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Rubrik: Science Life
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Publiziert: 05.09.2005 06:00

Symposium "Privacy and Security" zu Datenschutz und Biometrie.
Der Körper als Datenträger

Letzte Woche fand im Audimax zum zehnten Mal das von der ETH mitgetragene Symposium "Privacy and Security" statt. Die jährliche Tagung behandelt jeweils die neusten Entwicklungen rund um den Datenschutz. Die Schwerpunkte lagen dieses Jahr bei der Biometrie, dem Körper als Datenträger, sowie Zukunfts-Ausblicken aufs Jahr 2015.

Von Jakob Lindenmeyer

Unter den rund 150 Symposiums-Teilnehmenden, die sich letzten Mittwoch und Donnerstag im ETH-Hauptgebäude über die neusten Trends zu Sicherheit und Datenschutz informierten, befanden sich viele Juristen aus der öffentlichen Verwaltung. Statt sich im zehnten Jubiläumsjahr gegenseitig auf die Schulter zu klopfen, begannen die Organisatoren das diesjährige Symposium mit einer provokativen Frage und einem kritischen Blick zurück: „Wo wären wir ohne IT-Sicherheit?“

In seinem Eröffnungs-Vortrag beantwortete ETH-Privatdozent Hannes Lubich diese Frage mit der glücklicherweise nicht eingetroffenen Vision einer isolierten, teuren, kaum standardisierten und umständlichen Informatik-Infrastruktur, die nur wenigen Spezialisten zugänglich wäre.

Nischendasein statt Omnipräsenz

So hätten PCs und mobile Endgeräte ohne IT-Sicherheit und damit ohne Schutz gegen Viren, Würmer und Spams wohl nie die heutige Verbreitung zu derart günstigen Preisen und der gewohnt einfachen Nutzbarkeit erreicht. Die Netzwerke erreichten gerade durch ihre Offenheit und die gemeinsam genutzte „Lingua Franca“ TCP/IP und WWW ihre heutige Verbreitung und damit die kritische Masse, die sie auch für Privatanwender erschwinglich und attraktiv macht. Ohne IT-Sicherheit würden wohl auch die Netzwerke heute noch eher ein Nischendasein für spezialisierte Anwendungen fristen, wie vor zehn Jahren etwa AppleTalk oder DECnet.

Akzeptanz durch Vertrauen

Bei den Anwendungen würden hersteller-spezifische „fette“ Clients und Applikationen vorherrschen. Neue Ideen wie verteilte Anwendungen, Web-Services basierend auf mobilen Code-Elementen in Java oder ActiveX, sowie „Peer-to-Peer“ hätten sich ohne IT-Sicherheit hingegen kaum durchsetzen können. Aufgrund des grossen Misstrauens in Netzwerke wären dann auch heute selbstverständliche Anwendungen wie Online-Shopping, Auktionen und Internet-Banking kaum möglich gewesen. Denn, so Lubich, die Akzeptanz der Dienstleistungen basiere auf dem Vertrauen der Nutzer in die Korrektheit und Vertraulichkeit der zugrunde liegenden Dienste und Informationen.

Nach dem Einleitungs-Vortrag boten sich den Teilnehmenden zwei Vortragsreihen: „Lebbare und gelebte Informationssicherheit“ und „Der Körper als Datenträger“. (1) In letzterer informierten primär Beamte aus der Schweiz und aus Deutschland über neuste Entwicklungen in Biometrie und Datenschutz. So erläuterte etwa Ruth Reusser vom Bundesamt für Justiz anhand dreier Spezialgesetze das Konzept des Bundes. Da das Bundesgesetz zu den DNA-Profilen (2) bereits seit Jahresbeginn in Kraft ist und zu demjenigen über die Forschung am Menschen erst die Vernehmlassung beginnt, konzentrierte sich Reusser aufs Bundesgesetz über die genetischen Untersuchungen beim Menschen, das ab dem 1. Juni 2006 beispielsweise Vaterschafts-Abklärungen klarer regeln soll.

