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Rubrik: Science Life

Zürcher Geologen definieren Zeitgrenze
Unscheinbare Schlüsselstelle

Published: 16.01.2006 06:00
Modified: 27.01.2006 14:08
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Für die moderne Geologie ist eine präzis definierte Zeitskala unabdingbar. Um diese zu eichen, stützt man sich auf wissenschaftlich anerkannte Referenzpunkte. Ein Forscherteam mit ETH-Beteiligung hat vorgeschlagen, einen solchen Referenzpunkt in Norditalien festzulegen. Dies wurde nun von der zuständigen internationalen Kommission akzeptiert.



Von Felix Würsten (mailto:felix.wuersten@ethlife.ethz.ch)

"Hier, genau an diesem Punkt beginnt das Ladin", erklärt Peter Brack, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Departement Erdwissenschaften der ETH Zürich. Die steilgestellten grauen Sedimentschichten, die auf dem Photo im trocken liegenden Flussbett zu sehen sind, wirken auf den ersten Blick eher unscheinbar. Und doch ist dieser Felsaufschluss in der norditalienischen Provinz Brescia für die Zürcher Geologen eine wichtige Stelle. Hier, nahe bei der Ortschaft Bagolino, konnte Brack zusammen mit seinen Kollegen von den Universitäten Zürich, Milano und Berkeley einen "Golden Spike" in die geologische Zeittafel einschlagen. Beinahe 15 Jahre dauerten die umfangreichen Abklärungen, bis im letzten Frühjahr die International Union of Geological Sciences (IUGS) dem Antrag zustimmte, an diesem Punkt den offiziellen Beginn des Ladins festzumachen. Den entsprechenden wissenschaftlichen Bericht veröffentlichen die Forscher nun in diesen Tagen in der Fachzeitschrift "Episodes". (1)

Erkennbarer Wechsel

Mit dem Begriff "Ladin" bezeichnen die Geologen eine der beiden Stufen der mittleren Triaszeit. Solche erdgeschichtlichen Zeiteinheiten helfen den Erdwissenschaftlern, Gesteinsschichen an verschiedenen Orten miteinander zu vergleichen und geologische Vorgänge in eine chronologisch richtige Reihenfolge einzuordnen. Der Übergang von einer Stufe zur nächsten wird in der Regel anhand von Fossilfunden definiert. Kennzeichnend ist, dass gewisse Arten verschwinden und gleichzeitig neue auftreten.

Schon relativ früh in der geologischen Forschung begann man, bestimmte Schichtabfolgen als Referenzobjekte für die entsprechenden Zeiteinheiten zu bezeichnen. Das ursprüngliche Konzept musste vor etwa 25 Jahren jedoch revidiert werden. "Es zeigte sich, dass man bei kaum einer Stufe an einer einzigen Stelle eine vollständige Abfolge findet", erklärt Brack. Deshalb verwendet man heute für die Eichung der geologischen Zeitskala das Konzept der "Global Boundary Stratotype Section and Point" (GSSP), salopp auch "Golden Spikes" genannt. Es handelt sich dabei um wissenschaftlich gut untersuchte Stellen, bei denen der Übergang von einer Stufe zur nächsten klar definiert und möglichst weltweit korreliert werden kann.

Strenge Kriterien

Der ETH-Geologe hat in den letzten Jahren erfahren, dass die Definition eines GSSP eine äusserst langwierige Angelegenheit ist. "Als erstes braucht es einen wissenschaftlich fundierten Vorschlag, denn ein Referenzpunkt muss strengen Kriterien genügen." Der Wechsel muss beispielsweise mit Fossilfunden gut belegt sein, und die Sedimentschichten müssen durch absolute Altersbestimmungen präzis datiert werden können. "In unserem Fall gelang dies mit zwei vulkanischen Tuffschichten, die einige Hundertausend Jahre vor und nach dem Stufenwechsel abgelagert wurden", berichtet Brack. "Diese Tuffschichten zeigen, dass das Ladin ziemlich genau vor 241 Millionen Jahren begann."

