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Rubrik: Science Life |
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Kontroverse um die Auskreuzung von Gentech-Mais Viel Mais um den Mais |
Öffentlichkeit und Medien erwarten von Forschern rasche Antworten auf wissenschaftliche Fragen und Probleme. Doch nicht immer führt Forschung gradlinig zu eindeutigen Resultaten. Ein aktueller Diskurs über die Auskreuzung von Gentech-Mais zeigt, wie unter dem Druck von Politik und Medien die wissenschaftliche Wahrheitsfindung leidet. Von und Christoph Meier "Manipulierter Mais erobert Wildnis" und "Maisgene ausser Kontrolle"; so oder ähnlich titelten die Zeitungen letzten Herbst. Und die Schreiberlinge schienen Recht zu haben, denn schliesslich stand der vermeintliche Nachweis für die Auskreuzung von Gentech-Mais Ende letzten November im Wissenschaftsmagazin "Nature" (1) (siehe Kasten), einer Autorität - zumindest für die Medien. Doch ist diese Autoritätsgläubigkeit berechtigt? Michael Schanne, Experte für Wissenschaftsjournalismus und Lehrbeauftragter an der ETH: "Den grossen Wissenschaftsmagazinen gelingt es immer noch, als die Autorität aufzutreten. Tatsächlich können sie dies, je länger je mehr, nicht mehr sein." Aktualität vor Nachprüfung? Ein Indiz dafür, dass Nature im Mais-Fall die genaue Nachprüfung der Aktualität und der Sensation opferte, könnte sein, dass das Magazin die Nachricht vom Auskreuzen bereits zwei Monate vorher als News publiziert hatte (2) . Dabei wurde die Brisanz des Ereignisses betont.
Im Gegensatz zu den Medien hegte der 48-jährige Biochemiker Johannes Fütterer vom ETH-Institut für Pflanzenwissenschaften von Beginn an Zweifel an der erwähnten Studie über die Auskreuzung von Gentech-Mais. "Die Ergebnisse wirkten zusammengestellt. So wie es grad gut passte." Denn bei der Suche nach dem gentechnisch veränderten Viren-Erbgut in Pflanzenzellen ergäben sich aufgrund der hohen Empfindlichkeit des Nachweises mittels der Polymerase Ketten-Reaktion (PCR) meist auch viele Artefakte. Eine konsequente Durchführung aller notwendigen Kontrollen sei darum wichtig. "Die beiden Autoren haben aber nicht alle Kontrollexperimente durchgeführt", kritisiert Fütterer die Studie. Gurken - statt Kohlvirus Er bemerkte weitere Unsorgfältigkeiten, die den Gutachtern von "Nature" scheinbar entgangen waren. Der auffälligste Fehler für ihn war, dass die flankierenden Sequenzen des vermeintlich eingeführten Genmaterials in keinem Fall denen entsprachen, die von der Methode her hätten erwartet werden müssen. Schon fast humorvoll scheint zudem die Verwechslung eines Kohl- mit einem Gurkenvirus. Skeptisch stimmte Fütterer auch, dass die beiden Autoren in der Beschreibung des Versuchsansatzes die Leserichtung bei den Genen verwechselten. Zusammenfassend kritisiert Fütterer: "Es ist alarmierend, dass ein Manuskript von solch schlechter Qualität es schafft, den Review-Prozess zu passieren." Fehler durch Zeitdruck? Solche Unsorgfältigkeiten können durch Zeitdruck entstehen. Dass die mexikanische Regierung mit ähnlichen, aber unabhängig erhobenen Resultaten an die Öffentlichkeit gelangte, setzte die Autoren wahrscheinlich zusätzlich unter Druck, ihre Studie möglichst rasch in "Nature" zu veröffentlichen. Fütterer besprach seine Bedenken mit Laborleiter Wilhelm Gruissem und amerikanischen Forschungskollegen. Zusammen mit Letzteren sandte Fütterer seine Kritik Mitte Dezember an die Autoren und ans Fachmagazin "Nature", mit der Bitte um Veröffentlichung. Lange hörte Fütterer nichts mehr, ausser dass andere Forscher ebenfalls an Nature gelangten - mit ähnlichen Bedenken. Auf mehrmalige Nachfrage hin meldete "Nature" zu Jahresbeginn, man werde das Ganze prüfen, brauche dazu aber noch sechs Wochen Zeit. Bis zum Redaktionsschluss dieser Zeitung hat Fütterer nichts mehr gehört.
