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Rubrik: Science Life

Neue Einsicht in Zellteilung
Mit viel Biss NoCut gefunden

Published: 26.04.2006 06:01
Modified: 26.04.2006 08:35
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"NoCut" steht für eine neue Signalkette, welche bei einer korrekten Zellteilung mithilft. Eine ETH-Doktorandin erzählt, wie sie zusammen mit Kollegen das entsprechende, viel beachtete Modell entwickelt hat, das schliesslich in eine Publikation in der Fachzeitschrift „Cell“ mündete.



Christoph Meier (mailto:christoph.meier@sl.ethz.ch)

Als Caren Norden sich vor rund vier Jahren an der ETH für eine Doktorat bewarb, erkannte die Biologin schnell: die Chemie stimmt. Sie verstand sich auf Anhieb mit Yves Barral, ETH-Professor für Biochemie (1) . „Für das Doktorat war es entscheidend, dass ich einen guten Betreuer fand“, meint die quirlige Deutsche, die sich zuerst blind einfach aufgrund des Tipps ihrer Diplomchefin in den USA beim ETH-Labor beworben hatte. Dazu kam natürlich, dass das ihr angebotene Projekt zur Zellteilung ihren Vorstellungen entsprach.

Da die Zellteilung einen komplizierten Prozess darstellt, galt es sich einzuschränken. Caren Norden entschied sich für die Erforschung der finalen Abschnürung der Zellmembran. Darunter versteht man die Trennung der Membran der Tochter- von der der Mutterzelle. Die Biologin zu ihrer Wahl: “Das Projekt versprach viel Mikroskopie, eine Technik, die ich besonders mag.“

Begonnen mit Mickey-Mouse-Zellen

Obwohl im Artikel, den Caren Norden diesen Monat zusammen mit Forscherkollegen in der Fachzeitschrift „Cell“ über ihre Arbeit an der ETH publizieren konnte (2) , das erste Experiment den Einfluss des Proteins „Ase 1“ auf die Cytokinese von Hefezellen zeigt, begann die Biologin ihre Arbeit an der ETH anders. Sie widmete sich Mickey Mouse. Das heisst, sie suchte nach dem Grund, wieso Zellen, die einen Defekt im Gen „Ndc10“ aufweisen, bei der Teilung zwei Knospen bilden, welche aussehen wie die Ohren einer Mickey Mouse. Sie fand mittels mehrerer Experimente heraus, dass es ein Cytokinese-Defekt ist und nicht eine mangelnde Trennung der Zellwand, was bei Hefezellen auch möglich wäre.

„Am Anfang war ich etwas paranoid und traute meinen Experimenten nicht ganz“, schildert die Biologin. Ihr genügte als Beweis für noch verbundene Membranen, dass trotz der Auflösung der Zellwand der „Mickey Mouse“-Phänotyp erhalten blieb. Sie machte auch noch Filme, die zeigten, dass Kontraktion der Membran in den ndc10-1-Mutanten vor der Membranabtrennung also der Abschnürung normal verläuft.

Doch das war erst der Anfang. In minutiöser Kleinarbeit und mit Hilfe anderer Forschenden, insbesondere Manuel Mendoza, dem Koautor des Papers, trug Caren Norden Daten zusammen, welche einen neuen Einblick vermitteln, wie nach der Trennung der Chromosomen, die Zellteilung weiterläuft oder eben nicht. Sie fand Evidenz, dass eine intakte zentrale Spindel nötig ist für eine normale Cytokinese. Die Spindel ist eine Struktur, die bei der Zellteilung entsteht. An ihr entlang wandern die Chromosomen, nachdem sie sich in einer Ebene angeordnet haben hälftig in Mutter und Tochterzelle. In der ersten Phase der Zellteilung überlappen in der Mitte die Gerüststrukturen der Spindel, so dass man von der zentralen Spindel spricht.

Bois, die das Abschneiden verhindern

Obwohl die Struktur der zentralen Spindel intakt sein muss für die Cytokinese, bedeutet das nicht, dass ihre Lokalisation in der Zelle dafür stimmen muss, wie weitere Versuche zeigten. „Das nährte den Verdacht, dass ein Faktor an der zentralen Spindel sein musste, der diese kontrolliert“, erläutert Caren Norden. Und die Biologin konnte tatsächlich einen solchen aufspüren, die Aurora Kinase Ipl1. Diese bewirkt, dass Zellen mit einem Defekt in der zentralen Spindel keine Cytokinese durchlaufen, so wie dies bei den erwähnten ndc-10-1-Mutanten der Fall ist. Doch Ipl1 agiert nicht alleine. Damit das Protein eine fehlerhafte Zellteilung blockieren kann, benötigt es die beiden redundanten Proteine Boi1 und Boi2. Diese befinden sich an der Einschnürungsstelle zwischen den Zellen. Das ergebe einen Sinn, so Norden, da die Bois hier direkt eine vollkommene Abtrennung verhindern können.