Schon heute Biometrie im Pass

Nach einem philosophischen Beitrag lieferte ETH-Alumnus Markus Waldner vom Bundesamt für Polizei praxisnahe Informationen zum Pilotprojekt „Biometrischer Reisepass“. Zwar sind schon im heutigen Pass biometrische Merkmale wie Gesicht, Grösse und Unterschrift vermerkt (siehe Foto oben rechts), doch neu sollen sie zusammen mit den Fingerabdrücken per RFID-Chip auch elektronisch lesbar werden.

Schneller und sicherer dank Automation

Die Vorteile der Biometrie liegen in einer effizienteren und effektiveren Verifikation der Identität, einer durchs elektronische Einlesen „automatisierten“ Grenzkontrolle und damit einer Verringerung von Wartezeiten. Zudem könnte die Identität bei Ausweis-Verlust sehr einfach festgestellt werden, beispielsweise über das Irismuster oder die Fingerabdrücke. Die Nachteile liegen in den hohen Kosten des biometrischen Passes von 250 Franken. Überdies können bei rund zwei Prozent der Bevölkerung die Fingerabdrücke kaum gelesen werden, was zu Diskriminierungen führen könnte.

Bereits ab dem 26. Oktober verlangen die USA für die visumsfreie Einreise bei neuen Pässen biometrische Daten. Die EU wird ab dem 28.8.2006 nur noch biometrische Pässe ausstellen. Und falls am 25. September das Personenfreizügigkeits-Abkommen angenommen wird, so würde die biometrische Daten ab 2008 auch in alle Schweizer Pässe Einzug halten. Bei vielen der unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung eingeführten Sicherheitsmassnahmen kann der Datenschutz kaum mithalten. So hat die Schweiz beispielsweise keinen Einfluss darauf, ob die USA systematisch alle biometrischen Daten der Einreisenden zur Erfassung gleich an ihre Geheimdienste weiterleitet. Denn jeder Staat darf seine eigenen Einreisebestimmungen festlegen.

Sensitive Bereiche auch an der ETH

Es waren solche Themen, die nach den Präsentationen jeweils zu Fragen und kontroversen Diskussionen mit dem Publikum führten. Auch etwa zur aktuellen Installation eines Fingerabdruck-Lesers in einem Zürcher Schwimmbad – das Beispiel im nachfolgenden Vortrag zum maschinenlesbaren Menschen. Ein Pausengespräch mit einem am Symposium teilnehmenden ETH-Mitarbeiter zeigte auf, dass es durchaus auch an der ETH einige datenschutzrechtlich sensitive Bereiche gibt. Dazu gehören etwa die von den Validierungs-Servern des WLAN-Funknetzes erfassten Daten darüber, wer wann und wo sich über welchen Rechner ins ETH-Funknetz einwählt. Datenschutzrechtlich interessanter sind wohl die von der ETH-Bibliothek erfassten Bücherausleihen. Solche Daten werden in den USA im Rahmen der Terrorbekämpfung bereits systematisch analysiert.


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Schon im heutigen Schweizer Pass finden sich biometrische Merkmale wie Gesicht, Grösse und Unterschrift, doch neu sollen sie zusammen mit den Fingerabdrücken per RFID-Chip auch elektronisch lesbar werden. gross

Mitorganisator und ETH-Professor Ueli Maurer erläuterte in seiner Präsentation die Probleme beim Ersatz der physikalischen Evidenz wie der Unterschrift auf Papierverträgen durch rein digitale Signaturen, Zertifikate und Zeitstempel. Diese hätten sich in der Praxis bisher kaum durchgesetzt, möglicherweise aufgrund fehlender internationaler Gesetzgebung, zuwenig Standardisierung, geringer Akzeptanz und Verständnis, einseitiger Interessenslage, sowie wegen ihrer hohen Abstraktheit und Komplexität.

