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Rubrik: Science Life
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Publiziert: 14.02.2002 01:00

Kontroverse um die Auskreuzung von Gentech-Mais
Viel Mais um den Mais

Öffentlichkeit und Medien erwarten von Forschern rasche Antworten auf wissenschaftliche Fragen und Probleme. Doch nicht immer führt Forschung gradlinig zu eindeutigen Resultaten. Ein aktueller Diskurs über die Auskreuzung von Gentech-Mais zeigt, wie unter dem Druck von Politik und Medien die wissenschaftliche Wahrheitsfindung leidet.

Von

und Christoph Meier

"Manipulierter Mais erobert Wildnis" und "Maisgene ausser Kontrolle"; so oder ähnlich titelten die Zeitungen letzten Herbst. Und die Schreiberlinge schienen Recht zu haben, denn schliesslich stand der vermeintliche Nachweis für die Auskreuzung von Gentech-Mais Ende letzten November im Wissenschaftsmagazin "Nature" (1) (siehe Kasten), einer Autorität - zumindest für die Medien. Doch ist diese Autoritätsgläubigkeit berechtigt? Michael Schanne, Experte für Wissenschaftsjournalismus und Lehrbeauftragter an der ETH: "Den grossen Wissenschaftsmagazinen gelingt es immer noch, als die Autorität aufzutreten. Tatsächlich können sie dies, je länger je mehr, nicht mehr sein."

Aktualität vor Nachprüfung?

Ein Indiz dafür, dass Nature im Mais-Fall die genaue Nachprüfung der Aktualität und der Sensation opferte, könnte sein, dass das Magazin die Nachricht vom Auskreuzen bereits zwei Monate vorher als News publiziert hatte (2) . Dabei wurde die Brisanz des Ereignisses betont.


Gentransfer beim Mais?

Eine in der letzten Novemberausgabe des Wissenschaftsmagazins "Nature" veröffentlichte Untersuchung (1) schien erstmals nachzuweisen, was insbesondere Umweltorganisationen schon lange befürchteten: Im Erbgut von Maispflanzen aus abgelegenen Feldern im mexikanischen Bergland gibt es durch Gentechnik veränderte Gen-Abschnitte. Forscher der University of California in Berkeley kamen zu diesem Schluss, obschon Mexiko seit 1998 den Anbau von Gentech-Mais verbietet.

Auswirkungen auf die Politik

Die Auseinandersetzung um mögliche Folgen einer breitflächigen Auskreuzung von Gentech-Mais liess auch Politik und Medien nicht kalt. Denn in Mexiko - Urheimat des Maises - gibt es noch viele verschiedene Sorten, die ein wertvolles Gen-Reservoir darstellen. Das war einer der Gründe, weshalb Umweltorganisationen lautstark auf die vermutete Auskreuzung aufmerksam machten. Sie befürchten einen Verlust der Biodiversität durch zunehmende "Gen-Verschmutzung" (mehr dazu im Kasten unten rechts). Greenpeace forderte unter anderem einen sofortigen Importstopp für Gentech-Organismen in deren Ursprungsgebiete. (3) Der mexikanische Senat nahm das Begehren in Bezug auf Mais auf. Doch Präsident Fox blockte ab. Die EU ihrerseits will sich nun trotz amerikanischer WTO-Drohungen anscheinend nochmals gut überlegen, ob das Moratorium für den Anbau von Gentech-Pflanzen wie beabsichtigt aufgehoben werden soll. (4)



Im Gegensatz zu den Medien hegte der 48-jährige Biochemiker Johannes Fütterer vom ETH-Institut für Pflanzenwissenschaften von Beginn an Zweifel an der erwähnten Studie über die Auskreuzung von Gentech-Mais. "Die Ergebnisse wirkten zusammengestellt. So wie es grad gut passte." Denn bei der Suche nach dem gentechnisch veränderten Viren-Erbgut in Pflanzenzellen ergäben sich aufgrund der hohen Empfindlichkeit des Nachweises mittels der Polymerase Ketten-Reaktion (PCR) meist auch viele Artefakte. Eine konsequente Durchführung aller notwendigen Kontrollen sei darum wichtig. "Die beiden Autoren haben aber nicht alle Kontrollexperimente durchgeführt", kritisiert Fütterer die Studie.

