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Rubrik: Science Life
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Publiziert: 14.06.2005 06:00

ETH-Forscher zu neuer Fliegenforschung
Sexuelle Orientierung ein und aus

(cm) Das Männchen folgt dem Weibchen, klopft sanft mit seinen Vorderbeinen auf ihren Rücken, umwirbt sie mit Flügelmusik, leckt danach ihre Genitalien, um schliesslich ihren Rücken zu kräuseln, damit sie eine Begattung zulässt. Dieses ausgefeilte Ritual beschreibt das Verführungsprogramm eines Taufliegenmännchens. Programm? Die Metaphorik scheint gerechtfertigt. Denn kürzlich zeigte eine Wiener Forschungsgruppe, dass ein einzelnes Gen als Schalter dient, um das Paarungsverhalten der männlichen Drosophilas zu aktivieren (1).

Die Wissenschaftler in Österreich untersuchten dafür das Gen fruitless. Dieses wird in den beiden Geschlechtern verschieden prozessiert, beziehungsweise verschieden gesplict, wie es im Fachjargon heisst. Wurden nun Fliegenweibchen gentechnisch so verändert, dass sie das männliche Genprodukt herstellten, so verhielten sie sich wie Männchen. Sie machten also Geschlechtsgenossinnen den Hof wie die besten Drosophila-Casanovas, ausser dass sie weniger leckten. Auf der anderen Seite erlosch das Interesse an Weibchen, wenn Taufliegenmännchen manipuliert wurden, so dass sie ein weibliches fruitless-Genprodukt herstellten.

Die beschriebene Forschung sei elegant gemacht und spannend, doch sei er nicht grundsätzlich überrascht, dass ein komplexes Verhalten durch ein einzelnes Gen gesteuert werde, meint der ETH-Evolutionsbiologe Paul Schmid-Hempel (2). So wisse man von Bienen oder Mäusen, dass ganze Verhaltenskomplexe durch ein einzelnes Gen gesteuert würden. In unangenehmer Weise zeige sich das aber auch beim Menschen bei Erbkrankheiten wie Chorea Huntington.


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Wichtig sei zu beachten, dass es keinen notwendigen Zusammenhang gebe zwischen der Einstufung als „komplex“ aus menschlicher Sicht und dem genetischen Mechanismus für ein entsprechendes Merkmal. So könne eine simple lineare Anordnung von so genannten Homeoboxen im Genom eine enorme Vielfalt von Bauplänen hervorrufen.

Die neue Arbeit wirft für den ETH-Wissenschaftler prinzipiell kein neues Licht auf die Diskussion um Anlage und Umwelt. Innerhalb der Biologie sei man sich nämlich einig, dass der Phänotyp ein Produkt von Umwelt und Genen ist. Bei den einzelnen Merkmalen gehe es letztlich nur darum herauszufinden, wie stark der jeweilige Anteil sei. Viel interessanter sei zu erörtern, ob genetische Schalter wie der, welcher in der neuen Publikation beschrieben wird, oft in Lebewesen vorkommem und in welchem Zusammenhang. Als Evolutionsbiologe frage er sich auch, welchen Vorteil bezüglich des Überlebens eine solche Regulationsform bringe. Damit verknüpft sei auch die Frage, welche Merkmale in welchen Organismen es sich „leisten“ können, durch solch einfache Prozesse gesteuert zu werden. Denn möglicherweise lohne es sich nicht für alle Arten beim Paarungsverhalten so einfach gestrickt zu sein.

Übrigens, der Leiter der Wiener Forschungsgruppe ist Barry Dickson. Seine Doktorarbeit führte er 1992 in Zürich beim designierten ETH-Präsidenten Ernst Hafen durch. Er übernahm später auch eine Forschungsgruppe an der Universität Zürich, bevor er nach Österreich ging.


Fussnoten:
(1) Demir E, Dickson BJ.: „fruitless Splicing Specifies Male Courtship Behavior in Drosophila“ Cell. 2005 Jun 3;121(5):785-94.
(2) Experimental Ecology, Theoretical Biology: www.eco.ethz.ch/index.html



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