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Rubrik: Science Life

ETH-Mikrobiologen über N-Glykosylierung in Bakterien
Nur im Team zum Erfolg

Published: 17.11.2006 06:00
Modified: 16.11.2006 18:09
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Bei der Verknüpfung von Zuckern mit Proteinen bestehen zwischen Bakterien und Eukaryoten fundamentale Unterschiede, die ETH-Forscher jüngst entdeckt und heute in „Science“ publiziert haben. Doch Professor Markus Aebi geht es nicht nur um die Ergebnisse, sondern auch um die Voraussetzungen, die wissenschaftliche Spitzenleistungen ermöglichen.



Peter Rüegg (mailto:peter.rueegg@cc.ethz.ch)

Mikrobiologie-Professor Markus Aebi kann sich für einen kurzen Moment in seinem Büro zurücklehnen. Wieder hat es seine Forschungsgruppe ins „Science“ geschafft. Doch darum geht es ihm diesmal nicht in erster Linie. „Die Erkenntnis, die wir publizieren, ist etwas für Spezialisten“, wiegelt er ab. (1)

Dabei haben die acht Forscherinnen und Forscher, die am Science-Paper beteiligt sind, ein neues Konzept entdeckt, wie und wann die N-Glykosylierung, also die Verknüpfung von Zuckern mit Proteinen an bestimmten Aminosäurenresten, in Bakterien vorkommt. Dies helfe auch, die Abläufe in Säugetierzellen zu verstehen, schaffe eine Verbindung zum Menschen, sagt Aebi.

Banalität mit wichtigen Konsequenzen

Die Glykosylierung in Eukaryonten erfolgt im Prinzip über zwei Schritte. Erst wird ein Zucker an einer bestimmten Stelle des Proteins angesetzt, dann faltet sich das Protein. In Bakterien faltet sich erst das Protein, dann hängen ihm Enzyme die Zucker an. „Das klingt banal, hat aber wichtige Konsequenzen“, betont der ETH-Professor.

Die Vielfalt der Glykoproteine ist bei Eukaryoten, also auch beim Menschen, unglaublich gross, bei Bakterien dagegen sind nur wenige Proteine so modifiziert. Der Grund ist einfach: Im bakteriellen System ist die Möglichkeit, einen Zucker an Proteine anzuheften, aufgrund der vorher erfolgten Faltung der Proteine gering. Bei Eukaryoten ist dies anders. Die Glykosylierung von Proteinen vor deren Faltung erlaubt es, Zucker an vielen verschiedenen Stellen der Proteine anzubringen. Dies verändert einerseits die Faltungseigenschaften der so modifizierten Eiweisse und erlaubt es andererseits auch, die Faltung der Proteine über ein einheitliches Signalmolekül, eben diesen angebrachten Zucker, zu steuern.

Die Glykosylierung erhält so eine zusätzliche, lebenswichtige Funktion. Eukaryotische Zellen sterben deshalb ab, wenn die Verzuckerungs-Maschinerie nicht richtig oder gar nicht läuft. Bakterien sind auf diesen Vorgang nicht angewiesen.

Glykosylierung auch in vitro

Erst vor vier Jahren fand eine Arbeitsgruppe von Markus Aebi heraus, dass Bakterien überhaupt in der Lage sind, Proteine zu glykosylieren. Sie fanden im Krankheitserreger Campylobacter jejuni ein ungewöhnliches Glykosylierungssystem, welches sie dann in das „Arbeitstier“ der Mikrobiologen und Biotechnologen, E.coli, einbauten. Diese Bakterien waren danach in der Lage, Proteinen Zucker anzuhängen. Mit der neuen Studie können die Wissenschaftler jetzt auch zeigen, dass dieses System in vitro funktioniert.

Für die pharmazeutische und biotechnologische Forschung ist dies interessant. Denn in den meisten Proteinen, die in biotechnologischen und pharmazeutischen Anwendungen gebraucht werden, kommen mit Zuckern veränderte Eiweisse zum Zuge. Ein künstliches System kann dabei helfen, solche herzustellen.

