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Rubrik: Science Life
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Publiziert: 19.06.2003 06:00

Nanotechnologie-Zentrum "FIRST Lab"
Im Reich des Kleinsten

Nicht alle Technologiezweige streben nach immer grösseren und spektakulären Konstrukten. Die Kunst der Feinarbeit auf winzigen Längenskalen ist spätestens seit der Erfindung des Mikrochips hoch im Kurs - so auch auf dem Hönggerberg. Ein Jahr nach der Eröffnung besuchte ETH Life das Reinraumlabor "FIRST Lab".

Von Christian Thalmann

Man könnte es glatt für ein Geheimlabor halten. Kein Wegweiser, kein Plakat, kein Gebäudeplan deutet auf seine Existenz hin. Granit und weiss getünchter Beton schweigen sich aus. Der kühle, sterile Korridor unterscheidet sich in keiner Weise von den unzähligen anderen in diesem Gebäude. Wer den Weg nicht kennt, hat hier wohl nichts verloren. Eine Notdusche im Treppenhaus weist auf die Gefahr chemischer Unfälle hin. Nur eine grosse Tafel direkt auf dem Gang vor dem Eingang zum Labor verkündet: Reinraumzentrum FIRST.

FIRST steht für "Frontiers In Research: Space and Time". Damit sind die technischen Herausforderungen gemeint, die den Weg zu noch kleineren und noch schnelleren Bauelementen aller Art pflastern. Denn das Ziel dieses 30 Millionen Franken schweren Projekts ist es, der ETH eine Platform für Forschung und Entwicklung in Mikro- und Nanotechnologie auf dem neusten Stand der Technik zur Verfügung zu stellen. Seit seiner Eröffnung im vergangenen Sommer (1) wurde der Löwenanteil der Arbeitszeit in die Installation, Prüfung und Inbetriebnahme der neuen Geräte investiert. Nun steht aber der Forschung nichts mehr im Wege.

Viel Aufwand für ein bisschen Luft

Das ganze obere Stockwerk des FIRST Labs ist der Versorgung der Reinräume mit Wasser, Elektrizität, Wärme, Druckluft, Gasen (unter anderem giftige und explosive), flüssigem Stickstoff und anderen Resourcen gewidmet. Hunderte von Sensoren behalten dieses Netzwerk im Auge und schlagen bei Bedarf Alarm. In jedem Raum werden Druck, Luftfeuchtigkeit und Temperatur so konstant wie möglich gehalten. Das A und O eines Reinraumes ist der Luftkreislauf: Ständig wird den Labors durch die Decke minutiös gefilterte Luft zugeführt, die durch Lüftungsschlitze in Bodennähe in den Serviceraum ausströmt, in den alle Labors eingebettet sind. Dies garantiert einen gleichmässigen, wirbelfreien Luftfluss von oben nach unten - der Experte nennt das "Laminar-Flow" - der die Staubbildung auf ein absolutes Minimum reduziert.

Klar, dass in so einem Umfeld offene Haare, fusselige Pullover und staubige Schuhe fehl am Platze sind. So wird den Mitarbeitern und Besuchern der Zutritt nur in den bereitgestellten Reinraum-Overalls und Sandalen gewährt. Selbst das Kritzeln auf herkömmlichem Papier gilt als zu schmutzig: Nur garantiert fusselarmes Reinraumpapier ist erlaubt.

Dieser Reaktor dient der Molekularstrahl-Epitaxie. Die langen Metallstangen und die kleinen Fenster erlauben es, die Wafers im Innern der Vakuumkammer zu manipulieren. gross

Beschichten unter Extrembedingungen

Als Grundmaterial für die hier entwickelten Kleinststrukturen dient meist ein hauchdünnes, monokristallines Plättchen ("Wafer") aus einem III-V-Halbleitermaterial. In einem Epitaxieofen werden darauf sorgfältig Schichten von Metallen oder dotierten Halbleitern aufgewachsen. Um diese auf Dicke, Struktur und elektrische Bandlücken zu prüfen, stehen u.a. optische Mittel, Elektronenstreuung und ein Atomic-Force Mikroskop zur Verfügung.

Bei allerhöchsten Ansprüchen an Reinheit und Präzision kommt auch die sogenannte Molekularstrahl-Epitaxie ins Spiel: In einem messingglänzenden Ungetüm von einer Edelstahlvakuumkammer werden die Reaktanden in einzelne Atome oder Moleküle zerlegt auf den Wafer geschossen. Um eine Kontamination mit anderen Stoffen auszuschliessen, findet dies in einem Ultrahochvakuum statt. "Der Hintergrundsdruck im Reaktor wird auf 10 hoch -11 mbar gehalten", erklärt Dr. Dirk Ebling. "Das ist 10'000 mal dünner als das Vakuum ausserhalb der Internationalen Raumstation." Auch die Ausgangsmaterialien wie Ga, Al, In, As u.a. müssen in extrem reiner Form zur Verfügung stehen. "Bei mehr als 99,9999% Reinheit kann selbst ein sonst wertloses Element teurer als handelsübliches Gold sein."


