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Rubrik: Science Life
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Publiziert: 30.05.2007 06:00

Gesundheitliche Wirkung von Nanopartikeln
Trojanische Pferde der Nanowelt

Schwermetallhaltige Nanopartikel können in Zellen die Produktion von reaktiven Sauerstoffspezies begünstigen und dabei als Katalysatoren wirken. Solche Radikale sind bereits mehrfach mit der Entstehung verschiedenster Krankheitbilder in Verbindung gebracht worden. Die Resultate zeigen, dass der Einsatz von chemisch reaktiven Nanopartikeln mit Umsicht erfolgen sollte.

Felix Würsten

Die Nanotechnologie gilt unbestritten als Zukunftsgebiet. Kein Land, das im Forschungswettbewerb mithalten will, kann sich heute diesem Forschungszweig verschliessen – zu verlockend sind die (wirtschaftlichen) Möglichkeiten, die sich dabei eröffnen. Immer wieder melden sich aber auch skeptische Stimmen zu Wort. Befürchtet wird etwa, die ultrakleinen Partikeln könnten im menschlichen Körper Schaden anrichten. Dass diese Befürchtungen nicht ganz von der Hand zu weisen sind, bestätigt nun eine neue Studie, welche die Forschergruppe von Wendelin Stark vom Institut für Chemie und Bioingenieurwissenschaften der ETH zusammen mit Forschern der Empa St. Gallen kürzlich veröffentlicht hat. (1)

Partikel gefährlicher als Lösung

Die Forscher haben untersucht, inwieweit schwermetallhaltige Nanopartikel in Lungenzellen Schäden anrichten können. Als Mass nahmen sie die Konzentration von reaktiven Sauerstoffspezies, kurz ROS genannt. Diese Substanzen entstehen bei verschiedenen Oxidationsprozessen in den Zellen, und man vermutet heute, dass sie bei einer ganzen Reihe von Krankheiten eine zentrale Rolle spielen. Stark hat mit seiner Gruppe nun menschliche Lungenzellen Nanopartikeln ausgesetzt, welche in der Industrie als Katalysatoren für verschiedene chemische Reaktionen Verwendung finden. "Mit unserer Studie wollten wir klären, ob diese Partikel in menschlichen Zellen ebenfalls als Katalysatoren die Oxidation von Substanzen begünstigen", erläutert Stark.

Die Resultate zeigen, dass dies tatsächlich der Fall ist. Bringt man die Zellen mit schwermetallhaltigen Lösungen in Kontakt, dann reagieren die Zellen zwar gestresst, doch sie schaffen es relativ gut, die schädlichen Ionen abzuwehren. Anders sieht die Situation aus, wenn die Metalle als Nanopartikel vorliegen. In diesem Fall dringt das Metall relativ leicht in die Zellen. Je nach dem, um welches Metall es sich dabei handelt, führt dies in den Zellen zu einer mehr oder weniger deutlichen Reaktion. Im Fall von Titanoxid beispielsweise konnten die Forscher nur eine geringe Zunahme an ROS beobachten. Ganz anders sieht es aus, wenn man die Zellen Kobalt- oder Manganoxidpartikeln aussetzt. "Ich war selbst erstaunt, wie stark die Zellen auf diese Schwermetalle reagieren", erzählt Stark. "Die ROS-Konzentration betrug das vier- bis achtfache des normalen Wertes."


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In den Lungenepithelzellen (unten) lagern sich Titan-Silica-Nanopartikel ab (links oben). Diese wirken in den Zellen als Katalysatoren und sind an der Entstehung radikaler Sauerstoffspezies beteiligt. (oben rechts) gross

Kleinste Mengen zeigen Wirkung

Die Forscher haben die Zellen aber nicht nur reinen Metalloxidpartikel ausgesetzt. In einer weiteren Versuchsserie haben sie kleine Mengen an Metall auf Silicapartikeln gebunden. Bereits eine geringfügige Menge von 0,5 Prozent führt im Falle von Kobalt und Mangan dazu, dass sich die ROS-Konzentration in den Zellen massiv erhöht. "Das an sich harmlose Siliziumoxid wirkt dabei – ähnlich wie auch die Metalloxidpartikel – als Trojanisches Pferd", meint Stark. "Es transportiert auf seiner Oberfläche problematische Stoffe, welche in den Zellen Reaktionen auslösen."

Dass die eingebrachten Schwermetalle in den Zellen tatsächlich auch als Katalysatoren wirken können, konnte Stark mit einer eleganten Versuchsreihe nachweisen. "Wir haben untersucht, wie die Zellen auf Silicananopartikel reagieren, die mit Eisenoxid dotiert wurden", erklärt Stark. "Dabei konnten wir zeigen, dass bei einer Konzentration zwischen 1 und 3 Prozent am meisten ROS gebildet wird. Genau die gleiche Beziehung beobachtet man bei industriellen Anwendungen: Eisenoxid auf Silica wirkt in diesem Konzentrationsbereich am effizientesten, wenn es als Katalysator für die selektive Oxidation von gewissen organischen Substanzen eingesetzt wird. Das zeigt, dass das Metall auch in den Zellen eine katalytische Wirkung erzielt."

Frühzeitige Abklärung

Diese und frühere Resultate bestätigen nach Ansicht von Stark, dass bei der Entwicklung von Nanopartikel-haltigen Produkten Umsicht angebracht ist. "Ich forsche mit meiner Gruppe ebenfalls an industriellen Anwendungen – das ist extrem spannend", meint er. "Deshalb finde ich es unerlässlich, dass wir schon in einem frühen Stadium auch an mögliche Nebenwirkungen denken. Vor allem wenn Nanopartikel in Konsumgütern eingesetzt werden sollen, ist Vorsicht angezeigt. Da braucht es unbedingt eine sorgfältige Risikoabschätzung."


Fussnoten:
(1) L. K. Limbach, P. Wick, P. Manser, R. N. Grass, A. Bruinink, W. J. Stark.: Exposure of Engineered Nanoparticles to Human Lung Epithelial Cells: Influence of Chemical Composition and Catalytic Activity on Oxidative Stress. Environ. Sci. & Technol. (2007). http://pubs3.acs.org/acs/journals/doilookup?in_doi=10.1021/es062629t



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