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Rubrik: Science Life

Neues internationales Forschungszentrum
Die Kräfte der Nanomedizin

Published: 14.03.2006 06:00
Modified: 13.03.2006 15:53
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Um die mechanischen Kräfte der lebenden Zellen besser zu verstehen, haben sich Forscher in einem internationalen „NanoMedicine Center for Mechanical Biology“ zusammengeschlossen. ETH-Professorin Viola Vogel nimmt daran teil, und erhofft sich längerfristig ein mechanisches Reparaturhandbuch für die Zelle.



Christoph Meier (mailto:christoph.meier@sl.ethz.ch)

Was wäre, wenn man die erste Krebszelle aufspüren und zerstören könnte, bevor sie einen bösartigen Tumor verursacht? Was, wenn wir ein defektes Organ oder sogar eine Zelle mit einer Kleinstmaschine analog einem Hörgerät bei einem Hörbehinderten ausrüsten würden, um den gesunden Status wieder zu erlangen? Mögen diese Fragen an Science Fiction erinnern, die Grundlagen zu ihrer Beantwortung werden bereits in der Wissenschaft erarbeitet.

So gibt es beispielsweise seit kurzem das „NanoMedicine Center for Mechanical Biology“ (1) , eines von mehreren Projekten, welches das US-amerikanische Gesundheitsinstitut (NIH) im Bereich der Nanomedizin unterstützt. Bei diesem neuen Zentrum handelt es sich um einen Zusammenschluss von Forschenden, die aus zehn verschiedenen Arbeitgruppen stammen. Das Leading-House dabei ist die Columbia University in New York. Am Zentrum beteiligt sich jedoch auch die Arbeitsgruppe von Viola Vogel, ETH-Professorin für biologisch orientierte Materialwissenschaften (2) .

Kleiner und günstiger dank Nanomedizin

„Grundsätzlich geht es bei den Projekten des neuen Verbundes darum, die Mechanik der Zelle besser zu verstehen“, erläutert die Wissenschaftlerin. Obwohl viel biologisches und chemisches Wissen vorhanden ist, weiss man noch wenig, wie die auf eine Zelle einwirkenden Kräfte die Funktionsweise von Zellen regulieren. Erste Forschungen deuten aber darauf hin, dass die Biomechanik, welche sich im Nanobereich der Zellen abspielt, entscheidend für das Verständnis von Lebewesen und ihren Krankheiten ist. So weiss man beispielsweise, dass die Gewebesteifigkeit auf Molekülebene darüber entscheiden kann, ob sich eine Zelle gut oder bösartig weiterentwickelt. Solche Forschungen sind erst seit wenigen Jahren möglich, so Vogel, da in dieser Zeit die entsprechenden Analysewerkzeuge wie das Atomkraftmikroskop für die Anwendung im biologischen Bereich hinreichend weit entwickelt worden sind.

"Die Kostenexplosion im Gesundheitswesen ist eine grosse globale Herausforderung, die wir nur unter Zuhilfenahme aller neuen Tools in den Griff kriegen können“, meint ETH-Professorin Viola Vogel, die das Problem im Bereich der Nanomedizin angeht.

Jetzt, da die Werkzeuge vorhanden sind, ist es aber für die ETH-Wissenschaftlerin klar, dass man sie auch nützen muss. Denn so wie in der Computerindustrie durch Miniaturisierung und der entsprechenden Ausnützung des Nanobereichs eine rasante Entwicklung und Kostenverringerung stattgefunden hat, so soll auch die Nanomedizin ihren Beitrag liefern, um durch kleinste gezielte Eingriffe günstiger zu heilen. „Die Kostenexplosion im Gesundheitswesen ist eine grosse globale Herausforderung, die wir nur unter Zuhilfenahme aller neuen Tools in den Griff kriegen können“, meint Viola Vogel.

Die Kräfte, die zwischen und in den Zellen walten, sind zentral für das Verständnis der Lebewesen und ihrer Krankeiten. Auf dem Bild sieht man, wie zwei Zellen gekoppelt über ihre Fibronectin-Matrix mechanisch miteinander interagieren (Bild: Viola Vogel)

Damit wiederum die neuen Analysemethoden noch schneller eingesetzt werden können, braucht es Forschungszusammenarbeit. „Hier setzte auch das neue Zentrum an“, erläutert die Forscherin: „Denn dessen Ziel besteht darin, durch eine gemeinsame Finanzierung, oder englisch Umbrella-Funding, die Zusammenarbeit zu katalysieren“. Die rund 1.5 Millionen US-Dollars pro Jahr während den nächsten fünf Jahren würden entsprechend vor allem für die Austauschaktivitäten eingesetzt. Zudem wird bald eine Webseite aufgeschaltet, auf der die einzelnen Projekte vorgestellt werden.

Erstes Projekt mit Zellgerüst

Viola Vogel bearbeitet im neuen Zentrum die Biomechanik von Fibronectin. Dieses Molekül ist ein zentraler Bestandteil der Matrix ausserhalb der Zellen und beeinflusst Zelladhäsion und Signalübertragung. Ist die Fibronectin-Matrix verändert, so kann dies die Differenzierung von Krebszellen beeinflussen. Die ETH-Forscherin will nun verstehen, wie sich mechanisches Strecken auf die Funktionsweise von Proteinen auswirkt. Denn durch eine mechanische Koppelung verändert das Protein seine chemischen Bindungsstellen im Vergleich zu seinem Gleichgewichtszustand, wenn es isoliert in Lösung vorliegt. Da Fibronectin einen modularen Aufbau aufweist, ist auch von Interesse, in welcher Abfolge die chemischen Bindungsstellen mechanisch verändert werden.

Während Viola Vogel die Mechanik vor allem in Hinblick auf die Matrixformation und Zellanhaftung untersucht, widmen sich die Kollegen in den USA und Israel vorwiegend den Auswirkungen von Kräften auf die Kontaktstellen der Zellen mit der Aussenwelt und auf das Innere der Zelle.

Ein Handbuch zur Mechanik der Zelle

Blickt das Team in die weitere Zukunft, so erhofft es sich ein Zellreparatur-Handbuch. Hier bräuchte man einen Bauplan der Zelle anlog der Pläne, die Ingenieure für Maschinen entwickeln. Viola Vogel glaubt, dass dieses Wissen zudem helfen wird, die Ursachen vieler Krankheiten besser zu verstehen. Denn ein grundlegendes Verständnis möglicher Schäden benötigt wiederum die Einsicht, wie mechanische Kräfte Zellfunktionen beeinflussen. Bis es aber so weit ist, braucht es noch viele Zellingenieure, die im Kleinsten grosse Forschungsanstrengungen unternehmen.

Footnotes:
(1 NIH-Seite zum neuen Center: http://nihroadmap.nih.gov/nanomedicine/devcenters/mechanicalbiology.asp
(2 Biologisch orientierte Materialwissenschaften an der ETH: www.nanomat.mat.ethz.ch/


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