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Rubrik: Science Life
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Publiziert: 14.06.2004 06:00

Fallstudie des Instituts für terrestrische Ökologie
Schrebergärten unter der Lupe

Die rund 7000 Familiengärten sind wichtige Grünzonen in der Stadt Zürich. Sie stehen aber auch im Ruf mit Gift verseucht zu sein. In einer ETH-Fallstudie, die vor gut einer Woche an der ETH vorgestellt wurde, versuchten angehende Umweltnaturwissenschaftler die Bodenbelastung in den Schrebergärten einzuschätzen und davon ausgehend Nutzungsempfehlungen abzuleiten. Fazit: Der Gehalt an Schwermetallen oder anderen Schadstoffen in Familiengärten ist – von Ausnahmen abgesehen - nicht dramatisch, doch es empfiehlt sich, durch eine entsprechende Bewirtschaftung weitere Belastungen zu vermeiden.

Von Christoph Meier

Ein japanischer Tourist schaut zum Fenster hinaus, als er mit der Eisenbahn von Bern her in die Stadt Zürich fährt. Erstaunt sagt er zu seinem Begleiter: „In der Schweiz sind sogar die Slums gepflegt.“ Die Anekdote über die Schrebergärten zeigt, dass die Freizeitgärtner ihre von der Stadt gepachteten Areale häufig mit viel Liebe hegen und pflegen.

Trotzdem stehen die Familiengärtner im Ruf „Giftspritzer“ zu sein und den Boden zu verseuchen. Dazu beigetragen hat eine Analyse von Stichproben aus Familiengärten der Stadt Zürich, die zustande kam, nachdem der Bundesrat 1986 auf der Grundlage des Umweltschutzgesetzes von 1983 die Verordnung über Schadstoffe erlassen hatte. Die Messungen ergaben, dass die Gehalte an Schwermetallen wie Blei, Kupfer, Cadmium und Zink die Richtwerte der Verordnung überschritten.

Neues Gesetz neue Fragen

Die Behörden waren gesetzlich verpflichtet, die Situation in Gebieten mit Richtwertüberschreitungen zu überwachen und Massnahmen zu ergreifen, um einen weiteren Anstieg der Belastung zu verhindern. Die Überschreitung eines Richtwertes zeigt an, dass die Bodenfruchtbarkeit gefährdet ist, nicht aber, ob auch eine Gefährdung von Menschen, Tieren oder Pflanzen besteht. Es bestand somit auch keine klare Grundlage für Massnahmen wie Nutzungseinschränkungen zum Schutz vor solchen Gefährdungen.

Dies änderte sich erst, als 1995 das Umweltschutzgesetz revidiert wurde und 1998 die Verordnung über Bodenbelastungen erlassen wurde. Diese enthielt neu neben Richtwerten auch Prüf- und Sanierungswerte für verschiedene Schwermetalle und organische Schadstoffe. Wird ein Prüfwert überschritten muss der Kanton die Gefährdung überprüfen und gegebenenfalls die Nutzung einschränken. Bei der Überschreitung eines Sanierungswerts ist die betroffene Nutzung zu verbieten.

Als man auf die alten Stichprobenresultate die neue Verordnung anwendete, zeigte sich, dass zahlreiche Messwerte die Prüfwerte überschritten, einige sogar den Sanierungswert für Blei. Es blieb aber unklar, wie weit diese Stichprobe repräsentativ für alle Familiengärten der Stadt war, wie die Gefährdungssituation bei Belastungen zwischen Prüf- und Sanierungswerten zu beurteilen ist oder wie eine Nutzungsänderung aussehen sollte. Diese Situation veranlasste das ETH-Institut für terrestrische Ökologie im Wintersemester 2003/2004 eine Fallstudie zum Thema „Umgang mit Bodenbelastungen in Familiengärten der Stadt Zürich“ durchzuführen.

Vor gut einer Woche präsentierte einer der rund 40 Fallstudie-Teilnehmer an der ETH die Ergebnisse den Vertretern von Grün Stadt Zürich, welche die Verpächterin der Schrebergärten ist, und vom Familiengartenverein sowie der Öffentlichkeit. Obwohl bei der Fallstudie aus Zeit- und Kostengründungen keine grösseren Messungen durchgeführt werden konnten, ergaben die Untersuchung, basierend auf Interviews mit Gärtnern und Experten sowie einer breiten Literatursuche, Aufschlüsse über die mögliche Belastung in Zürichs Familiengärten.

Die ETH-Studierenden besichtigen die Familiengärten auf dem Areal Klöti. (Bild: Institut für terrestrische Ökologie) gross

Altlasten in Familiengärten

Ein Vergleich mit anderen Städten zeigte, dass die Familiengärten in Zürich nicht mehr belastet sind. Beim Blei beispielsweise lag St.Gallen im Mittel klar höher. In Zürich deutete einiges darauf hin, dass Luftverschmutzung, Pflanzenschutzmittel, Handelsdünger schlechter Qualität und Mist für die weit verbreitete Überschreitung der Richtwerte verantwortlich sind.


