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Rubrik: Science Life

Neues Buch zur Raumentwicklung
Metropolregionen sind Realität

Published: 30.03.2006 06:00
Modified: 30.03.2006 09:01
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In der Schweiz zeichnen sich laut einer soeben veröffentlichten ETH-Studie zwei Metropolregionen von europäischem Massstab ab: die Nordschweiz und der Arc Lémanique. Nun ist es höchste Zeit, diese Realität anzuerkennen und wahrzunehmen.



Peter Rüegg (mailto:peter.rueegg@cc.ethz.ch)

Avenir Suisse propagierte sechs Schweizer Grosszentren, das städtebauliche Porträt des ETH Studio Basel noch drei (1) und die neue Studie des ehemaligen ETH-Professors Alain Thierstein und seinen Mitarbeitern dampft die Auswahl auf gerade noch zwei polyzentrische Metropolregionen von europäischen Zuschnitt ein. „Dies ist keine Chimäre von verrückten Forschern, es entspricht der Realität“, sagte Thierstein bei der Präsentation der Studie, die in attraktiver Buchform unter dem Titel „Raumentwicklung im Verborgenen“ publiziert wurde. (2)

Mit dieser Studie haben die Autorinnen und Autoren in erster Linie virtuelle Verbindungen zwischen den Regionen analysiert. Nicht nur die klassischen Pendlerströme wie in anderen vergleichbaren Untersuchungen seien das Mass aller Dinge, so Thierstein, sondern die darunter liegenden, verborgenen Verflechtungen. Dazu zählen firmeninterne Netzwerke und Beziehungen von verschiedenen Unternehmen untereinander, die Teilregionen über Daten- und Kommunikationsnetze miteinander verbinden. Das fünfköpfige Autorenteam hat analysiert, welche Firmen wo angesiedelt sind, wo sie allenfalls Filialen unterhalten und welche Verbindungen diese Unternehmen ins In- und Ausland pflegen. Für ihre Untersuchung haben die ETH-Forscher wissensintensive Dienstleister wie Banken, Versicherungen, Beratungs- oder Hightech-Unternehmen betrachtet.

Zwei Grosszentren

Mit diesem Ansatz kristallisieren sich in der Schweiz zwei Metropolregionen von europäischer Bedeutung heraus: der Wirtschaftsraum Nordschweiz und der Arc Lémanique. Das Rückgrat der Metropolregion Nordschweiz bildet die Verbindung Zürich-Basel, deren führendes Zentrum Zürich mit seinen renommierten Hochschulen und zahlreichen global tätigen Unternehmen ist. Daran angehängt sind die umliegenden Kantone bis zur Stadt St. Gallen. Die Zentralschweiz mit Zug und neuerdings Luzern richtet sich ebenfalls immer stärker auf diesen Raum mit hoher Wertschöpfung aus, wo knapp die Hälfte der Schweizer Bevölkerung lebt und 56 Prozent von 3,3 Millionen Werktätigen der Schweiz Arbeit finden. Mit seinen 13'700 Quadratkilometern nimmt die Metropolregion Nordschweiz ein Drittel der Schweizer Landesfläche ein.

Die zweite Metropolregion der Schweiz schält sich am Genfersee auf der Achse Genf-Lausanne heraus. Sie ist allerdings wenig mit dem Deutschschweizer Pendant verknüpft. Das hat laut Thierstein vor allem mit den Kultur- und Sprachbarrieren zu tun.

Bern rutscht in Bedeutungslosigkeit

Zwischen Stuhl und Bank fällt die die Bundeshauptstadt Bern. Die starke Verbindung zwischen Bern und Zürich, welche die Studie zwar noch aufdeckt, sei ein Erbe aus Zeiten, wo sämtliche staatlichen Monopolbetriebe in Bern ihren Hauptsitz hatten. „Bern muss sich neu orientieren, wenn es nicht noch schneller in die Bedeutungslosigkeit versinken will“, folgerte Alain Thierstein an der Buchpräsentation.

Zürich ist Zentrum und Motor der im Verborgenen entstandenen Metropolregion Nordschweiz.

„Für die Raumentwicklungspolitik hat das neue Bild der Schweiz weit reichende Folgen“, ist er überzeugt. Behörden und Politik hätten zu lernen, in neuen Massstäben zu denken. Gerade in der kommunalen und kantonalen Raumplanung ortet der Wissenschaftler grosse Mängel. Noch immer wird die Bedeutung der Metropolregionen verdrängt. Die neue Regionalpolitik des Bundesrats sei alter Wein in neuen Schläuchen, das Geld gehe an die gleichen Empfänger wie eh und je. Eine neue Standortförderungspolitik solle sich variabler nach den funktionalen Räumen, wie sie die Metropolregionen darstellen, richten, empfehlen die Forscher in ihrem Buch. Eine wirkungsvolle zukünftige Raumentwicklung überwinde die mentale Trennung von Stadt und Land. „Die Wahrnehmung für grossräumige Metropolregionen muss gestärkt werden“, sagte Thierstein, der im vergangenen Februar seine Antrittsvorlesung an der TU München hielt.

Europäischer Trend

Entstanden ist das Buch „Raumentwicklung im Verborgenen“ im Zusammenhang mit dem EU-Forschungsprojekt Interreg III B „Polynet – Sustainable Management of European Polycentric Mega-City Regions“. Im Zentrum des internationalen Projekts stand die wachsende Bedeutung der wissensintensiven Dienstleistungen, welche die Raumentwicklung immer mehr beeinflussen. „Polynet“ zeigt die räumlichen Konsequenzen auf. So ist in Europa ein einflussreicher Wirtschaftsraum von der Form eines Pentagons entstanden. Dieses wird aufgespannt durch die Eckpunkte London, Hamburg, München, Paris und Mailand. Die Schweiz liegt fast mitten drin. Das Pentagon umfasst zwar nur 14 Prozent der EU- Fläche, bezieht aber einen Drittel aller EU-Bewohner mit ein und erwirtschaftet 43 Prozent des Bruttoinlandproduktes der 25 Mitgliedstaaten der EU sowie Norwegens und der Schweiz.

Footnotes:
(1 vgl. ETH Life-Artikel „Schweiz in neuem Licht sehen“: www.ethlife.ethz.ch/articles/tages/staedtebauportraet.html
(2 Thierstein et al (2006): Raumentwicklung im Verborgenen, 142 S., Verlag Neue Zürcher Zeitung: www.nzz-libro.ch/de/buch.php?shop=1&up_oberKatNr=6&up_katNr=17


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