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Rubrik: Science Life
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Publiziert: 07.11.2003 06:00

Bienen, die nicht mehr assozieren
Immunantwort verhindert Lernen

Krankheiten können das Lernen und die Bildung eines Gedächtnisses stark beeinträchtigen. Eine neue Arbeit aus der Gruppe „Ökologie und Evolution“ des ETH-Professors Paul Schmid-Hempel zeigt anhand von Versuchen mit der Honigbiene zum ersten Mal bei Insekten, dass diese Beeinträchtigung auch für Wirbellose gelten kann. Eine starke Immunantwort kommt ohne Kompromisse beim Nervensystem also kaum zustande.

Von Christoph Meier

Wer krank ist, lernt häufig schlechter als im gesunden Zustand. Das ist eine Erfahrung, die jedermann aus eigener Erfahrung kennt. Der Körper scheint dabei der Bekämpfung der Krankheit den Vorrang gegenüber intellektuellen Leistungen zu geben. Dieses Phänomen interessiert natürlich auch Wissenschaftler, ja es gibt ganze neue Forschungsrichtungen, die sich dem Zusammenhang zwischen Nerven- und Immunsystem widmen. So wurde diesen Sommer an der ETH ein Professor für Psychologie und Verhaltensimmunbiologie gewählt.

Die neuen Forschungen beschäftigen sich dabei nicht nur mit dem Menschen, sondern auch mit anderen Wirbeltieren. Es gibt immer mehr Belege dafür, dass Infektionen mit Parasiten die Lernfähigkeit der Tiere beeinträchtigen. Doch nicht nur Wirbeltiere sind lernfähig. Bereits Karl von Frisch nutzte vor rund 90 Jahren die phänomenale Lernfähigkeit von Bienen aus um nachzuweisen, dass der Schwänzeltanz eine Kommunikation über profitable Futterquellen darstellt. Könnte es nun sein, dass Krankheiten auch die Lernfähigkeit dieser Insekten beeinträchtigen? Diese bisher unbeantwortete Frage konnten Forschende der Gruppe des ETH-Evolutionsbiologen Paul Schmid-Hempel(1) anhand einer neuen Studie, die in den „Proceedings of the Royal Society of London“ erschien (2), mit ja beantworten.

Rüssel zeigt Lernerfolg

Für die Studie untersuchten die Forschenden wohl Bienen, wenn auch nicht deren Schwänzeltanz. Stattdessen analysierten sie das Verhalten der Insekten bei einem klassischen Konditionierungsexperiment. Den Bienen werden dabei zuerst als unkonditionierter Stimulus Zuckerwasser auf die Antennen geträufelt, worauf sie jeweils ihren Rüssel ausfahren. Als Belohnung erhalten die Tiere dann die süsse Lösung. Werden die Bienen kurz vor dem süssen Stimulus mit einem Zitronen ähnlichen Geruch konfrontiert, so reagieren sie bereits nach einer Lernrunde mit dem Ausfahren des Rüssels. Diese Verhaltensweise kann somit gut zur Quantifizierung ihrer Lernfähigkeit mittels Assoziationen gebraucht werden.


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Bienen, deren Immunsystem aktiv ist, können schlechter lernen. (Bild: P. Schmid-Hempel)

Eine Immunantwort zum Vergessen

Wie verhalten sich nun Bienen in diesem Konditionierungs-Experiment, wenn ihre Immunabwehr aktiviert ist? Genau dieser Frage ging Paul Schmid-Hempel mit seinen Kollegen nach. Den Bienen wurde dafür eine Substanz gespritzt, die eine starke Immunantwort auslöst, aber nicht schädigend wirkt. Es zeigte sich, dass die immunologisch geforderten Tiere im Vergleich mit den Kontrolltieren nach einer Minute noch gleich stark „rüsselten“, wenn sie mit dem Zitronenduft konfrontiert wurden, nach zwölf Minuten aber signifikant weniger. Das spricht dafür, dass das Immunsystem soviel Ressourcen beansprucht, dass zwar ein „Kurzzeit-„, jedoch kein „Langzeit-Gedächtnis“ entsteht.

Sind es die Octopamine?

In der Studie stellen die Forscher die Hypothese auf, dass Octopamine, von denen das assoziative Lernen von Honigbienen abhängt, eventuell bei einer starken Immunantwort nicht mehr in ausreichendem Masse vorhanden sind, um eine Gedächtnisbildung zu ermöglichen. Schmid-Hempel weisst darauf hin, dass seine Kollegen in Würzburg, die an der Studie beteiligt waren, die Rolle der Octopamine bei der verringerten Lernleistung bei einer Immunantwort weiter untersuchen werden. Auch wenn sich hier nichts finden lassen sollte, die beschriebene Studie zeigt über das Verhalten deutlich, dass das Immunsystem der Bienen sich nicht ohne Einbussen bei der Lernleistung aktivieren lässt. Dass das möglicherweise weitreichende Konsequenzen hat, kann man sich gut ausmalen. Ein krankes Bienenvolk, dessen Mitglieder nicht mehr lernen könnten, wie sie auf den Schwänzeltanz reagieren sollen, bekäme sicher massive Probleme.


Literaturhinweise:

Fussnoten:
(1) Experimental Ecology Theoretical Biology: www.eco.ethz.ch/index.html
(2) Eamonn B. Mallon, Axel Brockmann and Paul Schmid-Hempel: "Immune response inhibits associative learning in insects", Proc. R. Soc. Lond. B, published online 8 October 2003: http://masetto.ingentaselect.com/vl=1625021/cl=31/ini=rsl/nw=1/rpsv/cw/rsl/09628452/previews/03pb0072.pdf



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