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ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 16.05.2002 06:00

Finanzierung der Wissenschaft
"Weltweit auf offene Türen stossen"

Die ETH Zürich wirbt jährlich 40 bis 50 Millionen Franken Drittmittel von Seiten der Industrie ein. Dieser Betrag steige seit Jahren, so Claudia Fesch von ETH Transfer, der Technologietransferstelle. Es werden jährlich etwa 90 bis 100 Zusammenarbeitsverträge mit der Industrie geschlossen. Die staatliche Unterstützung - so vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF)- bewege sich etwa in der gleichen Höhe. Hier habe man in den letzten Jahren aber einen Rückgang festgestellt.

Das Interview führte Nana Pernod

Am Dienstagabend fand eine öffentliche Diskussion im Rahmen der Reihe "Akademische Laufbahn - Perspektiven für Nachwuchsforschende" an der ETH statt. Das Thema war die Finanzierung der Forschung. Organisiert wurde die Veranstaltung von der ETH und der Universität Zürich im Rahmen des Bundesprogramms für Chancengleichheit. Im Vorfeld dieser Veranstaltung führte ETH Life ein Gespräch mit ETH-Professor Gerd Folkers vom Institut für Pharmazeutische Wissenschaften, der an der Diskussionsrunde teilnahm.

Herr Folkers, wie hoch sind die Drittmittelbeträge, mit denen Sie Forschungsrojekte an Ihrem Institut finanzieren?

Folkers: Die Zusammenarbeit mit ETH-externen Kooperationspartnern beläuft sich jährlich auf etwa 70'000 bis 80'000 Franken. Dazu kommen einzelne Aufträge in der Höhe von 10'000 bis 20'000 Franken. Ich mache dann eine Art Mischkalkulation. Diese ergibt eine Rechnung, wie sie in einer Firma üblich ist. Damit schaffe ich mir einen Überblick, welches Budget ich für die Forschungsprojekte zur Verfügung habe.

Ist es relevant, woher die Gelder kommen, die Ihre Forschung unterstützen? Gibt es da Unterschiede zwischen einer staatlichen Quelle wie dem SNF und einer privaten wie der Industrie?

Folkers: Der administrative Aufwand ist ungefähr der gleiche. Die Begriffe und die dahinter liegenden Strukturen, insbesondere die Entscheidungsmechanismen, sind unterschiedlich. Für den SNF formuliere ich mit den Forschenden einen Projektplan, für eine Firma ist es ein Businessplan. Die Firma muss ihre Unterstützung immer wieder überprüfen und dem dynamischen Markt anpassen. Selten unterstützt sie deshalb gerne Doktorierende für mehr als ein Jahr, was gelegentlich zu einem Abbruch eines Forschungsprojektes führen kann. Die Entscheidungsmechanismen sind wegen des unterschiedlichen Umfeldes anders.

Ist der Forscher, der von einem Unternehmen gesponsert wird, in dem Sinne in seiner Forschertätigkeit eingeschränkt, dass er "nur" für einen bestimmten Markt forschen darf? Wann ist eine Zusammenarbeit mit einer privaten Firma besonders interessant?

Folkers: Bei der Vertragsschliessung mit einem Kooperationspartner aus der Privatwirschtaft müssen sich die Forschenden in Acht nehmen, dass der Vertrag all die Punkte enthält, die für sie als Forschende massgebend sind. Dabei geht es beispielsweise um Patentrechte und geistiges Eigentum. In der Regel funktioniert das gut. Die Zusammenarbeit mit Firmen aus der Privatwirtschaft ist vor allem dann interessant, wenn es sich um grosse Projekte handelt. Das heisst, wenn ganze Institute oder gar die ganze Hochschule dahintersteht und es sich um Projekte mit einer Laufzeit von fünf bis zehn Jahren handelt. Hier geht es um Unterstützung von vielen Forschenden und um die Sicherung des benötigten Materials im Rahmen einer längeren Zeiteinheit.

Ist der Froschungsstandort Schweiz attraktiv?

