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Rubrik: Science Life

Studie schlichtet im Waldweide-Konflikt
Wieviel Rind verträgt der Wald?

Published: 17.03.2006 06:00
Modified: 16.03.2006 16:37
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In den Schweizer Alpen weiden Kühe nicht nur auf Wiesen, sondern auch im Wald. Doch Landwirte und Förster streiten, ob die Waldweide nicht schädlich ist für die Verjüngung des Waldes und seine Lawinenschutzfunktion. Eine jüngst veröffentliche Studie zerstreut alle Befürchtungen. Wird die Waldweide extensiv betrieben, muss der Wald um sein Bestehen nicht fürchten.



Michael Bartnik

Die Gebirgswälder der Alpen erfüllen mehrere Funktionen: Sie dienen der Holzproduktion, der Erhaltung der Artenvielfalt und der Erholung, und sie sind Schutz vor Hochwasser und Lawinenabgängen. Bei 15 Prozent der schweizerischen Gebirgswälder kommt noch eine weitere Funktion hinzu: Hier weiden traditionell Rinder, selten auch Ziegen. Über Nutzen und Schäden durch „Waldweide” streiten sich Förster und Landwirte.

In manchen Kantonen gilt die Waldbeweidung als „nachteilige Nutzung”, die es abzulösen gilt. Man befürchtet, dass die Rinder den Wald an seiner Verjüngung hindern, dass an Holzqualität eingebüsst wird und dass er nicht mehr ausreichend schützt. Ausserdem biete die Waldweide nur minderwertiges Futter und werde den Bedürfnissen der heutigen Rinderrassen nicht mehr gerecht.

Künstliche Waldweiden

Doch diese Befürchtungen konnten zwei Studien des Eidgenössischen Instituts für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) in Davos und des Instituts für Nutztierwissenschaften an der ETH Zürich mit der Dissertation von Andrea Corinna Mayer zerstreuen. Sie untersuchten den Einfluss der Nutztierdichte auf die Waldweideflächen. Kurz: Wieviel Rindvieh verträgt der Wald? Neben den Schäden an den Bäumen wollte man auch die Futterwahl und den Wert des Futters für das Rind auf diesen untypischen Weideflächen kennen lernen. Ihre Forschungsergebnisse wurden jüngst in den agrarwissenschaftlichen Fachzeitschriften „Agroforestry Systems” und „Animal Research” veröffentlicht (1) (2).

Bei der ersten Untersuchung im Dischmatal im Jahr 2000 wurden Waldweideflächen mit unterschiedlicher Dauer und Intensität von Rindern beweidet. Dabei wurde der Zustand junger Fichten auf Verbiss, Tritt- und Kratzschäden verglichen, bevor und nachdem die Tiere in den Wald getrieben wurden. Bei der zweiten Untersuchung 2000/2001 auf der ETH-Forschungsstation Alp Weissenstein wurden vergleichbare Felder abgesteckt und mit jungen Bäumen bepflanzt. Auf den Versuchsflächen liess man dann drei, sechs bzw. neun Rinder so lange weiden, bis die künstlichen Waldweiden abgegrast waren. Die Wissenschaftler massen die Schäden an den Bäumen in Relation zu Tierdichte und Beweidungsdauer.


Waldweide in der Schweiz

Weitere Informationen zur Waldweide, zu Publikationen und den Untersuchungen von ETH und SLF unter www.slf.ch/lebensraum-alpen/waldweide-de.html.


Traditionelle aber umstrittene Weideform: Die Waldweide von Rindern und Ziegen in schweizerischen Gebirgswäldern. (Foto: A. C. Mayer)

Schäden überraschend gering

Michael Kreuzer, Professor für Tierernährung am ETH-Institut für Nutztierwissenschaften, beschreibt: „Die Schäden hielten sich überraschenderweise in Grenzen. Bei der ersten Untersuchung waren lediglich vier Prozent der Bäume am besonders wichtigen Leittrieb verbissen. Die meisten blieben unversehrt. Die Tiere sind also nicht gezielt auf die Jungbäume losgegangen.” Der Verbiss ist aber abhängig von der Tierdichte. Wenn nicht zu viele Tiere auf den Waldflächen weiden, haben sie ausreichend Möglichkeiten, ihre bevorzugten Futterpflanzen frei zu wählen. Erstaunlicherweise stellte sich heraus, dass die Verbissschäden im Winter durch Wildtiere dreimal so hoch sind wie durch die Rinder im Sommer.

Empfehlungen abgeleitet

Aus der Studie liess sich die Empfehlung ableiten, die Waldweide am besten auf eine Grossvieheinheit (eine Kuh von 600 kg Gewicht) pro Hektar zu begrenzen. Kreuzer fügt hinzu: „Die Tiere sollten beobachtet werden, um einzelne Rinder, die besonders grosse Schäden anrichten, von der Waldweide auszuschliessen.” Allgemein sei es günstiger, eher grosse Flächen extensiv und über längere Zeit zu beweiden statt kurzfristig intensiv .

Gebirgswälder müssen wegen der Waldweide jedenfalls nicht um ihre Existenz fürchten. Bei angepasster Beweidung ist die Schutzfunktion des Waldes gewährleistet. Beobachtungen zeigen aber, dass Ziegen wegen ihrer Vorliebe für Holzpflanzen deutlich mehr Schaden anrichten als Rinder.

References:
•  (1) Mayer, A.C., Estermann, B.L., Stöckli, V. und Kreuzer, M.: Experimental determination of the effects of stocking density and grazing period on forest regeneration on a subalpine wood pasture. Animal Research 54 (May/June 2005) 153-171.
•  (2) Mayer, A.C., Stöckli, V., Konold, W. und Kreuzer, M.: Influence of cattle stocking rate on browsing of Norway spruce in subalpine wood pastures. Agroforestry Systems 66 (February 2006) 143-149.


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