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Rubrik: Science Life
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Publiziert: 09.09.2005 06:00

Pflanzenwissenschaftler der ETH präsentieren Resultate des umstrittenen Freilandversuchs
Resistenz gegen Stinkbrand nachgewiesen

Das Feldexperiment mit transgenem Weizen, das während mehrerer Jahre so viel Staub aufgewirbelt hat, ist gelungen. Die Resultate liegen vor und wurden am Donnerstag an einer Pressekonferenz an der ETH vorgestellt.

Peter Rüegg

Fünf Jahre lang haben sich ETH-Forscher, BUWAL und Umweltschützer um die Bewilligung für einen Feldversuch mit gentechnisch verändertem Weizen einen Schlagabtausch geliefert (1). 2004 wurde der Versuch schliesslich durchgeführt. Und gestern Donnerstag präsentierte Versuchsleiter Christof Sautter vom Institut für Pflanzenwissenschaften der ETH seine Erkenntnisse.

„Mit den Ergebnissen bin ich sehr zufrieden“, sagt Sautter. Jede zehnte Weizenpflanze mit dem fremden Gen habe die erhoffte Resistenz gegen den Stinkbrandpilz entwickelt. Das klingt nach wenig. Im Gewächshaus war es ein knappes Drittel. Für Sautter ist dies dennoch ein wissenschaftlicher Erfolg. Denn die Ergebnisse von Gewächshaus und Freiland sind selten vergleichbar, weil sich die Wachstumsbedingungen für die Pflanzen stark unterscheiden. Der Beleg dafür ist, dass unter Freilandbedingungen teils völlig andere Gene aktiv sind als im Gewächshaus. Gerade deshalb sei es nötig, die Pflanzen unter naturnahen Bedingungen zu testen. Und deshalb schätzt der Pflanzenforscher seine Resultate auch hoch ein: „Auf den Erkenntnissen, die wir gewonnen haben, kann die weitere Forschung nun aufbauen“.

Scharfe Sicherheitsbestimmungen

Die Sicherheitsbestimmungen für den Versuch waren rigoros. Wichtig für Sautter ist deshalb auch, dass die Untersuchungen zur Biosicherheit keine der vorausgesagten Risiken bestätigt haben. So konnten die Wissenschaftler zum Beispiel keine Hinweise finden, dass die transgenen Versuchspflanzen auf Weizen in der Umgebung oder auf andere Gräser auskreuzten. Sie stellten auch keine erhöhte Antibiotikaresistenzen bei den Bodenbakterien fest. Die Forscher liessen den Boden zudem auf Reste der Erbsubstanz des transgenen Weizens untersuchen. Befund: Die Bruchstücke von Weizen-DNS liessen sich zwar nachweisen, nicht aber die der Transgene. Vier Wochen nach dem Ende des Versuchs waren auch von der Weizen-Erbsubstanz nur noch Spuren vorhanden. „Die DNS wird im Boden rasch und fast vollständig abgebaut“, schliesst Sautter daraus. Die Bodenproben untersuchte das Kantonslabor Basel. Im Frühjahr 2006 wird der Boden das letzte Mal nach Resten der Transgene untersucht.

Buwal beurteilt Versuch positiv, Greenpeace bleibt skeptisch

Die Sicherheitsmassnahmen beim Freisetzungsversuch hätten sich bewährt, schreibt deshalb auch das Buwal in seiner Pressemitteilung. Es habe trotz schwierigen Situationen nie einen Grund gegeben, den Versuch abzubrechen. Zudem seien wertvolle Erkenntnisse zur Biosicherheit gewonnen worden. Insbesondere sei der Einsatz von männlichen sterilen Pflanzen als Überwachungsmassnahmen des Pollenflugs zu empfehlen.

Greenpeace indes blieb skeptisch. In ihrer Medienmitteilung warnte die Umweltorganisation vor dem „Risiko-Konstrukt Gentech-Weizen“. Die Bedenken, welche die Kritiker im Vorfeld gegen den Versuch äusserten, hätten die nun veröffentlichten Auswertungen nicht zerstreuen können. Es bleibe unklar, ob die eingebaute Stinkbrand-Resistenz im Freiland dauerhaft stabil sei. Gentech-Weizen bleibe deshalb unberechenbar und mit Risiken behaftet.

