ETH Life - wissen was laeuft

Die tägliche Web-Zeitung der ETH Zürich - in English

ETH Life - wissen was laeuft ETH Life - wissen was laeuft
ETH Life - wissen was laeuft
Home

ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Science Life
English Version English Version
Print-Version Drucken
Publiziert: 14.06.2006 06:00

Internatinale Konferenz zum Thema Ressourcenökonomie
Der Faktor Zeit ist entscheidend

Natürliche Ressourcen werden von unserer Gesellschaft in vielen Fällen verschwenderisch genutzt. Unter welchen Bedingungen ein volkswirtschaftlicher Nutzen entsteht, der längerfristig Bestand hat, diskutierten Experten an einer internationalen Konferenz, die letzte Woche von der ETH Zürich am Centro Stefano Franscini durchgeführt wurde.

Felix Würsten

Es ist noch gar nicht so lange her, da sorgte ein Rohölpreis von mehr als 30 Dollar pro Fass für sorgenvolle Berichte in den Zeitungen. Heute hat sich die Öffentlichkeit bereits an einen Preis von 70 Dollar gewöhnt, und es ist absehbar, dass die Marke noch weiter ansteigen wird. Unklar ist, wie sich dieser Preisanstieg auf die Weltwirtschaft auswirken wird – eine Frage, die auch aus wissenschaftlicher Sicht von grossem Interesse ist. Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass die internationale Konferenz "Sustainable Resource Use and Economic Dynamics" (1), die letzte Woche am Centro Stefano Franscini (2) auf dem Monte Verità bei Asona stattfand, in Fachkreisen auf reges Interesse stiess.

"Nachhaltige Ressourcenbewirtschaftung wird häufig nur unter dem Aspekt der Konservierung diskutiert", erklärt Lucas Bretschger, Professor für Ressourcenökonomie an der ETH Zürich (3) und Hauptorganisator der Konferenz. "Uns Ökonomen interessieren aber auch die gesamtwirtschaftlichen Aspekte: Welchen Beitrag leistet beispielsweise die Ressourcennutzung zum Wirtschaftswachstum und wie wirkt sich dies auf die Beschäftigung aus? Wann stehen nachhaltige Ressourcennutzung und wirtschaftliche Dynamik im Einklang, und wann gibt es Widersprüche?"

Dynamische Betrachtung

Die Tagung habe gezeigt, so erläutert Bretschger, dass Fragen zur Ressourcennutzung dynamisch angeschaut werden müssen. Ökonomen betrachten Wirtschaftssysteme üblicherweise statisch; man geht vom Prinzip Angebot und Nachfrage aus und fragt dann, wann sich eine stabile wirtschaftliche Situation einstellt. Dieser Ansatz greift bei Ressourcenfragen jedoch zu kurz. Denn die heutige Nutzung hat direkte Folgen für die kommenden Generationen. "Jeder Liter Erdöl, den man heute aus dem Boden holt, ist später nicht mehr verfügbar", so Bretschger. "Deshalb spielt der Faktor Zeit eine entscheidende Rolle."

Wie nicht-erneuerbare Ressourcen optimal genutzt werden sollten, kann die Ökonomie im Prinzip klar definieren. "Solche Modelle basieren allerdings auf vereinfachten Annahmen", erklärt Bretschger. "Sie gehen beispielsweise davon aus, dass die Eigentumsrechte längerfristig geklärt sind und dass sich die verantwortlichen Akteure für die Zukunft interessieren." Bei europäischen Ländern mag dies vielleicht zutreffen; im Nahen Osten hingegen ist die Situation schon weniger klar, und bei Entwicklungsländern sind diese Kriterien meistens nicht erfüllt. "Deshalb wird dort auch viel kurzfristiger gedacht und gehandelt", so Bretschger.

Wachstum trotz Ressourcen

Paradoxerweise sind natürliche Ressourcen volkswirtschaftlich gesehen nicht immer ein Segen. "Man hat festgestellt, dass Länder mit vielen natürlichen Ressourcen oft ein schwächeres Wachstum aufweisen als ressourcenärmere Länder", erläutert Bretschger. "Dieses Phänomen ist besonders ausgeprägt in Afrika zu beobachten." Auch in Holland wirkte sich die Erschliessung der Erdgasfelder nicht so positiv aus, wie man anfänglich dachte. Das Beispiel Norwegen zeigt jedoch, dass es auch anders geht, wie an der Konferenz deutlich wurde. Das skandinavische Land war früher vergleichsweise arm, konnte sich aber dank dem Erdöl hinaufarbeiten. Entscheidend war, dass die Norweger ihre Einkünfte sinnvoll eingesetzt haben. "Die Qualität der Institutionen ist entscheidend", schliesst Bretschger aus diesem Beispiel.