Gurken - statt Kohlvirus

Er bemerkte weitere Unsorgfältigkeiten, die den Gutachtern von "Nature" scheinbar entgangen waren. Der auffälligste Fehler für ihn war, dass die flankierenden Sequenzen des vermeintlich eingeführten Genmaterials in keinem Fall denen entsprachen, die von der Methode her hätten erwartet werden müssen. Schon fast humorvoll scheint zudem die Verwechslung eines Kohl- mit einem Gurkenvirus. Skeptisch stimmte Fütterer auch, dass die beiden Autoren in der Beschreibung des Versuchsansatzes die Leserichtung bei den Genen verwechselten. Zusammenfassend kritisiert Fütterer: "Es ist alarmierend, dass ein Manuskript von solch schlechter Qualität es schafft, den Review-Prozess zu passieren."

Fehler durch Zeitdruck?

Solche Unsorgfältigkeiten können durch Zeitdruck entstehen. Dass die mexikanische Regierung mit ähnlichen, aber unabhängig erhobenen Resultaten an die Öffentlichkeit gelangte, setzte die Autoren wahrscheinlich zusätzlich unter Druck, ihre Studie möglichst rasch in "Nature" zu veröffentlichen.

Fütterer besprach seine Bedenken mit Laborleiter Wilhelm Gruissem und amerikanischen Forschungskollegen. Zusammen mit Letzteren sandte Fütterer seine Kritik Mitte Dezember an die Autoren und ans Fachmagazin "Nature", mit der Bitte um Veröffentlichung. Lange hörte Fütterer nichts mehr, ausser dass andere Forscher ebenfalls an Nature gelangten - mit ähnlichen Bedenken. Auf mehrmalige Nachfrage hin meldete "Nature" zu Jahresbeginn, man werde das Ganze prüfen, brauche dazu aber noch sechs Wochen Zeit. Bis zum Redaktionsschluss dieser Zeitung hat Fütterer nichts mehr gehört.


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Mais
Umstritten: Gefährdet eine allfällige Auskreuzung von Gentech-Mais die Biodiversität? gross

Mittlerweile steht der ETH-Forscher nicht mehr alleine mit seinen Bedenken. In der Januar-Ausgabe des Fachmagazins "Nature Biotechnology" (5) zweifelt das internationale Mais- und Weizenforschungsinstitut CIMMYT in Mexiko ebenfalls daran, ob es tatsächlich zur Auskreuzung von Gentech-Mais kam. CIMMYT untersuchte 28 konservierte Mais-Populationen aus den eigenen Samenbanken sowie aktuelle mexikanische Feldproben nach Spuren der gentechnischen Veränderungen. Es konnte jedoch nichts nachgewiesen werden.

Fliegender Mais

Zweifel an einer natürlichen Auskreuzung könnten auch aus dem Umstand erwachsen, dass das nächstgelegene bekannte Feld mit Gentech-Mais 100 Kilometer von den Feldproben entfernt lag. "Es ist kaum vorstellbar, dass der relativ schwere Maispollen über eine solche Distanz fliegen kann und befruchtungsfähig ankommt", meint der Pflanzenwissenschaftler Alberto Soldati von der ETH-Versuchsstation in Lindau-Eschikon. Denn Maispollen sei nur wenige Stunden befruchtungsfähig. Soldati weiss, wovon er spricht. Diesen Frühling startet seine Forschungsgruppe eine Gross-Simulation, um abzuklären, über welche Distanz Mais auskreuzt.

Die Fachliteratur empfiehlt beim Anbau von Gentech-Mais eine Isolierdistanz von rund 300 Metern. Doch Soldati und sein Kollege, der Auskreuzungsexperte Boy Feil, vermuten, dass befruchtungsfähige Pollen bis zu zwei Kilometer fliegen können. "Eine genaue Abklärung ist insbesondere für die Schutzdistanz bei der Aussaat von Gentech-Mais entscheidend", erklärt Soldati die Motivation für die Feld-Simulation. Dazu hantiert er jedoch nicht mit Gentech-Pollen. "Wir pflanzen lediglich natürliche weisskörnige Maissorten, die bei Auskreuzung mit üblichen gelben Maispollen gelbe Maiskörner bilden, statt weisse", erklärt Soldati den Trick. Zur Auswertung müssen die Maiskörner nur nach Farben ausgezählt werden.