Folkers: Die ETH ist einer der attraktivsten Forschungsorte in Europa. Hier zu wirken heisst: weltweit auf offene Türen stossen. Doch hält sich in der Schweiz wie in ganz Europa die Begeisterung für die Wissenschaft von Seiten der Bevölkerung stark in Grenzen. Im Moment scheint es chic zu sein, wenn man sich gegen die Fortschritte der Technologie stellt. Die eher negative Stimmung kann dann in den höheren administrativen Rängen zu einer Unkenntnis darüber führen, was in der Wissenschaft eigentlich passiert. Die Konsequenz davon ist eine nicht sachgerechte Darstellung der Dinge, und dass dann einfach Kommentare wiedergegeben werden. Das kann dann auch zu einem negativen Entscheid im Sponsoring führen.


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Folkers
ETH Professor Gerd Folkers im Multimedia Hörsaal des ETH-Hauptgebäudes.

Beruf Forscher: Ist dieser Berufswunsch hier in der Schweiz umsetzbar, finanzierbar? Oder müssen junge Forschende, die keine Professur anstreben, andere Wege gehen, um ihr Berufsziel zu erreichen?

Folkers: Ja, dem ist so. Ich selbst habe im Moment fünf Post-Docs, die in der Boston Area forschen. Ich glaube kaum, dass sie an die Hochschule zurückkehren werden; denn: ich kann ihnen hier keine Zukunft bieten. In der Schweiz wie in Europa ist es so, dass wir den wissenschaftlichen Mittelbau stark abbauen. Wer keine Professur anstrebt, hat in der Regel wenig Chancen, sein Leben als Forschender an einer Hochschule zu verbringen. Das heisst: er entscheidet sich für die Industrie oder für jene Orte, an denen ein Forscherdasein ohne Lehrverpflichtung möglich ist.

Gibt es bereits existierende erfolgreiche Fund-Raising-Modelle für die Wissenschaft, die für die Schweiz in Frage kommen würden?

Folkers: Ja, zum Beispiel aus den USA, das aktuelle Beispiel von Novartis wäre hier zu nennen. Aber eben: das US-amerikanische Modell kann in Europa nicht eins zu eins übernommen werden. Der Auftrag der Spitzenuniversitäten in den USA unterscheidet sich von dem unserer Hochschulen. Wir können uns aber am US-amerikanischen Modell orientieren. Eine interessante Lösung stellen Forschungsinstitute wie Max-Planck und die Fraunhofer-Gesellschaft in Deutschland dar.

Inwiefern?

Folkers: Sie stehen sozusagen in Konkurrenz zu den staatlichen Hochschulen, was die Forschungsprojekte betrifft. Beide Modelle verlangen vom Staat hohe Investitionen. Dies ist keine einfache Entscheidung, denn der Staat lässt so eine Konkurrenzinstitution zwischen "seiner" Hochschule und dem neu entstehenden Forschungszentrum zu. Ein wichtiger Punkt, um die Abwanderung exzellenter junger Forschenden zu verhindern, wäre, die Mittelbaustrukturen für Jungforschende besser auszubauen, um sie dann zu etablieren. Hier kann man die Assistenzprofessuren mit Tenure Track als einen Schritt in diese Richtung sehen.

Bekommen Sie professionelle Hilfe in Sachen Fund-Raising?

Folkers: Nein. Und ich finde, es ist wichtig, dass wir Forscher uns selbst glaubwürdig darstellen können. Wenn das nicht mehr der Fall ist, stimmt etwas nicht. Und ausserdem: die ETH als Ganzes übernimmt mit Ihrem guten Namen, hinter dem man immer ausserordentliche Forschende vermutet, eine zentrale Funktion. In meinem Forschungsbereich ist es so, dass in den meisten Fällen die Industrie auf uns zukommt und nicht umgekehrt.

Ein letztes Wort...

Folkers: Das Forschen und alle Aktivitäten im Umfeld der Forschenden sollen dem Erkenntnisgewinn dienen... vielleicht bin ich da ein grosser Idealist...




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