse Reaktionswand des IBK. (Bilder: A. Dazio) gross

Solche Experimente sind für die Baudynamiker sehr wichtig. "Wir können konkret beobachten, wie sich ein Bauwerk unter Krafteinwirkung verhält und erhalten so ein Gefühl, was bei einem Erdbeben abläuft." Die Versuche sind allerdings äusserst aufwändig; je nach Anordnung erstrecken sie sich über mehrere Wochen. "Bevor wir mit dem Versuchsaufbau beginnen, führen wir theoretische Überlegungen und numerische Simulationen durch", erzählt Dazio. "Erst wenn wir wissen, was wir erwarten können, führen wir die kostspieligen Experimente durch."

Schlankere Strukturen

Bisher haben die Forscher am IBK vor allem die Sicherheit der gängigen Strukturen untersucht. "Zukünftig geht es jedoch nicht nur darum, ob ein Gebäude bei einem Beben einstürzt oder nicht. Wir wollen auch Aussagen machen, welche Schäden überhaupt zu erwarten sind." Gewisse Stahlbetontragwerke beispielsweise sind relativ schadensanfällig, ebenso unbewehrtes Mauerwerk oder nicht-tragende Bauteile wie Zwischenwände, Fassaden und Decken. Dadurch kann ein Gebäude, auch wenn es bei einem Erdbeben stehen bleibt, völlig unbrauchbar werden.

Besonders kritisch ist dieser Aspekt bei Infrastrukturbauten wie Brücken. "Eine Möglichkeit, die Betriebstauglichkeit von Bauwerken nach einem Erdbeben zu erhalten, ist der Einsatz von neuen Materialien", meint Dazio. Ein vielversprechender neuer Baustoff ist beispielsweise hochfester Stahlfaserbeton. Dieser weist eine wesentlich höhere Druck- und Zugfestigkeit auf als herkömmlicher Stahlbeton.

Bauwerke beruhigen

Mit diesen neuen Materialien lassen sich in absehbarer Zeit viel elegantere Bauwerke realisieren als heute. Das freut vor allem die Architekten, bevorzugen sie doch aus ästhetischen Gründen möglichst schlanke Konstruktionen. Die Baudynamiker wiederum sehen neue Aufgaben auf sich zukommen. "Schlanke, massenarme Strukturen sind in der Regel anfällig auf Schwingungen", meint Dazio. "Für uns stellt sich daher die Frage, wie man solche Bauwerke möglichst effizient beruhigen kann."


Fussnoten:
(1) Homepage der SGEB: www.sgeb.ch/
(2) Homepage des Instituts: www.ibk.baug.ethz.ch/



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