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Rubrik: Science Life |
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Aufstrebender Wissenschaftszweig Bio als Baukasten-Prinzip |
Morgen Freitag erlebt die ETH Zürich eine Premiere: Das erste europäische Symposium, das sich mit „Synthetischer Biologie“ befasst. Der aufsteigende Wissenschaftszweig beflügelt die Fantasie der Forscherinnen und Forscher - und beschäftigt bereits die Ethiker. Sie schnitten gut ab, die 12 jungen Forscherinnen und Forscher der ETH Zürich, die sich im letzten Herbst in einem Wettbewerb in Synthetischer Biologie der internationalen Konkurrenz stellten. Die Herausforderung bestand darin, in einer lebenden Zell eine neuartige Funktion, ganz aus biologischen Bausteinen, zu entwerfen und zu implementieren. Die Studierenden entwarfen einen Zähler, der von 0 bis unendlich zählen sollte. Ganz umsetzen konnten sie diesen Plan nicht. Um das Prinzip zu beweisen, begnügte sich die interdisziplinäre Gruppe schliesslich mit einer Zählmaschine, die bis zwei zählen konnte. Obwohl der kleine Apparat nicht rechtzeitig fertig wurde, erhielten die ETH-Forscher am Wettbewerb in Boston mehrere Auszeichnungen. (1) Interdisziplinarität in Reinkultur Beteiligt an dieser Arbeit waren neben Biologen auch Maschineningenieure, Informatiker, Elektrotechniker - insgesamt sind Forschende aus sechs Departementen involviert. Das ist bereits ein Indiz dafür, dass Synthetische Biologie mehr verlangt als „nur“ biologisches Wissen. Das widerspiegelt sich auch im Panel des ersten Symposiums über Synthetische Biologie von morgen Freitag an der ETH (s. Kasten). Organisiert wird es von Sven Panke und Jörg Stelling. Ersterer ist Assistenzprofessor für Bioverfahrenstechnik, letzterer für Bioinformatik. Beide gehören zu den treibenden Kräften an der ETH, welche die Synthetische Biologie bekannter machen wollen, selbst aber nicht aus dem Departement Biologie stammen. Synthetische Biologie kreuzt Ansätze aus den Ingenieur-Wissenschaften und der Informatik mit der Biologie. Ziel dieses noch jungen Forschungszweigs ist es, aus natürlichen Bauteilen Geräte zu planen und zu bauen, als ginge es darum, einen Radio mit genau charakterisierten und standardisierten Transistoren, Widerständen und Lautsprecher-Bestandteilen zu basteln. Biologie im Baukasten-Prinzip, Maschinchen mit austauschbaren Bestandteilen, je nach Bedarf der Benutzer und Verbraucher. (2) Normierte DNA Bereits gibt es Norm-Bauteile für designte Biosysteme. Wissenschaftler des MIT unter der Federführung des Bioingenieur-Pioniers Drew Endy haben damit begonnen, ein Verzeichnis für so genannte BioBricks zu führen. Diese BioBricks sind kurze DNA-Abschnitte, die entweder eine bestimmte Funktion haben oder die ein bestimmtes Protein kodieren, welches seinerseits bestimmte Funktionen erfüllt. Bis jetzt enthält diese Datenbank über 2000 solcher normierter DNA-Bauteile(3)
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Wie viele andere Wissenschaftler auch sind auch Jörg Stelling und Sven Panke vom Potenzial der neuen Wissenschaftsrichtung - mit gewissen Vorbehalten - überzeugt: „Synthetische Biologie eröffnet uns Riesenmöglichkeiten. Es ist noch gar nicht abzusehen, wo überall das Einfluss haben könnte“, sagen sie. Fotoplatte aus Bakterienrasen Viele Prinzipien der Synthetischen Biologie funktionieren bereits. Studierende der University of Texas stellten mit lichtempfindlichen Escherichia coli-Bakterien eine Fotoplatte her, auf der sie zahlreiche Bilder festhalten konnten. Ron Weiss von der Princeton University hat Bakterien so manipuliert, dass sie auf ein Signal hin entsprechend ihrer Position relativ zu dem Signal in verschiedenen Farben leuchten. Vieles ist noch Zukunftsmusik. Stelling spricht unter anderem vom „doctor in the cell“, von einer abgeänderten Zelle, die eine Krebserkrankung frühzeitig erkennen und bekämpfen könnte. Auch könnten künstliche Systeme in Anlehnung an die Photosynthese der grünen Pflanzen geschaffen werden, die mit hohem Wirkungsgrad Energie herstellen. „Diese wären viel effizienter als aktuelle Solarenergie-Systeme“, sagt der Bioinformatiker. Interessiert sind die Forscher auch an Bakterien, denen man bestimmte Module einbauen kann. Diese würden die Mikroorganismen befähigen, Giftstoffe aus Industrieabfällen abzubauen oder neue, komplexe Moleküle aufzubauen. „Wir sind allerdings noch weit davon entfernt. Im Moment können wir erst zeigen, welche Prinzipien funktionieren“, räumt Stelling ein. „Aber die Vision ist mächtig genug, um sich da in Geduld zu üben. Man überlege sich nur, was aus der Elektrophysik geworden ist, seit sich die Elektrotechniker ihrer bemächtigt haben“, sagt Sven Panke. Ethische Debatte früh führen Und man sollte auch auf die Gefahren hinweisen. So faszinierend das neue Forschungsgebiet ist, das Wissen könnte sich auch missbrauchen lassen, zur Herstellung neuer Biowaffen etwa, oder besonders gefährlicher Viren. Am morgigen Symposium an der ETH wird deshalb neben den Synthetic Biology-Pionieren Drew Endy (MIT), Ron Weiss (Princeton) und Luis Serrano (EMBL), die eine Einführung in die Grundzüge der Synthetischen Biologie geben und ihre Arbeit vorstellen, Philosophieprofessor Peter Schaber von der Universität Zürich die ethischen Bedenken offen legen. Wichtig sei, diese Bedenken ernst zu nehmen und diese frühzeitig in die Forschung einzubinden, so Stelling. |
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