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Rubrik: Science Life

Stabiler Kohlenstoff-Phosphor-Ligand
Besser als Berlinerblau

Published: 21.09.2006 06:00
Modified: 21.09.2006 08:44
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Die Dreifachbindung zwischen einem Phosphoratom und einem Kohlenstoffatom stabil zu erzeugen, ist eine höchst delikate Aufgabe. ETH-Wissenschaftler konnten nun aber den Cyaphid genannten Liganden erfolgreich in einen metallorganischen Komplex integrieren. Damit eröffnen sich Möglichkeiten, deren Potenzial weit über dem der bekannten Cyanidverbindungen liegen könnte.



Christoph Meier (mailto:christoph.meier@sl.ethz.ch)

Berliner Blau gilt als der erste moderne synthetische Farbstoff. Entdeckt wurde er per Zufall 1704 von dem Berliner Chemiker und Farbenhersteller Heinrich Diesbach. Der Stoff machte Karriere unter anderem als Farbstoff für die preussischen Uniformröcke im 18. Jahrhundert, was ihm auch den Namen Preussen-Blau eintrug.

Chemisch handelt es sich beim Berlinerblau um Eisencyanidverbindungen. Seine spezielle Farbeigenschaften erhält der Stoff durch die Dreifachbindung von Stickstoff und Kohlenstoff im Umfeld von Eisenatomen mit einer unterschiedlichen Anzahl von Bindungselektronen. Die erwähnte Dreifachverbindung, die unter dem Namen Cyanid bekannt ist, verbindet diese Eisenatome, so dass durch die Aufnahme von Lichtenergie ein Elektron von dem einen zu dem anderen Eisenatom übertragen werden kann. Cyano-Komplexe finden auch in vielen anderen alltäglichen Bereichen Anwendung: Sie werden beispielsweise als Lebensmittelzusatzstoff in der Lebensmittelindustrie verwendet wie Blutlaugenmehl als E 535.

Grösser und vielversprechender

Cyanid hat einen nahen chemischen Verwandten, der ebenfalls viel und vielleicht sogar noch mehr verspricht: Cyaphid. Diese Verbindung enthält im Unterschied zum Cyanid ein Phosphoratom anstelle des Stickstoffatoms. Phosphor ist der nächste Verwandte des Stickstoffs und hat wie dieser die gleiche Anzahl von Bindungselektronen. Er ist jedoch wesentlich grösser und die Bindungselekronen lassen sich leichter durch die gebunden Nachbaratome mobilisieren. Kein Wunder also, dass Chemiker seit längerem versuchen, Cyaphid als stabilen Liganden verfügbar zu machen. Dieser Suche war nun Erfolg beschieden. So gelang es der Arbeitsgruppe von ETH-Professor Hansjörg Grützmacher vom Laboratorium für Anorganische Chemie, Cyaphid stabil in einen metallorganischen Komplex zu integrieren. Die Arbeit erschien diese Woche in der Zeitschrift „Angewandte Chemie“ (1) (2) .

Den Erfolg mit der Herstellung von Cyaphid als stabilen Liganden hat sich Hansjörg Grützmacher hart erarbeitet. Bereits Anfang der Neunziger-Jahre versuchte er sich in Heidelberg mit diesem Projekt, das scherzhaft als „Heidelberger-Schwarz“ betitelt wurde. In der Tat wäre es denkbar, dass Licht des gesamten sichtbaren Spektrums absorbiert wird, um einen Elektronenaustausch zwischen Metallatomen hervorzurufen, die durch den Cyaphid-Liganden als Brücke miteinander verknüpft werden. Es besteht jedoch auch die Möglichkeit, dass Metallverbindungen mit Cyaphidbrücken farblos sind, wenn für den Menschen nicht sichtbares Licht sehr geringer Energie für die Anregung ausreicht. Die Antwort auf diese Frage müssen zukünftige Experimente erbringen. In jedem Fall: Der Forscher tappte bei seinen Versuchen lange Zeit im Dunkeln. Weitere Versuche in Freiburg im Breisgau, wohin Grützmacher von Heidelberg aus wechselte, misslangen ebenfalls. „Freiburgerschwarz“ blieb Theorie und weiterhin war unklar, wie man das einfache Cyaphidion mit einer Dreifachbindung von Phosphor zu einem Kohlenstoffatom dingfest machen kann.