Für die Wissenschaft von Interesse ist auch, wie sich die Globalisierung auf die Ressourcennutzung auswirkt. "An der Konferenz wurde gezeigt, dass Entwicklungsländer Technologien rasch importieren können, wenn sie ihre Märkte offen halten", berichtet Bretschger. "Dies kann durchaus im Sinn der nachhaltigen Nutzung sein." Wie verheerend sich eine unkontrollierte Öffnung auswirken kann, zeigt ein historisches Beispiel: In Nordamerika wurden die riesigen Bisonherden im 19. Jahrhundert innerhalb eines Jahrzehnts vernichtet. Der technische Fortschritt ermöglichte es, die Felle der Tiere effizienter zu gerben und die grosse Nachfrage in Europa zu befriedigen. Entscheidend waren auch hier die Institutionen – die in diesem Fall eben nicht gut funktionierten.


weitermehr

Diskutierten angeregt über die nachhaltige Nutzung von nicht-erneuerbaren Ressourcen: Obere Reihe, v.l.n.r.: David Popp, University of Syracuse, Induzierte Innovationen; Scott Taylor, University of Calgary, Umwelt und Aussenwirtschaft; Michael Hoel, University of Oslo, Umwelt und Ressourcen. Untere Reihe: Cees Withagen, Free University of Amsterdam, Umwelt und Wachstum; Lucas Bretschger, ETH Zürich, Dynamische ökonomische Theorie; Geoffrey Heal, Columbia University, Verfasser verschiedener Standardwerke zur Ressourcenökonomie. gross

Ungerechte Kalkulation

Die Konferenz in Ascona befasste sich aber nicht nur mit der Nutzung von Ressourcen, sondern auch mit der Verschmutzung der Umwelt. Im Vordergrund stand dabei die internationale Klimapolitik. Auch bei diesem Problem, so Bretschger, fehle es an einer dynamischen Sichtweise. "Betrachtet man die wirtschaftlichen Aspekte des Klimawandels dynamisch, so verdoppeln sich die Kosten gegenüber der statischen Betrachtungsweise." Kritisiert wurde an der Tagung auch, dass die heute anfallenden Kosten in den Industriestaaten mit den künftigen anfallenden Nutzen in den Entwicklungsländern nicht angemessen verrechnet werden. "Würde man Kosten und Nutzen unabhängig vom Einkommen der jeweiligen Länder berechnen und darauf verzichten, langfristige Nutzen zu diskontieren, sähe die Bilanz der eingeschlagenen Klimapolitik ganz anders aus", ist Bretschger überzeugt.

Ideen, wie die internationale Klimapolitik verbessert werden könnte, gibt es durchaus. So wurde an der Tagung vorgeschlagen, bei der Aushandlung der künftigen Reduktionsziele müsse berücksichtigt werden, wie die einzelnen Länder technologisch auf die Vorgaben reagieren können. Die USA beispielsweise wären technisch durchaus in der Lage, die Vorgaben des Kyoto-Protokolls zu erfüllen. Dass die führende Industrienation der bisherigen internationalen Klimapolitik dennoch skeptisch gegenübersteht, sieht Bretschger nicht als Widerspruch zur Theorie. "Die USA fördern selbst grosse Mengen an Rohstoffen, und wenn man die Preise dieser Güter beeinflusst, schmälert das die Gewinne der entsprechenden Firmen. Deshalb wehren sich diese auch so vehement gegen den Wandel."


Ressourcenökonomie

Natürliche Ressourcen ist einer der fünf Schwerpunkte des ETH-Departements Management, Technology, and Economics (D-MTEC), das vor zwei Jahren gegründet wurde. Das Forschungsgebiet sei in erster Linie ein Thema der Europäer, erklärt Lucas Bretschger. "Viele Amerikaner gehen davon aus, dass sie das Problem lösen können, wenn es akut wird; und auch in Asien interessieren sich erst wenige Wissenschaftler für die Ressourcenökonomie." Bretschger hofft, dass sich die ETH in diesem interessanten Feld als führender Player etablieren kann. "Mit der Tagung in Ascona – sie fand nach 2004 bereits zum zweiten Mal statt – konnten wir uns gut positionieren." Besonders erfreulich findet Bretschger, dass letzte Woche zahlreiche international führende Forscher den Weg auf den Monte Verità gefunden haben.

Ressourcenökonomie dreht sich in vielen Fällen um Themen, bei denen das Wissen von ganz unterschiedlichen Disziplinen gefragt ist. Die fächerübergreifende Zusammenarbeit funktioniere leider erst punktuell, bedauert Bretschger. "Mit unserem Wissen könnten wir dazu beitragen, dass die Wissenschaft in Umweltfragen politisch realistische Vorschläge erarbeitet." Umgekehrt sind die Ökonomen vermehrt auch auf das Wissen der Ingenieure angewiesen. "Wir möchten beispielsweise untersuchen, in welche Technologien investiert wird, wenn die Preise für Rohstoffe steigen und wie genau Technologieentwicklung und Wirtschaftswachstum zusammenhängen."




Fussnoten:
(1) Detaillierte Informationen zur Konferenz finden sich hier: www.cer.ethz.ch/sured_2006
(2) Homepage des Centro Stefano Franscini: www.csf.ethz.ch/
(3) Homepage des Center of Economic Research der ETH: www.cer.ethz.ch/



Sie können zu diesem Artikel ein Feedback schreiben oder die bisherigen lesen.




!!! Dieses Dokument stammt aus dem ETH Web-Archiv und wird nicht mehr gepflegt !!!
!!! This document is stored in the ETH Web archive and is no longer maintained !!!