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Im Photolack-Raum herrscht die höchste Reinheitsstufe. Brille und Handschuhe sind Pflicht. Das gelbe Licht dient nicht nur zur Warnung, sondern vor allem zur Schonung des Photolacks, der auf kurzwelliges Licht anspricht. gross

Batik im Kleinstformat

Integrierte Schaltkreise, elektronische Bauelemente und Nanostrukturen in grossen Zahlen auf einem Chip unterzubringen ist keine leichte Sache, besonders, wenn man schlussendlich eine speditive Herstellung anstrebt. Hier kommt der Photolack ins Spiel. Man beschichtet den Wafer mit einem Film dieses lichtempfindlichen Lacks, legt eine Maske der gewünschten Strukturen darüber und bestrahlt das ganze mit UV-Licht. Wo die Maske den Lack exponiert, wird dieser chemisch verändert und für ein bestimmtes Lösungsmittel anfällig; man kann also dort selektiv die Lackschicht weglösen. Nun entfernt man die Maske und dampft zum Beispiel eine Metallschicht auf. Ein weiteres Lösungsmittel beseitigt nun auch den nicht belichteten Lack mitsamt der darauf liegenden Metallschicht; diese bleibt nur dort bestehen, wo sie direkt auf das Substrat zu liegen gekommen ist. Man hat also eine Metallstruktur produziert, die genau der Form der Maske entspricht.

Mit der Photolackmethode kann man nicht nur präzise Strukturen auf das Substrat aufbringen, sondern auch ebenso präzise Löcher und Kanäle darin einätzen. In einem Kristallgitter ist die Ätzgeschwindigkeit richtungsabhängig, was sowohl erwünschte als auch zerstörerische Auswirkungen haben kann. Das chemische Ätzen ist deshalb eine kleine Kunst für sich, in der sich die Mitarbeiter des FIRST Labs schon respektable Fertigkeiten angeeignet haben. Wer auf solche Effekte verzichten will, kann ohne Säure durch gezielten Beschuss mit einem Plasmastrahl "trockenätzen".

Zukunftsperspektiven

Zur Zeit wird an einer Vielzahl von Projekten im Labor gearbeitet, bei denen Themen wie "immer kleiner" und "immer schneller" im Zentrum von optischen, elektrischen oder akustischen Bauelementen stehen. So werden Spiegel mit speziellen Absorbern hergestellt, die Laserpulse von wenigen Femtosekunden oder darunter ermöglichen. Für die schnelle Datenkommunikation benötigt man Verstärker und Schalter, hierzu werden im FIRST Transistoren mit Übertragungsraten von 100 GB/s und optische Schalter mit Schaltgeschwindigkeiten kleiner als 1ps entwickelt. Ein besonderes Problem stellt eine ausreichende Integrationsdichte von optischen Bauelementen dar, die über die Entwicklung von geeigneten Strukturen mit photonischen Kristallen erreicht werden soll.

Immer höhere Integrationsdichten erfordern Strukturen bis in atomare Dimensionen, die im Extremfall Schaltvorgänge durch einzelne Elektronen ermöglichen. In eigenen Projekten werden solche Strukturen zum Beispiel als SET (Single Electron Transistor) oder Quantenpunkt-Bauelemente hergestellt und ihre physikalischen Eigenschaften untersucht.

Mit ähnlichen Methoden werden auch akustische Bauelemente im Mikro- und Nanomassstab entwickelt, um sie z.B. als schnelle Schalter oder Filter einzusetzen. Weiterer Fragestellungen mit Bezug zur Mikro- und Nanowelt wie z.B. thermoelektrische Generatoren oder die Wechselwirkung von biologischen Materialien mit Halbleitern werden in zukünftigen Projekten angegangen.

Photonische Kristalle, die durch periodisch angeordnete, geometrische Strukturen in einem Material erzeugt werden, zeigen neue optische Eigenschaften, die für die Anwendung in integrierten optischen Bauelementen wie z.B. Halbleiterlaser oder optische Wellenleiter genutzt werden können. (Bild: P. Strasser) gross


Fussnoten:
(1) Vgl. "ETH Life"-Bericht "Rein in die Nano-Welt": www.ethlife.ethz.ch/articles/FIRSTLab.html



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