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Rubrik: Science Life |
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Internatinale Konferenz zum Thema Ressourcenökonomie Der Faktor Zeit ist entscheidend |
Natürliche Ressourcen werden von unserer Gesellschaft in vielen Fällen verschwenderisch genutzt. Unter welchen Bedingungen ein volkswirtschaftlicher Nutzen entsteht, der längerfristig Bestand hat, diskutierten Experten an einer internationalen Konferenz, die letzte Woche von der ETH Zürich am Centro Stefano Franscini durchgeführt wurde. Es ist noch gar nicht so lange her, da sorgte ein Rohölpreis von mehr als 30 Dollar pro Fass für sorgenvolle Berichte in den Zeitungen. Heute hat sich die Öffentlichkeit bereits an einen Preis von 70 Dollar gewöhnt, und es ist absehbar, dass die Marke noch weiter ansteigen wird. Unklar ist, wie sich dieser Preisanstieg auf die Weltwirtschaft auswirken wird – eine Frage, die auch aus wissenschaftlicher Sicht von grossem Interesse ist. Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass die internationale Konferenz "Sustainable Resource Use and Economic Dynamics" (1), die letzte Woche am Centro Stefano Franscini (2) auf dem Monte Verità bei Asona stattfand, in Fachkreisen auf reges Interesse stiess. "Nachhaltige Ressourcenbewirtschaftung wird häufig nur unter dem Aspekt der Konservierung diskutiert", erklärt Lucas Bretschger, Professor für Ressourcenökonomie an der ETH Zürich (3) und Hauptorganisator der Konferenz. "Uns Ökonomen interessieren aber auch die gesamtwirtschaftlichen Aspekte: Welchen Beitrag leistet beispielsweise die Ressourcennutzung zum Wirtschaftswachstum und wie wirkt sich dies auf die Beschäftigung aus? Wann stehen nachhaltige Ressourcennutzung und wirtschaftliche Dynamik im Einklang, und wann gibt es Widersprüche?" Dynamische Betrachtung Die Tagung habe gezeigt, so erläutert Bretschger, dass Fragen zur Ressourcennutzung dynamisch angeschaut werden müssen. Ökonomen betrachten Wirtschaftssysteme üblicherweise statisch; man geht vom Prinzip Angebot und Nachfrage aus und fragt dann, wann sich eine stabile wirtschaftliche Situation einstellt. Dieser Ansatz greift bei Ressourcenfragen jedoch zu kurz. Denn die heutige Nutzung hat direkte Folgen für die kommenden Generationen. "Jeder Liter Erdöl, den man heute aus dem Boden holt, ist später nicht mehr verfügbar", so Bretschger. "Deshalb spielt der Faktor Zeit eine entscheidende Rolle." Wie nicht-erneuerbare Ressourcen optimal genutzt werden sollten, kann die Ökonomie im Prinzip klar definieren. "Solche Modelle basieren allerdings auf vereinfachten Annahmen", erklärt Bretschger. "Sie gehen beispielsweise davon aus, dass die Eigentumsrechte längerfristig geklärt sind und dass sich die verantwortlichen Akteure für die Zukunft interessieren." Bei europäischen Ländern mag dies vielleicht zutreffen; im Nahen Osten hingegen ist die Situation schon weniger klar, und bei Entwicklungsländern sind diese Kriterien meistens nicht erfüllt. "Deshalb wird dort auch viel kurzfristiger gedacht und gehandelt", so Bretschger. Wachstum trotz Ressourcen Paradoxerweise sind natürliche Ressourcen volkswirtschaftlich gesehen nicht immer ein Segen. "Man hat festgestellt, dass Länder mit vielen natürlichen Ressourcen oft ein schwächeres Wachstum aufweisen als ressourcenärmere Länder", erläutert Bretschger. "Dieses Phänomen ist besonders ausgeprägt in Afrika zu beobachten." Auch in Holland wirkte sich die Erschliessung der Erdgasfelder nicht so positiv aus, wie man anfänglich dachte. Das Beispiel Norwegen zeigt jedoch, dass es auch anders geht, wie an der Konferenz deutlich wurde. Das skandinavische Land war früher vergleichsweise arm, konnte sich aber dank dem Erdöl hinaufarbeiten. Entscheidend war, dass die Norweger ihre Einkünfte sinnvoll eingesetzt haben. "Die Qualität der Institutionen ist entscheidend", schliesst Bretschger aus diesem Beispiel. Für die Wissenschaft von Interesse ist auch, wie sich die Globalisierung auf die Ressourcennutzung auswirkt. "An der Konferenz wurde gezeigt, dass Entwicklungsländer Technologien rasch importieren können, wenn sie ihre Märkte offen halten", berichtet Bretschger. "Dies kann durchaus im Sinn der nachhaltigen Nutzung sein." Wie verheerend sich eine unkontrollierte Öffnung auswirken kann, zeigt ein historisches Beispiel: In Nordamerika wurden die riesigen Bisonherden im 19. Jahrhundert innerhalb eines Jahrzehnts vernichtet. Der technische Fortschritt ermöglichte es, die Felle der Tiere effizienter zu gerben und die grosse Nachfrage in Europa zu befriedigen. Entscheidend waren auch hier die Institutionen – die in diesem Fall eben nicht gut funktionierten.
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Ungerechte Kalkulation Die Konferenz in Ascona befasste sich aber nicht nur mit der Nutzung von Ressourcen, sondern auch mit der Verschmutzung der Umwelt. Im Vordergrund stand dabei die internationale Klimapolitik. Auch bei diesem Problem, so Bretschger, fehle es an einer dynamischen Sichtweise. "Betrachtet man die wirtschaftlichen Aspekte des Klimawandels dynamisch, so verdoppeln sich die Kosten gegenüber der statischen Betrachtungsweise." Kritisiert wurde an der Tagung auch, dass die heute anfallenden Kosten in den Industriestaaten mit den künftigen anfallenden Nutzen in den Entwicklungsländern nicht angemessen verrechnet werden. "Würde man Kosten und Nutzen unabhängig vom Einkommen der jeweiligen Länder berechnen und darauf verzichten, langfristige Nutzen zu diskontieren, sähe die Bilanz der eingeschlagenen Klimapolitik ganz anders aus", ist Bretschger überzeugt. Ideen, wie die internationale Klimapolitik verbessert werden könnte, gibt es durchaus. So wurde an der Tagung vorgeschlagen, bei der Aushandlung der künftigen Reduktionsziele müsse berücksichtigt werden, wie die einzelnen Länder technologisch auf die Vorgaben reagieren können. Die USA beispielsweise wären technisch durchaus in der Lage, die Vorgaben des Kyoto-Protokolls zu erfüllen. Dass die führende Industrienation der bisherigen internationalen Klimapolitik dennoch skeptisch gegenübersteht, sieht Bretschger nicht als Widerspruch zur Theorie. "Die USA fördern selbst grosse Mengen an Rohstoffen, und wenn man die Preise dieser Güter beeinflusst, schmälert das die Gewinne der entsprechenden Firmen. Deshalb wehren sich diese auch so vehement gegen den Wandel."
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