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Rubrik: Science Life
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Publiziert: 15.04.2005 06:00

VEGF-A und Tumorausbreitung
Der Weg zu Metastasen

Das Wachstum von Lymphgefässen spielt eine wichtige Rolle bei der Metastasenbildung von Tumoren. Eine ETH-Studie zeigt, dass das Protein VEGF-A dabei eine zentrale Rolle einnimmt. Das verspricht auch neue Therapieansätze.

Von Christoph Meier

Der Samen fällt auf einen fruchtbaren Boden. Mit diesem Bild – das für Betroffene zynisch klingen mag – wird in der Krebsforschung die Ausbreitung eines Tumors beschrieben. Gemäss diesem „Seed and Soil“-Modell verteilen sich Krebszellen ausgehend von einem primären Tumor über den ganzen Körper, bilden aber nur in geeigneten Organen Metastasen. Doch wie kommt es zur Eignung? Eine Antwort, welche eine weitere Perfidie der Krankheit aufzeigt, lautet: Indem der Tumor das Organ vorbereitet. Diesen Schluss legt eine neue Studie aus der Forschungsgruppe des ETH-Professor für Pharmacogenomics, Michael Detmar, nahe (1). Diese erschien in der letzten Nummer des Journal of Experimental Medicine erschien und zierte dort auch das Titelbild (2).

Erhöhtes VEGF-A, mehr Tumore

Ihre neuen Einsichten gewannen Detmar und seine Mitarbeiter, als sie die Rolle des Proteins VEGF-A untersuchten. Das taten sie mit Hilfe von zwei Mäusegruppen. Die eine war transgen, so dass sie mehr VEGF-A produzierte als die Kontrollgruppe. Ein erster Befund war, dass die transgenen Tiere schneller mehr sowohl gutartige als auch bösartige Hauttumore entwickelten. Die Umwandlungsrate von den gutartigen zu den bösartigen war aber in beiden Mäusegruppen vergleichbar. Das deutet darauf hin, dass VEGF-A einfach beschleunigend wirkt.

Beide Mäusestämme wiesen ein verstärktes Gefässwachstum in den Tumoren auf verglichen mit Hautabschnitten, die wohl mit kanzerogenen Chemikalien behandelt worden waren, aber keine Tumore entwickelt hatten. Die VEGF-A-lastigen Tieren entwickelten überraschenderweise eine erhöhte Anzahl grösserer Lymphgefässe rund um die Tumore. Diese Gefässe enthielten auch den Rezeptor für VEGF-A.

Lymphgefässbildung vor Metastasen

Doch damit war natürlich die Ausbreitung der Tumore noch nicht geklärt. Eine weitere Analyse ergab, dass bei den transgenen Tieren mehr Tumorzellen in den Wächterlymphknoten einwandern, dem Lymphknoten der am nächsten beim Tumor liegt. Die VEGF-A-Mäuse entwickelten in anderen Lymphknoten auch zweimal so häufig Metastasen. Dazu kamen noch zwei weitere Befunde: Erstens wiesen die transgenen Tiere in den noch krebsfreien Lymphknoten ein erhöhtes Lymphgefässwachstum auf. Zweitens entwickelten diese Mäuse weiterhin Lymphgefässe in Lymphknoten, auch wenn diese bereits Metastasen enthielten.


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Aufschlussreiche Bilder: Transgene Mäuse zeigen in Lymphknoten ohne Metastasen (D) mehr Lymphgefässe (rot) als die Kontrollgruppe (C). Diese Tiere entwickeln auch mehr Blut- (grün) und Lymphgefässe in Lymphknoten mit Metastasen (F) (Kontrolle (E)). (Balken = 100 Mikrometer). Bild: Michael Detmar. gross

„Unsere Befunde geben dem 'Seed and Soil’-Modell eine neue Wendung“, meint Michael Detmar. Ihre Arbeiten würden zum ersten Mal zeigen, das Tumore Lymphgefässwachstum in Lymphknoten induzieren. Das ergänzt die Erkenntnisse, welche die Forscher bereits 2001 in „Nature Medicine“ publizierten (3). Damals zeigte Detmar, dass Metastasenbildung im Wächterlymphknoten durch Lymphgefässwachstum im Tumor gefördert wird. Angesprochen darauf, wie weit die Situation in den transgenen Mäusen einer klinischen entspreche, meint Detmar: „In diesen Tieren sind die Konzentrationen von VEGF-A im Tumorgewebe ähnlich wie bei vielen humanen Tumoren.“ Zudem wiesen die bisherigen Erfahrungen und Studien auf eine Korrelation zwischen dem Level von VEGF-A und der Aggressivität des Tumors hin

Fortschritt für Prognose, eventuell auch für Therapie

Doch brauchen alle Tumore Lymphgefässwachstum, um Metastasen zu bilden? Wahrscheinlich sei das nicht für alle Tumortypen von gleicher Bedeutung, mutmasst Detmar. In einer gerade erschienenen Publikation in „Modern Pathology“ hätte er jedoch erstmals an menschlichen bösartigen Melanomen der Haut demonstriert, dass das Ausmass des Lymphgefässwachstums in den Tumoren eine exakte Prognose über das Vorliegen von Metastasen im Wächterlymphknoten erlaubt (4).

Da anscheinend eine solide Prognose für die gefährliche Ausbreitung des Hautkrebses möglich ist, stellt sich die Frage nach der frühzeitigen medikamentösen Intervention. In ihrer Publikation erwähnen die Forscher, dass das Medikament Bevacizumab, das VEGF-A blockiert, eventuell bereits die Metastasenbildung verhindern könnte. Bis anhin wurde es jeweils bei Dickdarm- und Nierenkrebs jeweils erst nach Metastasenbildung eingesetzt. Detmar selbst will die frühzeitige Intervention nicht anhand eines direkten Angriffs auf VEGF-A erforschen. In laufenden Arbeiten versucht er, den Rezeptor von VEGF-A zu hemmen. Dabei hofft er, dass er auch bereits existierende Lymphknotenmetastasen beeinflussen kann


Fussnoten:
(1) Michael Detmar ist Professor für Pharmacogenomics am Institut für Pharmazeutische Wissenschaften: www.pharma.ethz.ch/en/research_units/pharmacogen/home.pharmacogen.html
(2) Hirakawa et al: "VEGF-A induces tumor and sentinel lymph node lymphangiogenesis and promotes lymphatic metastasis." J. Exp Med. 2005 Apr 4;201(7):1089-99.
(3) Skobe et al: "Induction of tumor lymphangiogenesis by VEGF-C promotes breast cancer metastasis". Nat Med. 2001 Feb;7(2):192-8.
(4) Dadras et al: "Tumor lymphangiogenesis predicts melanoma metastasis to sentinel lymph nodes"; Modern Pathology (2005)



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