|
Rubrik: Tagesberichte |
Print-Version
|
AGS-Meeting in Costa Rica Flugtickets fürs gute Gewissen |
An der vergangene Woche abgehaltenen AGS-Konferenz in Costa Rica verkaufen ETH-Studierende die ersten CliPP-Flugtickets, mit deren Erlös nachhaltige Klimaprojekte gefördert werden sollen. Eine Idee, die sie auch Schweizer Reisebüros schmackhaft machen wollen. Die sind aber noch skeptisch. Von Richard Brogle Von den vier technischen Universitäten ETH, MIT, Chalsmers und Tokyo-University trafen sich letzte Woche Studierende, Doktorierende und Lehrkräfte in Costa Rica zum jährlichen Treffen der AGS (Alliance of Global Sustainability)(1). Alle sind sie von Japan, den USA, von Schweden oder der Schweiz nach Costa Rica geflogen und haben zusammen grosse Mengen an Flugbenzin verbraucht. - Nicht gerade nachhaltig, berücksichtigt man den Treibhauseffekt. Idee aus der ETH-Küche Das wurde auch den Studierenden an ihrem Kongress klar, der im Umfeld der Hauptveranstaltung stattgefunden hat. In einem Workshop versuchten die ETH-Studierenden andere Studenten zu überzeugen, sogenannte CLiPP-Flugtickets (Climate Protection Partnership) zu verkaufen, mit deren Erlös nachhaltige Klimaprojekte gefördert werden sollen. Sabine Perch-Nielsen, Umweltnaturwissenschaftsstudentin an der ETH, meint dazu: "Die CLiPP-Tickets sind ein echter Service für den Kunden, sie füllen eine Marktlücke. Das Projekt macht mir vor allem Spass, weil es eine praktische Umsetzung der Idee der Internalisierung der externen Kosten ist."
Freiwillige Steuer aufs Fliegen Das CLiPP-Projekt geht davon aus, dass der Flugverkehr mit Aufrufen zum freiwilligen Verzicht kaum eingeschränkt werden kann und dass die technischen Möglichkeiten zur Verminderung des Schadstoffausstosses weitgehend ausgeschöpft sind. Internationale Verbote und Einschränkungen schlossen die Studierenden aus, da diese auf internationaler Ebene nur in jahrelangen zähen Verhandlungen erreicht werden könnten. Was bleibt? Technische Verbesserungen zur Reduktion von fossilen Brennstoffen in flugfremden Gebieten.
|
Mit der Schützenhilfe von Roger Baud, Schweizer AGS-Chef, und Walter Ernst, CLiPP-Mitbegründer, erarbeiteten die ETH-Studierenden die Idee, die Flugstunde pro Passagier auf freiwilliger Basis zu besteuern. Der Erlös soll in Projekte fliessen, die den Umstieg von fossilen in nachhaltige Energieformen fördern. Mit anderen Worten: Wenn das Fliegen nicht verboten oder technisch erheblich verbessert werden kann, soll mit einer Lenkungsabgabe auf jede Flugstunde die Nachhaltigkeit in Bereichen verbessert werden, wo dies viel leichter zu erreichen ist. Die Studentinnen und Studenten evaluierten verschiedene nachhaltige Projekte. Eines der Projekte ist ein Warmwasserprojekt für die Gastuniversität INCAE. Bis jetzt wird das Warmwasser mit fossilen Brennstoffen erzeugt. Dies soll in Zukunft teilweise mit Sonnenkollektoren geschehen, was aber höhere Anfangsinvestitionen mit sich bringt. Diese soll der CLiPP-Fond bereitstellen. Die Studierenden diskutierten darüber, ob die INCAE einen Teil der durch die Sonnenkollektoren eingesparten Energiekosten für neue Projekte zur Verfügung stellen muss. Damit würde einmal investiertes Geld stets weitere Projekte fördern. Ein Beschluss wird am Ende der Tagung gefällt, wenn fest steht, wie viel Geld zusammen gekommen ist. Umstrittene Schadstoffauswirkung Die Flugticket-Abgaben einer bestimmten Person sind so berechnet, dass sie im Falle des Wasserkollektorenprojekts die Installationskosten der Kollektoren decken, die während ihrer Lebensdauer gerade diejenige Menge an fossilen Brennstoffen einsparen, die während des Fluges verbraucht werden. Da die Schadstoffe in grosser Höhe emittiert werden und dort mehr schaden, muss ein Korrekturfaktor einberechnet werden. Im Vorfeld der Präsentation zeigte sich, dass die Höhe des Faktors von Experten umstritten ist. Man einigte sich am Ende auf einen Faktor 1,5. Bei einem Flug von Zürich nach Costa Rica und zurück werden rund 3,8 Tonnen Kohlendioxid pro Person emittiert. Ein CLiPP-Flugticket für diese 31 Flugstunden kostet 171 US-Dollar. Studierende zahlen nur die Hälfte, da Sponsoren sich bereit erklärt haben, den Studierendenbeitrag zu verdoppeln. Ferienreisen: riesiger Energieverbrauch Die CLiPP-Flugtickets wurden nun zum ersten Mal am AGS-Kongress angeboten. Geplant ist auch ein Verkauf in den Reisebüros. Ökobilanzen haben gezeigt, dass die jährliche Ferienreise mit dem Flugzeug bei Herrn und Frau Schweizer einen grossen Posten beim Energieverbrauch darstellt. Gemäss einer Nationalfondsstudie (2) wird bereits rund ein Viertel der Verkehrsenergie durch Flugreisen verbraucht. Um das schlechte Gewissen etwas zu beruhigen, können die Reisenden vielleicht in Zukunft im Reisebüro ein CLiPP-Flugticket kaufen. Reisebüros wenig begeistert Bereits wurden Gespräche mit Hotelplan und SSR (neu STA) geführt. Trotz der geplanten Marge von 12 bis 15 Prozent ist man dort skeptisch. Hotelplan erachtet eine nachhaltige Entwicklung zwar auch im Luftverkehr als begrüssenswert, Kohlendioxid-Kompensationsmassnahmen wurden aber bisher nicht eingeführt. Christian Brogli, Umweltbeauftragter bei Hotelplan: "Die Erfolgsaussichten für den Verkauf von Umweltzertifikaten, wie sie CLiPP vorsieht, sind unserer Meinung nach noch fraglich. Es wurde beschlossen, das Projekt reifen zu lassen und noch zuzuwarten." Dazu meint Walter Ernst: "Es ist schade, dass die Reisebranche die Chance nicht wahrnimmt, ein ökologisches Studenten-Produkt zu verkaufen." |
|||||||||||||||
Literaturhinweise:
Fussnoten:
Sie können zu diesem Artikel ein Feedback schreiben oder die bisherigen lesen. |