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Schrebergärten bilden grüne Oasen in der Stadt. Hier das Areal Juchhof in Zürich. (Bild: Institut für terrestrische Ökologie) gross

Analoge Richtwertüberschreitungen sind aber ebenso auch in anderen Gärten im Stadtgebiet und bei gewissen Spezialkulturen in der Landwirtschaft verbreitet. Diese Quellen können aber nicht als primäre Ursache für die Sanierungsfälle verantwortlich gemacht werden.

Diese konzentrieren sich auf Areale, die sich im Bereich von Industrie und ehemaligen Riedflächen befinden oder befanden. Die Schrebergärten leiden hier also unter Altlasten, die durch Abfallablagerungen oder Aufschüttungen entstanden. Grosse Unterschiede in der Belastung der einzelnen Parzellen könnten damit zusammenhängen, dass früher Gärtner unterschiedlich Gebrauch machten von Gratisdünger wir Klärschlamm oder Asche. Insgesamt zeigte aber eine Abschätzung der potenziellen Belastung anhand verschiedener Indikatoren wie etwa Nutzungsdauer, dass die Anzahl an belasteten Kleingärten nicht allzu gross sein dürfte.

Schwermetalle in Pflanzen und im Fleisch

Stellt man sich die Frage, wie gefährlich die Schwermetalle oder andere Schadstoffe sind, lohnt es sich abzuklären, wie diese in den menschlichen Körper gelangen. Die ETH-Studierenden identifizierten zwei Wege. Der erste ist durch den direkten Kontakt mit belastetem Boden, wie ihn vor allem Kleinkinder haben. Der zweite kommt durch den Verzehr von Pflanzen zustande. In diesem Zusammenhang gilt es zu beachten, dass die Anreicherung von Schwermetallen in Pflanzen von der Bodenbeschaffenheit und der Pflanzenart abhängt. Verglich man aber die Schwermetallgehalte von Nahrungspflanzen, die in den belasteten Gartenböden gezogen wurden mit den Schwermetallgehalten anderer im Handel erhältlichen Lebensmittel, zeigte sich etwa, dass der Cadmium-Gehalt des Schrebergartengemüses nicht höher war als bei Fleisch.

Bohnen statt Karotten

Was für Empfehlungen ergeben sich aber nun aber aufgrund der Fallstudie? Die Studierenden kamen zum Schluss, dass sich eine Sanierung von stark belasteten Gärten kaum lohnt. Drängt sich bei einzelnen Parzellen Umnutzung auf, könnte man beispielsweise diese in Parkanlagen mit geschlossener Vegetationsdecke umwandeln. Damit könnte die in der Fallstudie festgestellte wichtige soziale Funktion von Familiengärten möglicherweise noch aufgewertet werden.

Bei weniger starken Belastungen sollten die Betreiber darauf achten, dass sie biologischen Gartenbau betreiben – wobei auch hier auf die gute Qualität des Komposts geachtet werden muss - und Pflanzen anbauen, die weniger Schadstoffe akkumulieren. Also eher Tomaten und Bohnen anbauen an Stelle von Spinat oder Karotten. Grundsätzlich sollte darauf geachtet werden, dass durch geeignete Bewirtschaftung keine weiteren Belastungen der Böden entstehen.

Fallstudie stösst auf positives Echo

Nach all diesen Ausführungen seitens der Studierenden kam es noch zu drei Stellungsnahmen zur Studie. Francois Schnider von der Fachstelle Bodenschutz des Kantons, die zuständig ist für die Umsetzung der Verordnung über Bodenbelastungen, zeigte sich vor allem dankbar dafür, dass sie durch die Fallstudie mehr Informationen zur möglichen Belastung hätten. Er freute sich auch über die Empfehlungen bei Nutzungseinschränkungen. Diese erachtete auch Renate Fässler vom Familiengartenverein als wichtig, umso mehr als viele Familiengärtner sich mancher Gefahren gar nicht richtig bewusst sind. Wer habe denn schon gewusst, dass Hühnerdünger so viel Phosphat enthält. Ernst Tschannen schliesslich von Grün Stadt Zürich gefiel an der Fallstudie die saubere Herleitung der Verdachtsmomente, ohne dass eine Schuldzuweisung stattfand.

Als Zuhörer erhielt man den Eindruck, dass die Fallstudie auch die Praktiker erreicht hat, was anscheinend ein zentrales Bedürfnis der Studierenden war. Insofern kann man hoffen, dass die Pflanzen in den „Zürcher Slums“ nicht nur gepflegt erscheinen, sondern immer mehr auch auf unbelastetem Boden wachsen.


Literaturhinweise:
Die Fallstudie und eine Broschüre dazu finden sich auf der Homepage des Instituts für terrestrische Ökologie: www.ito.umnw.ethz.ch/fallstudie/



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