Günstig erwies sich auch, dass in nahe gelegenen, gleich alten Schichten die Orientierung des damaligen Erdmagnetfeldes rekonstruiert werden kann. Solche paläomagnetischen Messungen sind ein wichtiges Hilfsmittel, um Gesteinsabfolgen miteinander abzugleichen.

Schliesslich benötige die Gruppe auch noch etwas politisches Geschick. Bis ein Vorschlag von der IUGS offiziell anerkannt wird, muss er verschiedene Arbeitsgruppen und Kommissionen durchlaufen. "Es geht um die Festlegung einer Konvention, und dieser Prozess schliesst unweigerlich eine politische Komponente ein", meint Brack. Neben dem Zürcher Antrag gab es noch zwei weitere Vorschläge, wo der Beginn des Ladins festgelegt werden könnte. Nicht zuletzt auch dank ihrer Hartnäckigkeit konnten sich die Zürcher Forscher nun aber durchsetzen.

Revision der Zeitskala

Dies führt nun dazu, dass die Stufengrenzen der Trias in den offiziellen Zeitskalen angepasst werden müssen. Noch im Jahre 2004 veröffentlichte die International Commission of Stratigraphy (ICS) eine neue Zeittafel (2) , welche den Beginn des Ladins bei 237 Mio. Jahren festlegte. "Diese Zahl muss revidiert werden", erklärt Brack. Dass die ICS die seiner Ansicht nach fehlerhafte Zeiteinteilung veröffentlichte, dürfte politische Gründe haben. "Der Trias-Abschnitt der Zeitskala von 2004 basiert auf der Arbeit einer amerikanischen Gruppe, die in der gleichen Region wie wir Sedimentschichten untersuchte", erklärt der Brack. "Doch die Resultate dieser Gruppe sind in Fachkreisen stark umstritten." Er ist zuversichtlich, dass sich nun dank der offiziellen Anerkennung die Sicht der Zürcher Forscher durchsetzen wird.

Bei dieser Debatte geht es, wie Brack betont, nicht einfach nur um eine akademische Haarspalterei. "Für die moderne Geologie ist es äusserst wichtig, eine gut geeichte Zeitskala zu haben. Überall dort, wo geologische Prozesse quantifiziert werden müssen, braucht es präzise Zeitangaben." Ein solcher Prozess ist etwa die Aufschüttung von Sedimentbecken, ein Vorgang, der unter anderem für die Erdölexploration von grossem Interesse ist. Vor diesem Hintergrund ist es leicht nachvollziehbar, warum die "Golden Spikes" für die Erdwissenschaftler derart wichtig sind. Bis die geologische Zeitskala fertig geeicht ist, wird es allerdings noch einige Jahre dauern. Das ursprüngliche Ziel, bis 2008 sämtliche Stufengrenzen zu definieren, wird kaum zu erreichen sein. Heute sind erst bei 51 der rund 95 Stufengrenzen des Phanerozoikums – also der letzten 540 Millionen Jahre der Erdgeschichte – die entsprechenden Referenzpunkte festgelegt.

Der "Golden Spike" im Bachbett des Fiume Caffaro bei Bagolino. Die Gesteinsschichten des Ladins befinden sich rechts der blau gestrichelten Linie. Die gelben Pfeile markieren die vulkanischen Tuffschichten, welche für die Datierung verwendet wurden. Die hier sichtbaren Gesteinsschichten wurden etwa in drei Millionen Jahren abgelagert.

Diese beiden Ammonitenarten definieren unter anderem den Übergang zum Ladin. Charakteristisch ist das erstmalige Auftreten von Eoprotrachyceras curionii. Diese Art findet sich direkt über einer dünnen Schicht, in der die Leitammoniten Chieseiceras chiesense gefunden werden. Diese wiederum sind typisch für die vorangehende Zeiteinheit, das Anis.

Footnotes:
(1 Homepage der Zeitschrift Episodes: www.iugs.org/iugs/pubs/epi28-4.htm
(2 Allgemeine Informationen zur Geologic Time Scale 2004 und zu den GSSP finden sich auf: www.stratigraphy.org/


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