ETH Life - wissen was laeuft

Die tägliche Web-Zeitung der ETH Zürich - in English

ETH Life - wissen was laeuft ETH Life - wissen was laeuft
ETH Life - wissen was laeuft
Home

ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Science Life
English Version English Version
Print-Version Drucken
Publiziert: 23.05.2006 06:00

Neuer Bericht zu Primatenversuchen
Ethiker fordern hohe Hürden

In der Schweiz soll es keine belastenden Versuche mit Menschenaffen mehr geben und auch Experimente mit anderen Primaten sollen mit grösserer Zurückhaltung als bisher bewilligt werden. Das empfehlen die Eidgenössische Kommission für Tierversuche und die Eidgenössische Ethikkommission für die Biotechnologie im Ausserhumanbereich in ihrem neuen Bericht.

Peter Rüegg

Der Auslöser für die neue ethische Beurteilung von Experimenten mit Affen war ein ETH-Versuch mit Weissbüscheläffchen, die in der Depressionsforschung eingesetzt wurden. Dabei trennten die Forscher Jungtiere für gewisse Zeit von ihren Müttern, um herauszufinden welche langfristigen Folgen die Trennung für die Jungtiere hat. Sowohl der Schweizerische Nationalfonds (SNF) als Geldgeber als auch die kantonale Tierschutzkommission als ethische Instanz hatten das Experiment gutgeheissen.

In ihrem neusten Bericht „Forschung an Primaten – eine ethische Bewertung“ (1) kommen die Eidgenössische Kommission für Tierversuche (EKTV) und die Eidgenössische Ethikkommission für die Biotechnologie im Ausserhumanbereich (EKAH) zu einem anderen Schluss. Aus heutiger Sicht sei den Krallenäffchen der Versuch nicht mehr zuzumuten, sagte EKTV-Präsidentin Regula Vogel gestern an der Präsentation des Berichts in Bern.

Grundsatz: Im Zweifelsfall für Primaten

Auf der Basis des Weissbüscheläffchen-Versuchs der ETH haben die Ethikerinnen und Ethiker Experimente mit Primaten grundlegend bewertet. Andere Primatenversuche flossen jedoch nicht in diese Betrachtung ein. EKAH-Präsident Klaus Peter Rippe sagte, die Frage der Primatenmodelle für die Depressionsforschung dürfe nicht losgelöst diskutiert werden von der generellen Frage nach der ethischen Zulässigkeit von Versuchen an Primaten. Die Affen mit ihren emotionalen und kognitiven Fähigkeiten seien ein Sonderfall. Diese Tatsache reiche aus, um Primatenversuche grundlegend neu ethisch einzustufen.

Auf Grund ihrer Bewertung haben die beiden Kommissionen gestern allgemeine Empfehlungen abgegeben. So wollen sie belastende Versuche mit Menschenaffen in der Schweiz verbieten. Alle anderen Gesuche für Versuche mit Affen soll ein interdisziplinäres Gremium begutachten. Die Kommissionen fordern zudem, das diese interdisziplinäre Begutachtung im Gesetz verankert wird. Ausserdem sollen die zuständigen Behörden Bewilligungen nur noch mit grösster Zurückhaltung erteilen. Die Güterabwägung – Leid der Tiere vs. Nutzen für die Menschen – soll noch sorgfältiger vorgenommen werden. Von Wissenschaftlern erwarten die Ethiker, dass sie für die Depressionsforschung Alternativen zu Primatenversuchen suchen. Und schliesslich sollen Institutionen, welche die Forschung finanzieren, nur dann Primatenversuche bewilligen, wenn sie ethisch begutachtet wurden. Die Ethik-Kommissionen fordern weiter, dass Geldgeber nur noch gut vernetzte Forschungsprojekte unterstützen.


weitermehr

Affe des Anstosses: Weissbüschelaffe (Callithrix jacchus) (Bild: R. Spekking) gross

Die Sicht der beiden Kommissionen kann der Tierschutzbeauftragte von ETH und Universität Zürich, Hans Sigg, nicht teilen. In einem Interview mit ETH Life von gestern warnt er vor Missverständnissen. Dem Bericht fehle die solide Grundlage. Den kritisierten Forschern sei keine Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt worden, sagte Sigg. Die Empfehlungen erweckten den Eindruck, die bestehenden Regelungen seien ungenügend. Das sei nicht der Fall. Die Forderung, Versuche an grossen Menschenaffen in der Schweiz zu verbieten, gleiche der Jagd nach einem Phantom, da solche Versuche gar nicht stattfänden und auch nicht geplant seien. ETH-Präsident Ernst Hafen äusserte sich in einem Radio-Interview besorgt über die Einschränkung der Forschungsfreiheit.

Heutiges Vorgehen bewährt

Der SNF, der den ETH-Versuch finanziert hatte, begrüsste zwar das Bestreben der beiden Kommissionen, wichtige ethische Fragen bei der Forschung an Affen zu klären. In seiner Medienmitteilung von gestern Mittwoch versprach der SNF, die Empfehlungen „vertieft zu prüfen und bei Bedarf seine Praxis anzupassen“. Das heutige Vorgehen mit voneinander unabhängigen wissenschaftlichen und ethischen Bewertungen solle aber nicht aufgegeben werden. Das Problem ist auch nicht akut: Der SNF finanziert zurzeit keine Projekte mit Primaten, bei denen Jung- von Muttertieren getrennt werden.


Über 420 Affen für Versuche verwendet

424 Affen wurden 2004 in der Schweiz in Tierversuchen eingesetzt. Das geht aus der Tierversuchsstatistik des Bundes hervor. Davon entfielen ein Drittel auf Universitäten, die ETH und Spitäler, zwei Drittel auf die Industrie. Gemäss eigenen Angaben unterstützte der Schweizerische Nationalfonds (SNF)2005 elf mehrjährige Projekte mit Affen und sprach dafür 1,04 Millionen Franken. Unterstützt wurden in erster Linie neurophysiologische Versuche. Das ETH-Experiment mit den Krallenäffchen wird seit Ende Februar nicht mehr unterstützt. Für die anderen laufen die Gelder zwischen 2007 und 2009 aus. Experimente mit Primaten laufen in Basel, Freiburg und Zürich.

Neun von zehn Tieren, die in bewilligungspflichtigen Versuchen eingesetzt werden, sind Nager wie Mäuse, Ratten, Hamster oder Meerschweinchen. Der Rest sind Fische, Kaninchen, andere Haustiere, Geflügel, Amphibien und Affen.




Fussnoten:
(1) Medienmitteilung und Publikation: www.umwelt-schweiz.ch/buwal/de/fachgebiete/fg_ekah/news/2006-05-22-01099/index.html



Sie können zu diesem Artikel ein Feedback schreiben oder die bisherigen lesen.




!!! Dieses Dokument stammt aus dem ETH Web-Archiv und wird nicht mehr gepflegt !!!
!!! This document is stored in the ETH Web archive and is no longer maintained !!!