Massive Mehrkosten

Der Feldversuch wurde im Frühling und Sommer 2004 auf der ETH-Versuchsstation Lindau-Eschikon durchgeführt. Weshalb präsentieren die Forscher die Ergebnisse erst jetzt? Mit der Veröffentlichung der Daten habe er der Publikation in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift nicht vorgreifen dürfen, sagte Christof Sautter. Die Resultate werden jetzt in der nächsten Ausgabe des „Plant Biotechnology Journal“ erscheinen. Vorerst ist die Arbeit auf der Website dieser Fachzeitschrift veröffentlicht.


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Die Vogelnetze hielten dicht: Selbst Hagel konnte den Freilandversuch mit gentechnisch verändertem Weizen nicht mehr verhindern: (BIld: C. Sautter/IPW). gross

Das Seilziehen um diesen Versuch hat die Forscher viel Zeit gekostet. 1999 reichte die Forschungsgruppe dem BUWAL ihr erstes Gesuch ein. Ende Februar 2004 konnte sie, trotz juristischen Grabenkämpfen und heftiger Gegenkampagne von Greenpeace, den transgenen Weizen aussähen. Entstanden sind dadurch Mehrkosten von 600'000 Franken, einerseits durch die notwendige Verlängerung des Projekts, andrerseits durch Anwalts- und Gerichtskosten. 50'000 Franken kosteten allein die Bodenuntersuchungen des Kantonslabors Basel. Ausserordentliche Sicherheitsmassnahmen am Versuchsstandort in Lindau blähten das Budget zusätzlich auf.

Keine Freisetzungsversuche mehr geplant

Dass die Schulleitung der ETH die Durchführung des Versuchs unterstützte, hat ihr harsche Kritik eingetragen. „Wir haben den gesellschaftlichen Auftrag zu forschen und Erkenntnisse zu schaffen“, wehrte sich Ulrich W. Suter, Vizepräsident Forschung der ETH, an der Pressekonferenz für den Freilandversuch. Die Gentechnik sei ein kontroverses Thema und werde von ihren Gegnern sehr emotional dargestellt. Wichtig sei für ihn, dass die Ergebnisse eindeutig waren. „Darauf kann die weitere Forschung aufbauen“, sagt er. Suter ist überzeugt davon, dass dieser Versuch dem Image der ETH längerfristig nicht schadet, sondern sogar nützt. Die ETH dürfe sich nicht durch den vorherrschenden politischen Wind von ihren Vorhaben abbringen lassen. Weitere Freisetzungsversuche hat die ETH trotzdem nicht geplant. Der Weizenversuch hat in den Köpfen der Beteiligten mehr Spuren hinterlassen als auf dem Versuchsfeld in Lindau.


Modellsystem Stinkbrand: Das Prinzip des Gen-Weizens

Weizen ist anfällig für den Stinkbrand (Tilletia caries), ein Pilz, der als Spore auf dem Weizenkorn klebt und den Keimling infiziert. Der Stinkbrand nistet sich in den Körnern ein, wo er seine Sporen bildet. Anstelle der Stärke entstehen Millionen von Brandsporen in den so genannten Brandbutten. Beim Dreschen werden die Sporen als schwarzes Pulver in die Umgebung entlassen. Bei grossem Befall – in schlechten Jahren kann bis zur Hälfte der Pflanzen befallen sein - entsteht eine Sporenwolke, die wie Rauch aussieht und dem Pilz zu seinem Namen verholfen hat. In der konventionellen und integrierten Landwirtschaft muss das Saatgut deshalb mit Fungiziden gebeizt werden, um den Pilz abzutöten. Der Stinkbrand dient in dem Nationalfondsprojekt als Model.

Im Versuch mit dem transgenen Weizen wollten die ETH-Forscher testen, ob die Weizenpflanze mit Hilfe eines Fremdgens Abwehrstoffe gegen Brandpilze bilden kann und damit spezifisch nur Brandpilze abwehrt. Das Gen stammt von einem Virus, welches das Killerprotein KP4 herstellt. Das Virus selbst lebt im Mais-Beulenbrand, einem Pilz, der Mais befällt. Mit KP4 wehrt der Beulenbrand andere Brandpilze ab, die mit ihm um diesselbe Wirtspflanze konkurrieren. Diesen Mechanismus haben die Pflanzenwissenschaftler auf den Weizen übertragen, indem sie das KP4-Gen ins Weizengenom eingebracht haben. Damit soll ein Abwehrsystem studiert werden, das spezifisch nur Krankheitserreger trifft, ökologisch wichtige andere Pilze jedoch unbehelligt lässt.




Fussnoten:
(1) siehe z.B. "ETH Life"-Bericht vom 1.3.04: UVEK: Ja zu Gentech-Versuch der ETH: www.ethlife.ethz.ch/articles/uvekentsch04.html



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