Drei Zutaten für Erfolgsrezept

Doch wie gesagt: Für Aebi steht für einmal nicht das Paper im Vordergrund, sondern das Wie und Weshalb eine solche Arbeit entstehen kann. Dies auch mit Blick auf die laufenden Diskussionen über die Strukturreform an der ETH Zürich.

Der Japaner Shin Numao und der Australier Benjamin Schulz sind Teil der international zusammengesetzten Arbeitsgruppe von Professor Markus Aebi, welches soeben in Science eine Arbeit über N-Glykosylierung von Bakterien veröffentlichen konnte.

„Strukturen haben nur indirekten Einfluss auf unser Kerngeschäft, die Lehre und die Forschung“, sagt der Mikrobiologe. Und macht klar, welche Faktoren wichtiger sind: Top-Mitarbeiter, Teamarbeit, Interaktion mit anderen Forschungsgruppen. „Solch ein Paper konnte nur durch Team-Arbeit entstehen“, betont Aebi. An der vorliegenden Studie hat ein internationales, achtköpfiges Team gearbeitet. Australier, Argentinier, Belgier, Deutsche, Japaner, Schweizer; alle am Institut für Mikrobiologie der ETH; angestellt als Diplomstudenten, Doktoranden, PostDocs. „Ich habe ein primäres Interesse daran, gut ausgebildete und motivierte Teammitglieder zu gewinnen“, sagt Aebi.

Diese kommen sowohl von innen wie von aussen. Erstautor Michael Kowarik etwa hat an der ETH studiert, bei Professor Ari Helenius am Institut für Biochemie doktoriert, sein Postdoc am Institut für Mikrobiologie absolviert und sich nun entschlossen, seine Karriere in der Industrie weiterzuverfolgen. „Unser Engagement in der Lehre fliesst direkt in die Forschung ein, das ist untrennbar verbunden“, so Aebi.

Lernerfolg und Finanzen ziehen Top-Leute an

Aber wie gewinnt man Top-Leute von ausserhalb der ETH? Zwei der Mitautoren, Mario Feldmann und Nico Callewaert, sind nach ihrem Aufenthalt an der ETH in Kanada respektive Belgien Professoren geworden. „Sie kommen nur zu uns, wenn sie das Gefühl haben, hier noch etwas lernen zu können“, ist der ETH-Professor überzeugt. Er macht aber auch keinen Hehl daraus, dass eine exzellente Infrastruktur – die technischen Ausrüstungen am Institut für Mikrobiologie sind auf dem neuesten Stand - und genügend Forschungsmittel auf Top-Leute aus dem Ausland anziehend wirken. In der Tat ist Aebi in der komfortablen Lage, dass die ETH, der Schweizerische Nationalfonds und private Stiftungen seine Forschung grosszügig fördern.

Nicht zuletzt braucht es im Umfeld andere Forschungsgruppen. „Diese Interaktionen, über Departements- und Universitätsgrenzen hinweg sind der entscheidende Standortvorteil“, sagt Aebi. Deshalb engagiert er sich für „Life Science Zurich“, eine von ETH und Universität gemeinsam getragene Aktivität, welche Interaktionen und Synergien in diesem Bereich der Lehre und Forschung fördern und nutzen will.

Lehre auf Sozialkompetenzen ausdehnen

Potenzial für Verbesserungen sieht Aebi vor allem bei der Lehre. Dabei schliesst er die Förderung der Doktorierenden und PostDocs mit ein. Doch dem Professor geht es dabei nicht nur darum, die Nachwuchsforscher weiteres Fachwissen pauken zu lassen. Auch „soft skills“ möchte er vermittlen, etwa Teamfähigkeit, oder wie die kulturelle Vielfalt als stimulierendes Umfeld genutzt werden kann. „Viele Mitarbeiter empfinden die internationale Umgebung nämlich als einer der Höhepunkte in ihrer täglichen Arbeit“, weiss Aebi.

Footnotes:
(1 Kowarik, M. et al. (2006): N-linked Glycosylation of folded proteins by the bacterial Oligosaccharyltransferase, Science 17. Nov. 2006, Vol. 314 (issue 5802), pp. 1148-1150.


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