Die ETH und ein Amerikaner als Erfolgsfaktoren

Erst an der ETH, an die Grützmacher 1995 kam, änderte sich in den letzten Jahren die Situation. Ein entscheidender Faktor sei gewesen, so der Wissenschaftler, dass Joseph Cordaro als Postdoc aus Berkeley zu seinem Team gestossen sei. Der Amerikaner brachte detaillierte Kenntnisse über Metallverbindungen mit. Diese kombiniert mit dem bereits vorhandenen profunden Wissen zu Verbindungen mit Kohlenstoff-Phosphor-Mehrfachbindungen führten weiter.

Durchbruch für die Materialforschung? ETH-Forscher synthetisierten die Dreifachverbindung eines Kohlenstoffatoms mit einem Phosphoratom (C und P) als stabilen Liganden in einem metallorganischen Komplex mit Ruthenium. (Bild: Hansjörg Grützmacher)

Jetzt gelang es den ETH-Forschern mit einer einfachen Methode Cyaphid als Bestandteil eines Komplexes herzustellen. Diese Verbinung ist sowohl in gelöster als auch in kristalliner Form stabil. Obwohl für zukünftige Anwendungen idealerweise eine Verbindung aus dem negativ geladenen Cyaphidion und einem positiv geladenen Natriumion wünschenswert wäre, lässt sich diese Verbindung bisher aus ungeklärten Gründen und im Unterschied zum analog aufgebautem Natriumcyanid nicht herstellen Doch die nun gelungene Synthese eines Cyaphidkomplexes ermuntert gemäss Hansjörg Grützmacher zu weiteren Anstrengungen in dieser Richtung.

Bereits der erhaltene Komplex bietet eine gute Grundlage, um Cyaphid in eine neue chemische Umgebung zu überführen. Zumal dieser Cyaphidkomplex von den ETH-Forschern in relativ kurzer Zeit und mit hoher Effizienz aus einer leicht zugänglichen Siliziumverbindung hergestellt werden kann.

Alle Reaktionen konnten die Forscher dank der guten Ausrüstung am Institut mit verschiedenen spektroskopischen Methoden detailliert verfolgen. So liegt eine relativ genaue Vorstellung darüber vor, wie die bei der Entstehung des Cyaphids beteiligten Reaktionen ablaufen. Auch hier hat sich das vorhandene Know-how an der ETH ausbezahlt.

Neue anorganische Chemie in Sicht

Das an der Hochschule vorhandene Wissen will der Wissenschaftler auch für seine nächsten Projekte mit Cyaphid nutzen. In einem davon will er untersuchen, ob sich mit dem Cyaphidliganden tatsächlich Metalle zu grösseren komplexen Strukturen zusammenfügen lassen. Dabei könnten über weitreichende, sogenannte Pi-Bindungen Elektronensysteme entstehen, die man bisher in der anorganischen Chemie in dieser Form nicht kannte. Verbindungen diesen Typs wären eine Bereicherung der moderen Materialforschung. Zur Aufklärung der Eigenschaften von polymeren Netzwerken aus Metallcyaphiden ist dann sicherlich die Expertise von Physikern sehr hilfreich. Ob diese Forschungsarbeiten dann zum „Zürcher-Schwarz“ oder zu „FarblosZürich“ führen, lässt der ETH-Professor noch offen.

Footnotes:
(1 Joseph G. Cordaro, Daniel Stein, Heinz Rüegger, Hansjörg Grützmacher: "Making the True CP Ligand". Angewandte Chemie International Edition, Volume 45, Issue 37, Date: September 18, 2006, Pages: 6159-6162: www3.interscience.wiley.com/cgi-bin/jhome/26737
(2 Grützmacher Research Group: http://minze.ethz.ch/


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