Erforschten erfolgreich die Cytokinese: Manuel Mendoza, Yves Barral und Caren Norden. (Bild: zVg)

Wenn eine Zelle knospet: ETH-Forschende brachten mehr Licht in den Prozess. Auf dem Bild ist rot Spc42 zu sehen, ein Marker, der es ermöglicht, der Verlängerung der Spindel während des Zellzyklus zu folgen. In blau sieht man die mit Ras2 markierte Plasmamembran, die zunächst zusammengezogen und dann abgeschnürt wird. (Bild: Caren Norden)

Doch was ist der Sinn des ganzen Kontrollsystems? „Wichtig ist immer, dass keine fehlerhafte Erbinformation weitergegeben wird“, antwortet die Biologin. Das dies der wichtigste Grund ist, darauf deuteten weitere Versuche. So demonstrierten die Forscher, dass Zellen ohne das Ipl1-Boi1,2-System mehr Chromosomenbrüche aufweisen. Zellen die zusätzlich noch ein fehlerhaftes Ase1 besitzen, sind schon gar nicht mehr lebensfähig.

Runde Geschichte, vielleicht noch nicht ganz erzählt

„Alles zusammen ergab für uns eine runde Geschichte, die uns veranlasste, einen neuen Signalweg, ‚NoCut’ zu postulieren“, fasst Caren Norden zusammen. In ihrem Modell gehen die ETH-Forschenden davon aus, dass Ipl1 an der zentralen Spindel feststellt, ob noch Chromosomen vorhanden sind. Ist dies der Fall, sendet Ipl1 ein Signal an Boi1 und 2. Diese wandern zur Einschnürungsstelle und verhindern dort die vollständige Cytokinese – es kommt zu keinem Schnitt beziehungsweise Cut von Chromosomen. Sind aber die Chromosomen von der zentralen Spindel in die neu entstehenden Folgezellen weggewandert und löst sich die Spindel auf, dann ist auch Ipl1 nicht mehr aktiv. Das hat auch zur Folge, dass Boi1 und 2 die Einschnürungsstelle verlassen, so dass die Abschnürung vollzogen werden kann.

Caren Norden blickt nachdenklich auf das gerade erläuterte Modell, das sie anhand einer Grafik erklärt hat. Schnell ist sie aber wieder im Gespräch und meint: „Das ist nur ein Modell. Wir können sicher sagen, dass Ipl1 und die Bois nötig sind für die Cytokinese. Doch ob das die ganze Geschichte ist, bezweifle ich.“ Die Biologin vermutet beispielsweise, dass im NoCut-Signalweg noch mehr Faktoren involviert sind. Vor allem beim Aufspüren des Erbmaterials an der zentralen Spindel erwartet sie solche. Ob diese Vermutung stimmt, wird aber Norden nicht mehr selbst prüfen. Denn bald wird sie eine Postdoc-Stelle in Cambridge, UK, antreten.

Trotz Rückschlägen auf dem richtigen Dampfer

Dort wird sie sich in das nächste Forschungswellenbad stürzen. Wellenbad? Schaut die Biologin zurück, dann lief nicht immer alles ganz so glatt, wie es im Paper steht. „Teilweise hatte ich keinen Bock mehr und dachte, wir sind auf dem falschen Dampfer“, seufzt Norden. Beispielsweise habe sie einmal Ipl und NDC10-1 inaktiviert. Die Erwartung war, dass keine Mickey-Mouse-Zellen entstehen. „Als ich trotzdem viele Zellen mit zwei Knospen sah, hab ich die Sachen hingeschmissen und bin nach Hause gegangen“, erzählt die Biologin von ihrem Frust. Am nächsten Tag habe sie sich aber mit Yves Barral gesprochen. Dieser habe ihr geraten zu untersuchen, ob es nicht einfach die Zellwand sein könnte, welche die Knospen noch an die Mutterzelle bindet. Und tatsächlich war dies der Grund.

Obwohl Rückschläge dazugehören, Angst vor nicht erwarteten Resultaten habe sie nie gehabt, meint Caren Norden. Ein anderes Gefühl nämlich Freude herrschte dann, als bekannt wurde, dass „Cell“ ihr Paper akzeptiert hatte. „Ich erfuhr es am 30. Dezember. Sofort rief ich meine Laborkollegen an. Danach trank ich mit meinem Freund ein Glas Champagner, den ich eigentlich für Sylvester gekauft hatte.“ Die grosse Erleichterung über den Erfolg habe etwas später auch eine gewisse Leere bewirkt.

Mittlerweilen ist das aber vorbei, und Caren Norden ist stolz auf ihre Arbeit. Zurecht, denn sowohl „Cell“ und „Nature“ bedachten ihren Artikel mit speziellen zusätzlichen Beiträgen (3) (4) . War der Cell-Artikel auch der Türöffner für England? Die Biologin verneint. „Ich bin manchmal etwas dickköpfig und wollte, dass man mich wegen meiner Arbeit als solche nimmt und nicht einfach weil diese in einer der renommiertesten Zeitschriften erschien. Darum bewarb ich mich, ohne den Cell-Artikel explizit zu erwähnen.“

Footnotes:
(1 Forschungsprojekte von Yves Barral: www.bc.biol.ethz.ch/people/groups/yvbarral . „ETH Life“-Bericht „Die Kunst des ungleichen Teilens“ zu Forschung von Yves Barral: www.ethlife.ethz.ch/articles/tages/barralspindle.html
(2 Norden et al: “The NoCut Pathway Links Completion of Cytokinesis to Spindle Midzone Function to Prevent Chromosome Breakage”.Cell. 2006 Apr 7;125(1):85-98.
(3 Bloom K.: “ NoCut: Cytokinesis in Check”. Cell. 2006 Apr 7;125(1):17-8.
(4 Research Highlights: Cell biology: “Cutting edge”. Nature 440, 848-849 (13 April 2006)


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