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Rubrik: Science Life
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Publiziert: 27.04.2005 06:00

Durchschlag am Lötschberg
"Eine einmalige Versuchsanlage"

Am Donnerstag erfolgte der Durchschlag des Lötschberg-Basistunnels der Neuen Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT). Bereits im Juli 2007 soll der erste Schnellzug durch das Bergmassiv donnern. Das Projekt ist auf Kurs – nicht zuletzt dank wissenschaftlichen Arbeiten der ETH Zürich.

Von Claudia Naegeli

Seit die Mineure im Frühling 1999 ihre Arbeit am Lötschberg-Basistunnel aufgenommen haben, stellten sich der BLS AlpTransit AG immer wieder neue Herausforderungen (1). Im Zentrum des Interesses standen einerseits geologisch-bautechnische Schwierigkeiten und andererseits Fragestellungen im Zusammenhang mit der Projektsteuerung. Die Grösse der Baustelle verlangte eine herausragende logistische Planung. Zudem spielt bei einem Tunnelbau die Frage der Sicherheit grundsätzlich eine entscheidende Rolle: Neben einer ausgeklügelten Bahntechnik und Zugsicherung stand die Sicherheit der Arbeitsplätze der Mineure im Vordergrund.

Wegweisende Erkenntnisse

Für die Beantwortung solch komplexer Fragestellungen und die Beherrschung der damit verbundenen Risiken ist das Bundesamt für Verkehr (BAV) auch an die ETH Zürich gelangt. „Die grösste Herausforderung stellte für uns die Grösse und die Komplexität der Bauaufgabe dar“, erklärt Professor Hans-Rudolf Schalcher vom Institut für Bauplanung und Baubetrieb (2). Als Folge der Bahnreform habe man zudem mit einem völlig neuen Rollenmodell gearbeitet. „Die organisatorische Trennung vom Bund als Besteller, der BLS AlpTransit AG als Erstellerin sowie der BLS Lötschbergbahn AG als Betreiberin des Basistunnels hat sich als eine Knacknuss von besonderer Art erwiesen“, erklärt der Wissenschaftler, der seit Beginn der Bauzeit das Projekt begleitet hat.

Aus dieser langjährigen Arbeit konnte Hans-Rudolf Schalcher wichtige wissenschaftliche Erkenntnisse ziehen. Als prominentes Beispiel nennt er etwa die NEAT-Controlling-Weisung (NCW) des Bundes. „Mit diesem Instrument wurden bei der integrierten Steuerung von Grossprojekten neue Wege beschritten, welche nicht nur für die Schweiz, sondern auch europäisch gesehen, wegweisend sind“, führt der Professor weiter aus.

Wasser als Bedrohung

Auch Marc Pesendorfer, Doktorand am Geologischen Institut, konnte während der Bauzeit des Basistunnels grundlegende Forschungsfragen beantworten (3). Er untersuchte unter anderem, welche Auswirkungen der Bau eines Tunnels auf das Grundwasser in der Region haben kann.

Der Bau des Lötschberg-Basistunnels erfordert eine ausgeklügelte Logistik. Im Bild die Baustelle Mitholz vor dem Tunneleingang. gross


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Stimmungsbild aus dem bereits ausgebrochenen Tunnel. (Bilder: BLS-Alptransit) gross

Wasser stellt bei dem Bau eines Tunnels allerdings nicht nur ein schützenswertes Gut dar, sondern kann auch selbst eine lebensbedrohliche Gefahr für die Mineure bedeuten. Einzelne Gebiete, wie beispielsweise die Doldenhorndecke, stellten beim Lötschberg-Bau besonders kritische Stellen dar (4). „Das Gefährliche an diesem Gebiet ist nicht das Gestein, sondern die teilweise wasserführenden Karststrukturen, welche die Kalkschichten durchziehen“, erklärt Marc Pesendorfer.

Schwierige Vorprognosen

Um den Vortrieb des Tunnels gewährleisten zu können, ohne das Leben der Arbeiter durch plötzliche Wassereinbrüche zu gefährden, waren geologische Vorprognosen unabdingbar. Die Durchführung solcher Vorprognosen stelle allerdings ein schwieriges Unterfangen dar, erklärt der Wissenschaftler. „Wo sich die Hohlräume genau befinden und wie viel Wasser sie bergen, kann nicht ohne weiteres bestimmt werden.“

Die wesentlichen Daten lieferte schliesslich ein hydrogeologisches Messverfahren, das von den Ingenieurgeologen der ETH entwickelt wurde. Mittels Vorbohrungen und einer Messung des Wasserdrucks im Bohrloch konnten präzise Vorhersagen über den inneren Zustand des Gebirges getroffen werden. Die Messung von charakteristischen Druckreaktionen ist nicht neu. Sie wurde beispielsweise bereits vor dem Bau des Basistunnels in der Erdölindustrie angewandt. „Neu war allerdings der Umstand, dass man dieses Verfahren in der Hydraulik beim Bau eines tiefliegenden Tunnels anwendet hat“, erklärt Marc Pesendorfer.

Vom Lötschberg nach Turin

Zu den wichtigsten wissenschaftlichen Erkenntnissen zählt für den Doktoranden in erster Linie, dass man Genauigkeit und Richtigkeit der Prognosen bewiesen habe. Obwohl die Forscher der ETH ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse noch kaum publiziert haben, sind ihre Erkenntnisse bereits auf internationales Interesse gestossen. So haben laut Marc Pesendorfer bereits die Beteiligten des Tunnelprojekt „Lyon-Turin“ mit den Wissenschaftlern der ETH Kontakt aufgenommen, da in diesem Gebiet ebenfalls mit dem Karstphänomen gerechnet werden muss.

Für den morgigen Durchschlag rechnet allerdings niemand mit unvorhergesehenen Phänomenen. Die Arbeit der Wissenschaftler der ETH wird wohl nicht im Zentrum stehen, wenn sich die Mineure rund 2000 Meter unter dem Lötschenpass die Hände reichen oder prominente Schweizer die Feierlichkeiten in Kandersteg eröffnen. Trotzdem war die Arbeit am Lötschberg auch für die ETH Wissenschaftler von grossem Wert. „Viele Erkenntnisse konnten wir nur in diesem Projekt gewinnen. Der Lötschberg stellte für mich eine einmalige Versuchsanlage dar“, sagt Marc Pesendorfer abschliessend.


Konferenz zur Geologie der NEAT-Tunnel

Im Rahmen des 150 Jahr-Jubiläums der ETH organisiert die Professur für Ingenieurgeologie eine einwöchige internationale Tagung zur Geologie der NEAT-Tunnelbauwerke. Die Konferenz setzt sich zusammen aus einer dreitägigen Tagung im Auditorium Maximum (26. - 28. September 2005) sowie ein- und zweitägigen Exkursionen in die Projektgebiete. Weiter Informationene unter: www.geat05.ethz.ch




Literaturhinweise:

Fussnoten:
(1) Die Website der BLS AlpTransit AG: www.blsalptransit.ch
(2) Die Website des Instituts für Bauplanung und Baubetrieb: www.ibb.baug.ethz.ch
(3) Die Website des Geologischen Instituts: www.erdw.ethz.ch
(4) "ETH Life"-Bericht über geologische Hindernisse im NEAT-Bau: www.ethlive.ethz.ch/articles/tages/NeatLoetschberg.html



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