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Rubrik: Science Life

Osteoporose
Bilder von Mark und Bein

Published: 31.07.2006 06:00
Modified: 26.07.2006 15:42
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Dank neuen bildgebenden Verfahren bestätigen Forscher der ETH und der Universität Zürich, dass die Knochendichte bei der Diagnose von Osteoporose nicht das alleinige Mass ist. Das Geheimnis der Krankheit liegt wohl in der Submikrometerstruktur und in den Genen.



Peter Rüegg (mailto:peter.rueegg@cc.ethz.ch)

Osteoporose betrifft vor allem Frauen nach der Menopause. Sie haben nach dem 50. Lebensjahr ein 40-prozentiges Risiko, einen Schenkelhals-, Rückgrat- oder Handgelenk-Bruch zu erleiden. In der Schweiz belaufen sich die geschätzten medizinischen Kosten für Patienten mit Osteoporose auf über 750 Millionen Franken pro Jahr, was mehr als 1,5 Prozent der gesamten Kosten des Schweizerischen Gesundheitswesens entspricht.

Knochendichte nur ein Mass

Umso wichtiger ist es deshalb, die Krankheit frühzeitig zu erkennen. "Die bisherige Diagnose von Osteoporose ist aber nicht perfekt", sagt ETH-Doktorand Philipp Schneider vom Institut für Biomedizinische Technik (IBT). (1) In der täglichen Praxis messe die Medizin seit über drei Jahrzehnten die Knochenmineralisationsdichte, um die Krankheit zu diagnostizieren. Knochendichte sei aber nur ein Mass für die Knochenstärke und sollte daher nicht als alleinige Grösse für die Vorhersage zukünftiger Knochenbrüche betrachtet werden“, bilanziert Schneider. Um bessere Diagnosen stellen zu können, müsse man zudem Faktoren wie Geometrie, Architektur und Qualität des Knochens miteinbeziehen.

Zu diesem Urteil gelangt der Physiker aufgrund von Erkenntnissen der Ultrastruktur von Mäuseknochen, die mit neuen bildgebenden Verfahren gewonnen werden konnten. Einblicke mit hoher räumlicher Auflösung ermöglicht zum Beispiel die Synchrotron Lichtquelle Schweiz (SLS) am Paul Scherrer Institut (PSI). Erst vor kurzem wurde eine neue Strahllinie eingeweiht, die speziell der Mikrotomografie dient. (2) Mit Synchrotron-Licht basierter Mikro-Computertomographie dringen die Biomediziner bis in den Submikrometer-Bereich vor und machen dreidimensionale Strukturen in grosser Auflösung sichtbar, welche die Medizin bisher nicht erfassen konnte.

Ultrastruktur dreidimensional erfasst

Die neuen Untersuchungen an Mäuseknochen machen deren komplexe Morphologie deutlich. So ist zum Beispiel der Knochenschaft nicht einfach ein massiver Block mit einer bestimmten Mineralisationsdichte. Die ETH-Forscher haben ein System feiner Kanülen ausgemacht, das den Raum von Blutgefässen und knochenabbauenden Zellen (Osteoklasten) darstellt, sowie Hohlräume (Lakunen), welche die Wissenschaftler den knochenerhaltenden Zellen, den so genannten Osteozyten, zuordnen. Von diesen Kanülen können feinste Risse, sogenannte Mikrorisse, ausgehen, die sich entlang der Lakunen durch den Knochen fortsetzen. „Solche Mikrorisse können Vorläufer kompletter Brüche sein, zum Beispiel bei Hochleistungssportlern oder bei osteoporotischen Patienten“, sagt Schneider.

Fragen über Fragen

Die quantitativen Untersuchungen der Ultrastruktur zeigen weiter, dass in der Knochenwand ein paar hundert Kanülen und mehrere zehntausend Lakunen pro Kubikmillimeter vorhanden sind. Die Kanülen sind allerdings nicht gleichmässig verteilt und ausgebildet, sondern durchdringen den Knochenschaft teilweise oder vollständig, je nach anatomischer Lage innerhalb des Knochens. Zudem scheinen sich die ellipsoidförmigen Osteozyt-Lakunen nach den Kanülen auszurichten, sowohl in ihrer Anordnung als auch in ihrer Form. „Das könnte einen Einfluss darauf haben, wo und ob ein Knochen bricht, je nach Ausbildung der Ultrastruktur“, mutmasst Schneider.

Knochenanalyse mittels Nano-Computertomographie: Osteozyt-Lakunen (gelb) und ultrafeine Kanülen (rot) bestimmen den Aufbau des Knochens und damit dessen Stabilität. (Bild: P. Schneider / Institut für Biomedizinische Technik)

Schneider hat mit der Nano-Computertomographie die Ultrastruktur des Knochens sogar bis auf das zelluläre Niveau sichtbar gemacht. Damit können die Wissenschaftler die Osteozyten erkennen, die im Knochenschaft eingebettet und durch feine Kanäle miteinander verbunden sind. "Die Zellen nützen die Kanäle, um untereinander über chemische Botenstoffe zu kommunizieren und sich so an veränderte Belastungen anzupassen", erklärt der ETH-Doktorand. Doch wie genau eine solche Reaktion abläuft und welches die biologische Antwort des Knochens auf normale tägliche Betätigung oder erhöhte Belastung für gesunde und osteoporotische Patienten ist, sind offene Fragen.

Knochen passt sich der Last rasch an

Eine Studie von Schneiders Institutskollegen Duncan Webster und Elad Wasserman zeigt, dass sich der Schaft und der schwammige Teil des Knochen von Mäuseschwanzwirbeln rasch an eine regelmässige Belastung anpasst. Unter Last beginnen sich etwa die Knochenbälkchen des schwammigen Knochenteils innerhalb der Wirbel zu vergrössern und ein dichteres Netz zu spannen. Die Untersuchung der biologischen Antwort auf ultrastrukturellem Niveau ist im Moment im Gang. "Für die Osteoporose-Prävention könnte das bedeuten, dass mässiges mechanisches Belastungstraining eine günstige und schmerzlose Alternative oder zumindest eine erfolgsversprechende Parallelbehandlung zu den konventionellen und belastenden Hormonersatz-Therapien darstellen würde", folgert Schneider.

Neue Methoden alltagstauglich machen

Die neuen Erkenntnisse erweiterten das Bild der Osteoporose, sagt der ETH-Doktorand. Neben der "traditionellen" Messung der Knochenmineralisationsdichte müssten nun zusätzliche Faktoren berücksichtigt werden. Die neuen Untersuchungsmethoden sind jedoch teuer und nicht alltagstauglich. Schneider ist jedoch überzeugt, dass sich in Zukunft vermehrt kommerzielle Mikrotomographen auf den Markt kommen werden, die eine gute räumliche Auflösung in der Grössenordnung wie die SLS bietet, aber nicht die Grösse einer Pferderennbahn haben. Schneider: "Damit wäre der Weg geebnet für Studien an Menschen über Osteoporose, welche die neuen Erkenntnisse über die Ultrastruktur der Knochen berücksichtigen."

Footnotes:
(1 Website des Instituts: www.biomed.ee.ethz.ch/
(2 Medienmitteilung des PSI "Nano auch in der Biomedizin": www.psi.ch/medien/Medienmitteilungen/mm_nano_in_biomedizin/mm_nano_in_biomedizin.html


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