ETH Life - wissen was laeuft

Die tägliche Web-Zeitung der ETH Zürich - in English

ETH Life - wissen was laeuft ETH Life - wissen was laeuft
ETH Life - wissen was laeuft
Home

ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Science Life
Print-Version Drucken
Publiziert: 25.04.2003 06:00

Diskussionsnachmittag zu Acrylamid in Lebensmitteln
Belastung verringern, Gefahren erforschen

Acrylamid in Lebensmitteln: Entstehung und Verminderung der umstrittenen Substanz in Lebensmitteln werden immer besser verstanden, die Gefahr bleibt aber unklar, wie ein Diskussionsnachmittag an der ETH zeigte.

Von Christoph Meier

Acrylamid in Lebensmitteln – Dieser Befund von schwedischen Wissenschaftlern schreckte im April 2002 die Öffentlichkeit auf. Acrylamid war bis dahin nur bekannt dafür, dass es in Labors und der Industrie zur Herstellung des Kunststoffes Polyacrylamid verwendet wird, die Auftrennung von Eiweissen in der Analytik ermöglicht, oder zur Abwasserreinigung in einer Kläranlage eingesetzt wird. In Tierversuchen wurde nachgewiesen, dass Acrylamid zur Erbinformations- und Nervenschädigungen sowie zur Bildung von Tumoren führen kann.

Jetzt wurde aber aufgezeigt, dass Acrylamid in Lebensmitteln vorkommt, vor allem in gerösteten, gebratenen oder fritierten Kartoffeln, in Geteideprodukten aber auch in Kaffee. Dieser sei sogar eine Hauptquelle für die Acrylamidaufnahme bei den Schweizern, stellte das Bundesamt für Gesundheit (BAG) letzten Herbst fest. Zur Unruhe trug bei, dass von vorgefundenen Mengen Acrylamid bis zu einigen Milligrammen pro Kilogramm berichtet wurde, während die Weltgesundheitsorganisation für Wasser einen Grenzwert von 0.5 Mikrogramm pro Liter empfahl. Besorgt zeigte sich die Presse. So schrieb der Blick von „Kaffee gibt Krebs“ und selbst die NZZ sprach vom „Gift aus der Fritteuse“.

Kartoffel im Zentrum

Doch was bedeutet die Tatsache, dass Acrylamid nicht nur unbewusst, sondern plötzlich bewusst in aller Munde ist? Dieser Frage gingen die Teilnehmer des Diskussionsnachmittags „Acrylamid in Lebensmitteln“ rund eine Woche vor Ostern an der ETH nach. Organisiert wurde der bis zum letzen Platz ausgebuchte Anlass von der Schweizerischen Gesellschaft für Lebensmittelhygiene (SGLH)(1) und der Schweizerischen Gesellschaft für Lebensmittel- und Umweltchemie (SGLUC) (2), die von den ETH-Angehörigen PD Leo Meile (SGLH) und Professor Renato Amaḍ (SGLUC) präsidiert werden.

Die vereinigten Experten - das Spektrum reichte vom Kartoffelforscher über den Fachmann für Logistik, den Lebensmitteltechnologen und den Analytiker bis zum Vertreter des BAG – diskutierten das Problem Acrylamid, ausgehend von der Kartoffel und ihren Produkten. Diese Einschränkung war insofern sinnvoll, da mittlerweile bekannt ist, dass Kartoffelprodukte, die auch in der Schweiz beliebt sind, wie Pommes Frites, Chips oder Rösti relativ viel Acrylamid enthalten.

Die Fachleute zeigten auf, dass das Wissen heute vorhanden ist, wie Acrylamid entsteht und wie dieser Prozess beeinflusst werden kann. Ein Ansatzpunkt, um die Acryamid-Belastung zu senken, besteht zum Beispiel in der Wahl der Kartoffelsorte. So ist der Gehalt an reduzierenden Zuckern, die ein Ausgangsstoff für die Bildung von Acrylamid sind, bei den verschiedenen Kartoffelsorten ziemlich variabel, ganz im Gegensatz zum anderen Ausgangsstoff, der Aminosäure Asparagin.


weitermehr

Enthält verhältnismässig viel Acrylamid: braungebrannte Rösti. gross

Doch nicht nur mit der Sortenwahl könnte man einen hohen Zuckergehalt vermeiden. Eine Lagerung über 8 Grad Celsius hätte auch einen solchen positiven Effekt bezüglich der Acrylamidbildung. Eine entsprechende Lagerung wird aber nicht praktiziert, da sie zur Keimbildung führt und damit zu Substanzverlust sowie Qualitätsverminderung.

Auch der Konsument kann beeinflussen, wie viel Acrylamid er mit seinen Kartoffelspeisen aufnimmt, und sei es nur durch Vermeiden von dunklen Stellen bei der Rösti. Unter anderen wies ETH-Professor Felix Escher darauf hin, wie inhomogen nämlich die Temperatur-, Wasserverteilung und somit der Acrylamidgehalt in Kartoffelspeisen sein kann.

Grenzwerte momentan sinnlos

Spezifische Empfehlungen gaben die Diskussionsteilnehmer jedoch keine, und das hatte seinen guten Grund: Denn auch wenn man immer mehr über Entstehung und Verteilung von Acrylamid in Lebensmitteln weiss, die Auswirkungen auf den Menschen sind unklar. Die dafür nötigen toxikologischen Daten fehlen. In diesem Zusammenhang bedauerte Josef Schlatter, Lebensmitteltoxikologe beim BAG, dass die ETH die klassische Toxikologie aufgegeben habe, und somit die geforderte Expertise nicht mehr liefern kann.

In Bezug auf das Kartoffelrösten wies Felix Escher auch darauf hin, dass bei den zur Bräunung führenden Maillard-Reaktionen neben Acrylamid auch erwünschte Stoffe entstehen. Andere mahnten dazu, nicht unüberlegt die Ernährung umzustellen, denn vielleicht fördere man damit nur anderswo die Produktion ungewollter Stoffe. In dieser Situation sahen die meisten in der Diskussionsrunde auch keinen Sinn darin, dass Grenzwerte aufgestellt oder spezielle Massnahmen ergriffen werden sollten. Der BAG-Vertreter Michael Beer wies darauf hin, dass vor allem durch den Kochprozess zuhause die Belastung durch Acrylamid bestimmt wird. Lakonisch und mit Blick auf den bereits langen Konsum von Acrylamid-haltigen Lebensmitteln wahrscheinlich zurecht relativierend bemerkte er: „Essen ist gefährlich. Nicht essen ist gefährlicher.“


Literaturhinweise:
Informationen des Bundesamt für Gesundheit zu Acrylamid: www.bag.admin.ch/verbrau/lebensmi/Acrylamid/d/index.htm

Fussnoten:
(1) Schweizerische Gesellschaft für Lebensmittelhygiene: www.sglh.ch/index.htm
(2) der Schweizerischen Gesellschaft für Lebensmittel- und Umweltchemie: www.sgluc.ch/



Sie können zu diesem Artikel ein Feedback schreiben oder die bisherigen lesen.




!!! Dieses Dokument stammt aus dem ETH Web-Archiv und wird nicht mehr gepflegt !!!
!!! This document is stored in the ETH Web archive and is no longer maintained !!!