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Rubrik: Science Life
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Publiziert: 22.06.2005 06:00

Fluxomik – den Stoffwechsel im Grossen analysiert
Die Zelle im Fluss erfasst

In über 100 Bakterienmutanten der Art Bacillus subtilis analysierten ETH-Forscher ein zentrales Stoffwechselnetz. Die in dieser Grösse erstmals durchgeführte Fluxom-Analyse zeigt, dass die Verteilung auf die verschiedenen Stoffflüsse sehr stabil ist. Zudem scheint die Wildform des Bakteriums Reserven für schwierige Situationen zu behalten. Die neuen Erkenntnisse wurden im Fachmagazin „Nature Genetics“ publiziert.

Von Christoph Meier

Alles ist im Fluss – So abgedroschen der Satz klingen mag, auf Lebewesen mit ihrem komplexen Stoffwechselnetz trifft er ziemlich gut zu. Diese anhaltende Dynamik hat aber ihre Tücken, gerade wenn man sie selbst messen will. Denn wie erfasst man im grossen Massstab Stoffwechselvorgänge? Diese Frage stellten sich auch die ETH-Forscher Eliane Fischer und Uwe Sauer vom Institut für Biotechnologie(1). Ihre Antwort gaben sie, indem sie den Glukose-Stoffwechsel, einen zentralen Stoffwechselprozess in den meisten Organismen, bei 137 Mutanten der Bakterienart Bacillus subtilis analysierten. Ihre in dieser Grössenordung noch nie durchgeführte Analyse – die systematische Erfassung der Stoffwechselflüsse so vieler Mutanten kann als Fluxom benannt werden - erschien im Fachmagazin „Nature Genetics“ (2).

Jeder Stoffwechsel-Strasse ihren Anteil

Um den Glukoseumsatz in den verschiedenen Prozessen wie der Glykolyse oder dem Trikarbonsäurezyklus zu bestimmen, fütterten die Wissenschaftler die Bakterien mit Glukose, die mit dem Kohlenstoffisotop C-13 markiert worden war. Danach konnten die Umsatzraten der Moleküle durch die verschiedenen Stoffwechselpfade bestimmt werden. Eliane Fischer entwickelte die Markierungsmethode kürzlich so weiter, dass sie rund hundert mal schneller und mit viel kleineren Volumina als früher funktioniert. Das erst ermöglichte die umfangreiche Messung .

Als die Forscher einerseits prüften, wie die Glukose auf die verschiedenen Stoffwechselpfade verteilt wurde, also die relative Flussverteilung bestimmten, und andererseits die absoluten Flüsse massen, ergab sich ein erstaunliches Bild: Die Verteilung blieb nämlich sehr konstant, während die absolute Nutzung des Stoffwechselnetzes eine grosse Variation aufwies. "Vergleicht man das Stoffwechsel- mit einem Autobahnnetz, würde das bedeuten, dass unabhängig von der Anzahl Fahrzeuge immer der gleiche Anteil die verschiedenen Routen benützt", erläutert Sauer. Es findet also trotz teilweise freien Kapazitäten keine Umverteilung statt. Es scheint somit ein sehr rigides Leitsystem zu geben, das die relative Last konstant hält. Das hatte der Forscher nicht erwartet: „Ich hätte beispielsweise gedacht, dass der Pentosephosphat-Pfad in solchen Mutanten vermehrt benützt wird, die deutlich mehr Biomasse produzieren.“


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In der Fluxomik versucht man eine umfassende Analyse der Stoffflüsse in einer Zelle durchzuführen. Das Bild zeigt einen Ausschnitt aus einem Schema der zellulären Stoffwechselflüsse vor dem Hintegrund mit Bacillus subtilis-Bakterien. gross

„Nachhaltiger“ Bacillus

Die Tatsache, dass die absoluten Flüsse durch das Netzwerk variieren, ist für Sauer nicht überraschend. Auch dass einige Mutationen letal waren, konnte erwartet werden. Denn fehlt der letzte Streckenabschnitt im Strassennetz des Stoffwechsels gibt es keine Ausweichroute mehr. Dass aber einige Mutanten erfolgreicher wachsen und mehr Biomasse produzieren als die wilde Form, sei hingegen bemerkenswert, meint der Forscher. Sauer interpretiert diesen Befund dahingehend, dass Bacillus subtilis wertvolle Reserven auf Kosten des Wachstums zurückhält, um sich auf ändernde Umweltbedingungen einstellen zu können. „Die Zelle wächst also nicht im Sinne von 'Teufel komm raus', sondern sie verhält sich Ressourcen orientiert.“ Die Strategie der Zurückhaltung sei im natürlichen Umfeld wahrscheinlich die beste für Bacillus subtilis, dagegen könnten die schneller wachsenden Mutanten biotechnologisch interessant sein. Denn im Reaktor könnte man diesen ihr ideales Umfeld bieten, spekuliert der ETH-Wissenschaftler über einen Seitenaspekt seiner Ergebnisse.

Uwe Sauer selber möchte aber nicht den Bacillus subtilis mit der grössten Wachstumrate austesten, sondern er möchte herausfinden, wie weit sich seine Befunde verallgemeinern lassen. Gibt es beispielsweise bei Escherichia coli auch besser wachsende Mutanten? Da bei Bäckerhefe keine solchen Mutanten bekannt sind, ist es gut möglich, dass die Reservestrategie nur typisch für Bacillus subtilis und andere Bakterien mit ähnlichen Entwicklungsprozessen ist. Bei der Rigidität der Stoffwechselverteilung ist aber noch alles offen. Hier wird es von grossem Interesse sein herauszufinden, ob dieses Charakteristikum einem allgemeinen funktionalen Designprinzip von Lebewesen entspricht.


Fussnoten:
(1) Arbeitsgruppe von Uwe Sauer am ETH-Institut für Biotechnologie: www.biotech.biol.ethz.ch/sauer//
(2) Fischer E, Sauer U.: "Large-scale in vivo flux analysis shows rigidity and suboptimal performance of Bacillus subtilis metabolism." Nat Genet. 2005 Jun;37(6):636-40.



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