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Mittlerweile steht der ETH-Forscher nicht mehr alleine mit seinen Bedenken. In der Januar-Ausgabe des Fachmagazins "Nature Biotechnology" (5) zweifelt das internationale Mais- und Weizenforschungsinstitut CIMMYT in Mexiko ebenfalls daran, ob es tatsächlich zur Auskreuzung von Gentech-Mais kam. CIMMYT untersuchte 28 konservierte Mais-Populationen aus den eigenen Samenbanken sowie aktuelle mexikanische Feldproben nach Spuren der gentechnischen Veränderungen. Es konnte jedoch nichts nachgewiesen werden. Fliegender Mais Zweifel an einer natürlichen Auskreuzung könnten auch aus dem Umstand erwachsen, dass das nächstgelegene bekannte Feld mit Gentech-Mais 100 Kilometer von den Feldproben entfernt lag. "Es ist kaum vorstellbar, dass der relativ schwere Maispollen über eine solche Distanz fliegen kann und befruchtungsfähig ankommt", meint der Pflanzenwissenschaftler Alberto Soldati von der ETH-Versuchsstation in Lindau-Eschikon. Denn Maispollen sei nur wenige Stunden befruchtungsfähig. Soldati weiss, wovon er spricht. Diesen Frühling startet seine Forschungsgruppe eine Gross-Simulation, um abzuklären, über welche Distanz Mais auskreuzt. Die Fachliteratur empfiehlt beim Anbau von Gentech-Mais eine Isolierdistanz von rund 300 Metern. Doch Soldati und sein Kollege, der Auskreuzungsexperte Boy Feil, vermuten, dass befruchtungsfähige Pollen bis zu zwei Kilometer fliegen können. "Eine genaue Abklärung ist insbesondere für die Schutzdistanz bei der Aussaat von Gentech-Mais entscheidend", erklärt Soldati die Motivation für die Feld-Simulation. Dazu hantiert er jedoch nicht mit Gentech-Pollen. "Wir pflanzen lediglich natürliche weisskörnige Maissorten, die bei Auskreuzung mit üblichen gelben Maispollen gelbe Maiskörner bilden, statt weisse", erklärt Soldati den Trick. Zur Auswertung müssen die Maiskörner nur nach Farben ausgezählt werden. Trotz Fütterers Zweifel bezüglich der Nature-Publikation und trotz des Literatur-Wissens um die geringe Flugweite des Maispollens halten sowohl Fütterer als auch Soldati eine Auskreuzung von gentechnisch verändertem Mais auf andere Maissorten durchaus für möglich. Die daraus resultierenden Konsequenzen sollten auch thematisiert und diskutiert werden. Speziell im Mais-Ursprungsland Mexiko könnte auch eine Auskreuzung auf wild wachsende Mais-Verwandte stattfinden. "Doch dann soll dies auch wissenschaftlich sauber nachgewiesen werden", fordert Fütterer. Schadet es der Biodiversität?
Fehlende Kontrollfunktion Als Grundproblem für den Konflikt der Wissenschaftsmagazine zwischen Aktualität und wissenschaftlicher Korrektheit sieht der Wissenschaftsjournalismus-Experte Schanne die zunehmende Konkurrenz: "Bei einer Entdeckung will jeder der Erste sein. Sowohl bei den Wissenschaftlern als auch bei den Journalisten." Können denn die um Aufmerksamkeit kämpfenden Wissenschaftsmagazine überhaupt noch ihrer Kontrollfunktion über die Wissenschaft gerecht werden? Schanne ist eher skeptisch: "Die Kontrollfunktion der publizistischen Medien spielt im Wissenschaftsbereich nur sehr begrenzt, im Gegensatz zu ihrer Rolle in der politischen Berichterstattung." Verschiedene Studien zeigten, dass es eine Nachricht oder eine Entdeckung aus medientechnischen Gründen rascher in die Medien schafft, wenn sie in ein gängiges Erklärungskonzept passt. "Wenn die Schleuse einmal geöffnet ist, dann läuft viel Wasser in den Kanal", illustriert Schanne den Prozess. Dabei bleibt der saubere Nachweis manchmal auf der Strecke. Vielleicht sollte man sich vermehrt an das Arbeitsethos erinnern, das schon der deutsche Dramatiker Berthold Brecht seinem Galileo Galilei zuschrieb: "Und was wir heute finden, werden wir morgen von der Tafel streichen und erst wieder anschreiben, wenn wir es noch einmal gefunden haben. Und was wir zu finden wünschen, das werden wir, gefunden, mit besonderem Misstrauen ansehen." |
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Fussnoten:
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