Trotz Fütterers Zweifel bezüglich der Nature-Publikation und trotz des Literatur-Wissens um die geringe Flugweite des Maispollens halten sowohl Fütterer als auch Soldati eine Auskreuzung von gentechnisch verändertem Mais auf andere Maissorten durchaus für möglich. Die daraus resultierenden Konsequenzen sollten auch thematisiert und diskutiert werden. Speziell im Mais-Ursprungsland Mexiko könnte auch eine Auskreuzung auf wild wachsende Mais-Verwandte stattfinden. "Doch dann soll dies auch wissenschaftlich sauber nachgewiesen werden", fordert Fütterer.

Schadet es der Biodiversität?


Schadet es der Biodiversität?

Ein sauberer Nachweis einer Auskreuzung mit Gentech-Mais bedeutet für den ETH-Privatdozenten für Biosicherheit, Othmar Käppeli, allerdings noch lange nicht, dass dadurch die Biodiversität wesentlich negativer beeinflusst wird als bisher. "Andere Faktoren, wie beispielsweise der Import exotischer Arten, haben einen viel grösseren Einfluss auf die Biodiversität", meint er. Die Biodiversität bei Kulturpflanzen sei viel eher dadurch gefährdet, dass immer mehr ursprüngliche Landessorten durch die Hochertrags-Landwirtschaft ersetzt werden. Bei Wildpflanzen hingegen ist die Biodiversität hauptsächlich dadurch gefährdet, dass zunehmend Naturlandschaften in Kulturland umgewandelt werden. "Mit Auskreuzung von Gentech-Pflanzen an sich hat aber beides eigentlich nichts zu tun", schliesst Käppeli.



Fehlende Kontrollfunktion

Als Grundproblem für den Konflikt der Wissenschaftsmagazine zwischen Aktualität und wissenschaftlicher Korrektheit sieht der Wissenschaftsjournalismus-Experte Schanne die zunehmende Konkurrenz: "Bei einer Entdeckung will jeder der Erste sein. Sowohl bei den Wissenschaftlern als auch bei den Journalisten." Können denn die um Aufmerksamkeit kämpfenden Wissenschaftsmagazine überhaupt noch ihrer Kontrollfunktion über die Wissenschaft gerecht werden? Schanne ist eher skeptisch: "Die Kontrollfunktion der publizistischen Medien spielt im Wissenschaftsbereich nur sehr begrenzt, im Gegensatz zu ihrer Rolle in der politischen Berichterstattung."

Verschiedene Studien zeigten, dass es eine Nachricht oder eine Entdeckung aus medientechnischen Gründen rascher in die Medien schafft, wenn sie in ein gängiges Erklärungskonzept passt. "Wenn die Schleuse einmal geöffnet ist, dann läuft viel Wasser in den Kanal", illustriert Schanne den Prozess. Dabei bleibt der saubere Nachweis manchmal auf der Strecke. Vielleicht sollte man sich vermehrt an das Arbeitsethos erinnern, das schon der deutsche Dramatiker Berthold Brecht seinem Galileo Galilei zuschrieb: "Und was wir heute finden, werden wir morgen von der Tafel streichen und erst wieder anschreiben, wenn wir es noch einmal gefunden haben. Und was wir zu finden wünschen, das werden wir, gefunden, mit besonderem Misstrauen ansehen."


Fussnoten:
(1) Nature Vol. 414, 541-543 (2001)
(2) Nature Vol. 413, 337 (2001)
(3) Greenpeace-Forderung: www.greenpeace.org/pressreleases/
(4) Nature Biotechnology Vol. 20, 106-107 (2002)
(5) Nature Biotechnology Vol. 20, 3-4 (2002)



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