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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 29.10.2002 06:00

Interview mit der neuen ETH Immunologie-Professorin Annette Oxenius
Im Kampf gegen AIDS

Die neusten Schweizer HIV-Infektionsraten sind alarmierend: das Bundesamt für Gesundheit prognostiziert für 2002 eine Zunahme von über 20 Prozent. Nach stetiger Abnahme in den neunziger Jahren sei dies eine Trendwende. "ETH Life" sprach mit der Immunologie-Professorin Annette Oxenius, die an der ETH neu ein Labor für AIDS-Forschung aufbaut. Kürzlich referierte sie an der 50-Jahr-Feier des Nationalfonds (siehe Kasten).

Von Jakob Lindenmeyer

Was motiviert Sie eigentlich, speziell über die Immunschwächekrankheit AIDS zu forschen?

Annette Oxenius: Während meiner ganzen Ausbildung habe ich mich mit viralen Modellen in der Maus befasst. Vor drei Jahren wollte ich dann von der Maus auf den Menschen wechseln und da war AIDS als neuartige Viruskrankheit natürlich naheliegend. Ausserdem hat die Erforschung neuer AIDS-Therapien auch eine grosse Bedeutung für die Bevölkerung.

AIDS-Forscherin Oxenius in ihrem ETH-Labor: "Grundlagenwissen ist wichtig, um die heutigen AIDS-Therapien zu verbessern." gross


Eine Frau kämpft gegen HIV
Die erst 33-jährige Zürcher Biochemikerin Annette Oxenius ist seit letztem Juni Assistenzprofessorin für Immunologie an der ETH. Zuvor verbrachte sie drei Jahre an der Oxford University in England, wo sie in die AIDS-Forschung einstieg. Ihre Forschungsgruppe arbeitet an der ETH als einzige mit HIV. Ihr Interesse gilt speziell der zellulären Immunität gegen virale Infektionen, einerseits in HIV-Patienten, andererseits im Mausmodell.


Wo liegt ihr Schwerpunkt in der AIDS-Forschung?

Ich möchte herausfinden, ob das AIDS-Virus bevorzugt HIV-spezifische Helferzellen infiziert. Ich vermute das, weil diese Zellen während einer Infektion ja aktiviert sind und das AIDS-Virus eventuell speziell aktivierte Zellen infiziert. (1)

Was nützt diese Forschung den AIDS-Patienten?

Solches Grundlagenwissen ist wichtig, um die heutigen AIDS-Therapien zu verbessern und Ansteckungen frühzeitig zu erkennen. Beispielsweise hat man letzthin herausgefunden, dass man eine AIDS-Therapie zwar unterbrechen kann, dass dies aber die eigene Virusbekämpfung nicht verbessert. Das ist einerseits ernüchternd, andererseits ist es gut zu wissen, dass man die AIDS-Therapie auch unterbrechen kann, insbesondere wegen den teilweise gravierenden Nebenwirkungen wie Übelkeit, Müdigkeit, Hautauschläge, Fettumverteilung oder hohe Blutfettwerte. Bis vor wenigen Jahren war die Unterbrechung einer Langzeittherapie ein absolutes Tabu.

Sollten Infizierte aufgrund dieser Nebenwirkungen eher zuwarten oder möglichst rasch mit einer AIDS-Therapie beginnen?

Es gibt erste Hinweise, dass ein Therapiebeginn während der Akutinfektion für die Erhaltung der HIV-spezifischen Immunantwort von Vorteil sein kann. Diese ersten Studien müssen aber noch in grösserem Rahmen bestätigt werden. Generell ist aber klar, dass je tiefer die Viruslast im Patienten, desto besser die Prognose.

Wird man sich vom AIDS-Virus überhaupt einmal befreien können?

Leider sieht es sehr schlecht aus. Mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit wird, wer sich einmal mit AIDS angesteckt hat, das Virus nicht wieder los. Denn das Virus kann in ein inaktives Stadium übergehen und sich in den Zellen verstecken. Dort ist es kaum angreifbar, ähnlich wie das Herpes-Virus.

Haben Sie nicht Angst davor, sich während der Forschung mit AIDS-Viren anzustecken?

Nein. Wenn man sorgfältig arbeitet, besteht keine Gefahr. Ausserdem ist HIV ein sehr instabiles Virus. Wenn es eine halbe Stunde auf dem Tisch liegt, dann ist es nicht mehr infektiös. Ausserdem wird HIV ja auch nicht durch die Luft übertragen, sondern ausschliesslich durch Blut-Blut oder Blut-Schleimhautkontakt. Die primäre Ansteckungsgefahr liegt bei Schnittverletzungen. Darum verwenden wir in unserem Labor auch nur Plastikwaren und kein Glas.


