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Rubrik: Science Life
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Publiziert: 20.12.2002 06:00

Eine von der ETH mitentwickelte Zahnbürste erhielt 2 Designpreise
Zähne im Griff

Ein ETH-Institut macht sich auf die Suche nach der perfekten Zahnbürste, zuerst bei Kleinkindern, dann bei Studierenden. Jetzt wurde ihre ergonomische Bürste mit zwei Preisen ausgezeichnet.

Von Jakob Lindenmeyer

Das Forschungsgebiet mag auf den ersten Blick exotisch erscheinen: Die Gruppe um den 44-jährigen Physiker und Ergonomen Marino Menozzi vom Institut für Hygiene und Arbeitsphysiologie der ETH Zürich untersucht Ergonomie und Design des Alltagsinstruments "Zahnbürste". Doch beim näheren Betrachten der Resultate und durch Testen der an der ETH entwickelten Prototypen wird schnell klar: Bei der Zahnpflege gibt es noch Verbesserungspotential. Die Industrie sponsert die entsprechenden ETH-Projekte darum auch mit Drittmitteln in sechsstelliger Höhe.

Vorliebe für Kauflächen

In einer ersten Studie untersuchte Menozzis Team mit Videoanalysen, Verhaltenstests und Elternbefragungen das Zähneputzen bei zwei- bis vierjährigen Kleinkindern. So besuchte ein Versuchsleiter Zürcher Kinderhorte und instruierte dort die Kleinkinder in der KAI-Putzmethodik: Vier Kau-, drei Aussen- und sechs Innenflächen. Der Versuchsleiter verglich sodann das spontane mit dem instruierten Putzen und stellte dabei eine besondere Vorliebe für die Kauflächen fest. Beim "freien" und spontanen Putzen vorgängig zur Instruktion kümmerte sich eine Mehrheit der Kinder nur um die einfach zu reinigenden Kau- und Aussenflächen. Die wesentlich schwierigeren Zahn-Innenflächen wurden vorne nur selten und seitlich von keinem einzigen der 38 untersuchten Kinder geputzt.

Eltern sollten Nachputzen

Gezieltes Vorzeigen führte dazu, dass alle Kinder zusätzliche Zahnflächen reinigten. Die anspruchsvollen Putzbewegungen für die Innenflächen konnten aber erst ab dem vierten Lebensjahr gezielt instruiert werden. "Damit bereits Vorschulkinder lernen ihre Zähne richtig zu pflegen, sollte man sie motivieren und altersgerecht instruieren", rät Versuchsleiter Menozzi. Ausserdem sollten die Eltern jeweils gründlich nachputzen, insbesondere die Innenflächen.

Die neuste ETH-Studie untersucht die Auswirkungen auf Druck und Griffart bei der Zahnreinigung gross


Ergonomie: Arbeitsbelastung als Wissenschaft
Die Ergonomie ist die Lehre von den Belastungen durch Arbeit und damit ein Teilgebiet der Arbeitswissenschaft. Sie versucht durch Analyse und Gestaltung der technischen, organisatorischen und sozialen Bedingungen von Arbeitsprozessen die Arbeit des Menschen an dessen physische und psychische Möglichkeiten anzupassen. Dabei werden sowohl Konzepte zu einer körpergerechten Gestaltung der Arbeitsplätze entwickelt als auch die Humanisierung der Arbeit gefordert, beispielsweise durch Beschränkung der menschlichen Beanspruchung durch Arbeit auf ein zulässiges Mass.



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Das Resultat der ETH-Studien: Die mit dem "Red Dot Award" und dem "Good design award 2002" ausgezeichnete elmex Lernzahnbürste. gross

Knaben brauchen Zusatzmotivation

Die Auswertung einer schriftlichen Elternbefragung führte zu weiteren Befunden. So beginnen beispielsweise die meisten Kinder zu spät mit der Zahnpflege. Zahnärzte empfehlen, bereits ab dem ersten Zahn zu putzen. Auch sollten die Zähne mindestens einmal täglich gereinigt werden. Motivieren sollte man dazu insbesondere die Knaben, denn sie putzen ihre Zähne im Schnitt wesentlich kürzer als Mädchen. Mögliche Ursachen könnten ein höherer Anspruch der Eltern an die körperliche Hygiene der Mädchen sein, oder die nachahmenswerte mütterliche Vorbildfunktion.

Geschlechtsunterschiede zeigten sich auch bei der Händigkeit: Während fast alle Mädchen nur die rechte Hand benutzten, wählen ein Viertel der Knaben die linke oder beide Hände. Die optimale Zahnbürste sollte darum eine Symmetrie für beide Hände aufweisen. Zusätzlich benötigt sie eine Taillierung, als Anpassung an die Grösse der Kinderhand sowie die nachhelfende Erwachsenenhand.

Von der Videoanalyse zum Produktedesign

Die wissenschaftlichen Erkenntnisse der ETH-Forschungsgruppe flossen in die Entwicklung einer optimierten Lernzahnbürste durch eine deutsche Industriedesignerin. Spezielle Merkmale sind die runde, ergonomische und symmetrische Griffform, der kleine abgerundete Bürstenkopf, sowie speziell für Kinder: eine farbig-peppige Gestaltung mit Dinos und Bärchen, sowie Sonne, Mond und Sterne (siehe Foto oben).

Ausgezeichnete "Zahnbürstenforschung"

Im Sommer wurden diese Lernzahnbürsten mit einem der renommiertesten Preise der internationalen Designszene ausgezeichnet: Dem "Red Dot Award". Zusätzlich erhielt die Bürste Ende November noch den "Good design award 2002" des Museum of Architecture and Design in Chicago. Marino Menozzi freut sich ganz besonders, gleich zwei Designpreise erhalten zu haben: "Das bestätigt, dass man wissenschaftliche Erkenntnisse alltagstauglich und trotzdem ästhetisch umsetzen kann."

Studis als Versuchskaninchen

In Menozzis neuster Studie geht es momentan weniger um Ästhetik: Die an der ETH entwickelten Zahnbürsten-Prototypen wirken noch grau und langweilig. (siehe Foto links). Doch kaum in die Hand genommen, zeigen die neuen Prototypen wie angenehm die Zahnreinigung sein könnte. Als "Versuchskaninchen" dienen diesmal nicht Kleinkinder, sondern Studierende - unter anderem auch der Autor. Während zweimal vier Tagen vergleichen die Versuchskaninchen das "Bürsteln" mit verschiedenen Prototypen.

Alles im Griff

Zumindest für den Autor zeigen sich zwischen den verschiedenen Bürstentypen frappante Unterschiede im Putzkomfort. Mit dem einen Griff lassen sich die Zähne wesentlich bequemer und entspannter putzen als mit dem andern. Die neue "Wunderbürste" sorgt für eine gründlich Reinigung bis in die hintersten Winkel. Und auch über das subjektive Sauberkeitsempfinden im eigenen Mund kann man nur staunen.

Fazit: Zähneputzen ist eben nicht gleich Zähneputzen.


Literaturhinweise:
Website der ETH-"Zahnbürstenforschung": www.zahnbuerstenergonomie.ethz.ch



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