Ueli Maurer
ETH-Professor Ueli Maurer informierte über die Probleme beim Ersatz der Unterschrift auf Papierverträgen durch rein digitale Signaturen. gross

„Die Privatheit wird schwinden“,

so das Fazit von Mit-Organisator Beat Rudin in seinem Zukunfts-Ausblick auf das Jahr 2015. Aufgrund neuer Technologien wie Sensoren, RFID und schneller Kommunikation wird die systematische Massen-Identifizierung von Menschen und Dingen immer einfacher. Das führt einerseits zwar zu mehr Sicherheit vor Fälschungen und Diebstahl, zu Erleichterungen im Alltag und genaueren Abrechnungen, beispielsweise durch Autoversicherungen, die dem Fahrstil angepasst werden. Und über dynamische Preisgestaltung könnten im Supermarkt ablaufende Lebensmittel automatisch reduziert und stark nachgefragte Waren verteuert werden.

Überwachung unterdrückt Kreativität

Allerdings führen solche Entwicklungen auch zu einer allgegenwärtigen Überwachung, was wiederum zu Anpassungs-Druck führt, und bei Sanktionierung von Abweichungen gar Nonkonformität und Kreativität unterdrückt. Wenn diese neuen Technologien nicht datenschutzrechtlich reguliert werden, könnte dies zukünftig durch verstärkte Aussonderung und Diskriminierung zu grossen sozialen Problemen führen. Das Ziel der nächsten Jahre besteht darin, bei der Anwendung der neuen Technologien eine Balance zu finden zwischen Sicherheit und Komfort auf der einen Seite, sowie Privatheit, Freiheit und Autonomie auf der anderen Seite.

Diese Balance auszuloten war dann auch das Ziel der abschliessenden Panel-Diskussion. Moderator Hannes Britschgi eröffnete die Diskussionsrunde mit der Einleitungsfrage: „Nimmt der Mensch sich die Freiheit, auf Privatheit zu verzichten, wenn ihm dafür Sicherheit versprochen wird?“ Der Sicherheits-Hardliner Kurt Wasserfallen von der Berner FDP strich in seiner Antwort den hohen Wert der physischen Sicherheit des Menschen heraus. Zudem lobte er seine präventive „Abarbeitung“ von Randständigen durch erkennungsdienstliche Behandlungen und Wegweisungen während der von ihm geleiteten „Aktion Citro“. Nationalrat Daniel Vischer von den Grünen hingegen beurteilte Wasserfallens Aktion aufgrund fehlender gesetzlicher Grundlagen als völlig unverhältnismässig und darum als nicht zulässig.

Sicherheits-faschistischer Zeitgeist

Soziologie-Professor Kurt Imhof versuchte durch historische Rückgriffe auf die alten Griechen einen Ausweg aus dem „sicherheits-faschistischen Zeitgeist“ zu finden, der heute herrsche. Die dadurch bewirkte zunehmende Einschränkung der Freiheit zeigt sich für Alfred Büllesbach, dem Datenschutz-Beauftragten von DaimlerChrysler etwa in der völlig selbstverständlichen Diskussion über den Einsatz staatlicher Folter in einem Entführungsfall in Deutschland und vor allem in der Terrorbekämpfung der USA. Für diese Freiheiten und Grundrechte hätten die Generationen vor uns Jahrhunderte lang gekämpft. „Jetzt können wir nicht einfach nach dem 11. September alles in sechs Wochen über den Haufen schmeissen“, so Büllesbach.

Doch mit zunehmender zeitlicher Entfernung von solchen Terror-Ereignissen sinke die Zustimmung der Bürger zu Freiheitsbeschränkungen wie denjenigen im amerikanischen Patriot Act. Sowieso hätten wir eigentlich gar keine Sicherheit, denn das Leben sei prinzipiell unsicher. Doch Sicherheit werde in der heutigen Zeit immer stärker politisiert und internalisiert. Das sei heute das eigentliche Problem.


Literaturhinweise:
Website des Symposiums "Privacy and Security":www.privacy-security.ch/

Fussnoten:
(1) Detailliertes Programm des Symposiums "Privacy and Security": www.privacy-security.ch/2005/deutsch/programm/
(2) Bundesgesetz über die Verwendung von DNA-Profilen im Strafverfahren und zur Identifizierung von unbekannten oder vermissten Personen (DNA-Profil-Gesetz, SR 363): www.admin.ch/ch/d/sr/c363.html



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