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Professorin Oxenius hat keine Angst vor einer Infektion mit AIDS-Viren: "Wenn man sorgfältig arbeitet, besteht keine Gefahr." gross

Frau Oxenius, Sie haben als einzige der 45 Beschenkten auf die Förderprofessur des Nationalfonds verzichtet. (2) Warum?

Von England aus hatte ich mich auf mehrere Stellen beworben. Die Zusage der ETH für eine Assistenzprofessur kam einerseits etwas vor dem Nationalfonds-Entscheid. Andererseits erhoffe ich mir durch den Verzicht auf die Förderprofessur auch bessere Chancen auf zukünftige Drittmittel über den Nationalfonds, denn die ETH-Gelder allein reichen nicht für Mitarbeiter und Labor.

Trotz dem Verzicht auf die Förderprofessur wurden Sie vom Nationalfonds nun an deren fünfzigstes Jubiläum eingeladen, um über Ihre Forschung zu berichten (siehe Kasten am Schluss).

Darüber habe ich mich natürlich gefreut! Solche öffentlichen Vorlesungen wie "Life Science and Society" verbessern den Kontakt zwischen Forschung und Bevölkerung. Da wir Forscher zu einem grossen Teil durch Steuergelder finanziert werden, sind wir auch verpflichtet, die Gesellschaft zu informieren. Leider war das Echo auf "Life Science and Society" nicht sehr gross, aber grundsätzlich bin ich immer offen für neue Wege im Kontakt zur Gesellschaft.

Können Sie das genauer erläutern?

Vor der Genschutzinitiative beispielsweise war das Interesse an unserer Forschung riesig. Damals organisierten wir in unserem Labor Tage der offenen Tür, die alle sehr gut besucht waren. Auch wurde ich von verschiedenen politischen Gruppierungen eingeladen, um über meine Forschung zu berichten.

Wie kam man gerade auf Sie?

Erstens gab es in unserem Labor nur wenige Mitarbeiter, die Schweizerdeutsch sprachen. Dialekt kommt in der Bevölkerung einfach besser an. Zweitens passte ich anscheinend gut ins Bild des forschenden Nachwuchses unseres Landes. Und drittens wurde ich wohl auch eingeladen, um als Frau die gegenüber der Gentechnologie generell eher kritischeren Frauen zu überzeugen. Die Belastung war zu dieser Zeit natürlich gross, denn das lief ja alles neben der eigentlichen Forschung. Aber es ging ja schliesslich um unsere Zukunft als Forscher.


50 Jahre Nationalfonds
Zum 50-Jahr-Jubiläum veranstaltete der Schweizerische Nationalfonds (SNF) an den Unis Lausanne, Lugano und Basel und an der ETH Zürich vier nationale Symposien zu den Forschungsschwerpunkten Technologie, Kommunikation, Kultur (am 21. November in Basel (3)) und Lebenswissenschaften. Der Nationalfonds wollte primär Forschungsbereiche mit vielversprechenden beruflichen Zukunftsaussichten in den Mittelpunkt seiner Veranstaltungen stellen. Damit sollten speziell junge Forschende angesprochen werden. Nächstes Jahr sollen diese "SNF-Hochschultage" wiederholt werden.

Das zweitätige Symposium an der ETH Zürich stand unter dem Motto "Life Science and Society" und war in drei thematische Blöcke gegliedert. Im ersten berichteten ehemalige Nationalfonds-Stipendiaten über ihre Forschungstätigkeit und Finanzierungsmöglichkeiten. Im spannenderen zweiten Block erläuterten Wissenschaftler, die das Labor verlassen hatten, alternative Karrieremöglichkeiten ausserhalb der Forschung, beispielsweise als Fonds-Manager, PR-Berater, Firmenchefin oder als Wissenschaftsjournalist bei einem Boulevardblatt.

Im letzten Block am Samstagmorgen präsentierten jüngere Professoren ihre Forschung im Bereich "Lebenswissenschaften und Gesundheit". Sie berichteten über Krankheiten wie Alzheimer, Krebs, Rinderwahnsinn und AIDS (siehe dazu das Interview mit der AIDS-Referentin Annette Oxenius). Trotz des vielfältigen und spannenden Programms waren die Vorträge und Diskussionen mit nur knapp hundert Teilnehmern eher schwach besucht. Schade.




Fussnoten:
(1) Website über die AIDS-Forschung von Annette Oxenius: www.micro.biol.ethz.ch
(2) "ETH Life"-News über die Förderprofessuren des Nationalfonds: "Fördern und Fordern": www.ethlife.ethz.ch
(3) Programm der vier nationalen Symposien zum 50-Jahr-Jubiläum des Schweizerischen Nationalfonds: www.snf.ch



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