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Rubrik: Science Life
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Publiziert: 06.03.2006 06:00

Sinkender Milchertrag während Alpsaison
Gesunder Käse macht Einbusse wett

Alpenluft ist Milchkühen zu dünn. Sie fressen weniger, geben weniger Milch und nehmen ab. Dennoch hat Käse aus Alpenmilch einen gewichtigen Vorteil, der die Nachteile aufwiegt: Er enthält gesunde Fettsäuren.

Peter Rüegg

Alpen in der Schweiz, da gehören Kühe hin. Glockengebimmel in den Ohren und Kuhfladen mitten auf dem Wanderweg, der bärtige Senn, der in der verrauchten Hütte über offenem Feuer im Kupferkessel Käse macht. Soviel zum Cliché.

Wissenschaftler des ETH-Instituts für Nutztierwissenschaften haben herausgefunden, dass heutige Milchkühe auf der Alp nicht nur glücklich sind. Stärker als angenommen macht den Tieren die dünne Höhenluft zu schaffen. Sowohl frei weidende Kühe, als auch solche, die im Stall gehalten werden und mit geschnittenem Gras versorgt werden, nahmen weniger Nährstoffe und Energie auf als die Artgenossinnen im Tal. Und dies scheint nicht nur in einer ersten Angewöhnungsphase so zu sein. Auch sieben Wochen nach dem Transport auf eine Versuchs-Alp der ETH, der Alp Weissenstein im Kanton Graubünden, hatten sich die Kühe nicht vollständig an die neuen Umweltbedingungen angepasst. (1)

Milchertrag sinkt in der Höhe

Auch die Milchleistung nimmt spürbar ab. Gegenüber Kühen, die im Flachland mit einer typischen Silage-Kraftfutterration gefüttert wurden, sank der Milchertrag bei Kühen auf der Alpweide um etwa einen Viertel. Dieser Einbruch trat auch bei einer Gruppe von Kühen auf, die während der Alpung im Stall gehalten wurde. Für die Forscher ein Indiz dafür, dass wohl die dünne Luft für den sinkenden Milchertrag verantwortlich ist.

Neben dem Ertrag geht auch der Eiweissgehalt der Milch zurück, was zum Beispiel für die Käseherstellung ungünstig ist. So wird der Käsebruch, also die geronnene Milch nach Zugabe von Lab beim Käsen, weniger fest. Mit zunehmender Alterung der alpinen Grasnarbe – die Pflanzen enthalten dann viele unverdauliche Fasern - verschlechterten sich die für die Käserei wichtigen Eigenschaften weiter.

Appetit geht zurück

"Der Aufbau von Eiweiss im Euter braucht sehr viel Energie", sagt ETH-Professor Michael Kreuzer, "und auch die dünne Luft erhöht den Energiebedarf." Die Kuh nehme auf der Alp aber eher weniger Nahrung, also Energie, auf. Das senke den Eiweissgehalt der Milch. Zudem verdirbt Sauerstoffmangel den Pflanzenfressern den Appetit, so dass sie unabhängig von Klima, vom Futterangebot und dessen Qualität weniger fressen. Das haben andere Forscher auch beim Menschen beobachtet. Bei Bergsteigern wird ab 3000 Metern Höhe der Geschmackssinn für Traubenzucker und Kochsalz empfindlicher. Die Folge: Der Mensch isst weniger und nimmt bis zu 40 Prozent weniger Energie zu sich.

„Bei Kühen dürfte es ähnliche Effekte geben“, sagt Kreuzer. Um den Körper mit genügend Energie versorgen zu können, mobilisieren die Tiere körpereigene Reserven, wie Fett und Muskeleiweiss. Dadurch sinkt auch das Körpergewicht.


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Heutige Milchkühe tun sich mit der dünnen Höhenluft auf Alpen eher schwer. (Bild: www.mcasutt.ch) gross

Unter dem Strich lohnt sich die Alphaltung der Kühe trotzdem. Die Milch von gealpten Kühen enthält unter anderem mehr ungesättigte Fettsäuren, allen voran die Omega-3-Fettsäuren, als die Milch von Flachland-Kühen. Warum das so ist, ist Gegenstand der Forschungsarbeit der Nutztier-Wissenschaftler. Solche Fettsäuren kommen zum Beispiel in Fischen oder Leinsaat vor und gelten als gesund, weil sie Herzkrankheiten effizient vorbeugen.

Agrarpolitik fördert Talhaltung

Mit dem Argument dieses Zusatznutzens – natürlicher functional food quasi - könnten Alpwirte die Einbussen wegen Milch-Mindererträgen kompensieren, findet Kreuzer. Es wäre deshalb auch schade, die Kühe nur noch in tiefen Lagen weiden zu lassen, auch wenn die jetzige Agrarpolitik dies fördere. Um die negativen Auswirkungen der Alpung auszugleichen rät der ETH-Professor, die Kühe so früh wie möglich auf die Alp zu schicken. Am besten dann, wenn die Vegetation jung ist und Kräuter sowie Gräser weniger unverdauliche Fasern enthalten. Auch könne man mit einer Rotationsweide, die dem zeitlich gestaffelten Futterangebot mit steigender Höhe folge, mehr aus einer Alpsaison herausholen.

Für ihre Versuche verglichen die ETH-Forscher drei Sechser-Gruppen von typischem Schweizer Braunvieh. Eine Gruppe diente als Vergleich und erhielt während der gesamten Versuchsdauer ein Kontrollfutter mit bekannter Zusammensetzung. Die zwei anderen Herden erhielten nach der Einstimmungsphase mit der Kontrollnahrung nur noch Gras. Dabei wurde eine Gruppe im Stall mit geschnittenem Gras gefüttert, während die andere Gruppe frei weiden durfte. Im Lauf des Sommers wurden die beiden grasgefütterten Herden auf die Alp Weissenstein auf 2000 Meter über Meer verfrachtet. Die Kontrollgruppe blieb unter Beobachtung im Flachland auf 400 Metern Höhe.


Fussnoten:
(1) Studie zur Milchleistung von Kühen in hohen Lagen: Leiber, F. et al. (2006): Contribution of diet type and pasture conditions to the influence of high altitude grazing on intake, performance and composition and renneting properties of the milk of cows, Anim. Res. 55, 37-53



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