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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 17.02.2005 06:00

Auf der Suche nach Richtlinien zur Sicherheit gentechnisch veränderter Organismen.
Regulierungen wissenschaftlich begründen

Dieses Frühjahr wurde die erste Phase des GMO-Guidelines Projekts zur Entwicklung von wissenschaftlichen Richtlinien für die Biosicherheitsabschätzung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) abgeschlossen. „ETH Life“ sprach mit der Koordinatorin des GMO-Guidelines Projekts, der ETH-Forscherin Angelika Hilbeck, über die bisher geleistete und noch anstehende Arbeit.

Von Christoph Meier und Jakob Lindenmeyer

Es müssen Richtlinien erlassen werden, die akzeptable Distanzen zwischen Feldern mit gentechnisch veränderten und gentechfreien Pflanzen festlegen. Das forderte vor kurzem die neue EU-Agrarkommissarin, Mariann Fischer Boel. Doch wie sollen solche Richtlinien aussehen?

Unterstützung durch die Schweiz

Einen Ansatz, wie solche oder ähnliche Fragen zur Sicherheit von GVO wissenschaftlich beantwortet werden können, versucht das GMO-Guidelines Projekt (1) zu geben. Dieses sei vor gut drei Jahren an der ETH lanciert worden, erzählt die Projektkoordinatorin Angelika Hilbeck vom Geobotanischen Institut. Der Anstoss dazu sei aber bereits früher gekommen. In Brasilien hatte die Regierung ihre Forscher aufgefordert, Richtlinien für GVO auszuarbeiten. Die südamerikanischen Wissenschaftler suchten dafür Unterstützung und fanden sie in der Schweiz.

Projektkoordinatorin Angelika Hilbeck vom Geobotanischen Institut mit dem Buch über die erste Projekt-Phase. (2) gross

Nord hilft Süd

Hier wiederum konnten die Forscher finanzielle Unterstützung der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) gewinnen, rund eine Million Schweizer Franken. Der Grund dafür lag darin, dass die Schweiz das Cartagena-Protokoll ratifiziert hatte. Dieses hält fest, dass die Freisetzung transgener Pflanzen sinnvollen und transparenten Richtlinien unterworfen werden soll. Zudem sollen die Länder des Nordens den Entwicklungsländern im Süden helfen, die dafür notwendigen wissenschaftlichen Kapazitäten zu entwickeln.

Das Projekt bekam schnell grössere Dimensionen. Rund 130 Wissenschaftler aus dem öffentlichen Bereich aus über 12 Ländern mit Schwerpunkten in Brasilien, Kenia, der Schweiz, den USA und Vietnam, beteiligten sich aktiv daran. Über 100 weitere Forschende aus insgesamt 35 Ländern haben sich im Projekt eingeschrieben und werden regelmässig über dessen Fortschritte informiert. Das demonstriert für Angelika Hilbeck den grossen Bedarf in der internationalen Wissenschaftsgemeinde. Das Erarbeiten der Richtlinien wurde in vier Gebiete gegliedert: die Expression und Lokusstruktur des Transgens, die Auswirkungen auf Nichtzielorganismen und die Biodiversität, der Genfluss und seine Konsequenzen, sowie das Risiko der Resistenzentwicklung und dessen Management.

Fallstudien in Brasilien, Vietnam und Kenia

Zudem wurde eine Grundlage erarbeitet, die den landesspezifischen Rahmen und Kontext einer Risikoanalyse absteckt. Im Zentrum steht hierbei eine dokumentierte Problemformulierung, wobei zentrale Fragestellungen erörtert werden wie „Warum wird ein bestimmter GVO in der Landwirtschaft eingesetzt?“, „Wer hat ein Problem?“ oder „Wem nützt der Einsatz von GVO?“. Zusätzlich werden aufgrund bestehender Erkenntnisse die möglichen Vor- und Nachteile von verschiedenen Lösungsoptionen evaluiert. Die erarbeiteten Richtlinien überprüften die Forscher in drei Fallstudien: in Brasilien und Vietnam mit Bt-Baumwolle, sowie in Kenia mit Bt-Mais. Diese wurden und werden international als Buchserie publiziert (2), (3) und kostenlos an interessierte Kreise in den Ländern des Südens abgegeben.


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Grossanbauer unterzeichnen nicht: Im Vergleich der weltweiten Produktion transgener Pflanzen (oben) mit den Unterzeichner-Staaten des Cartagena-Protokolls (unten) zeigt sich eine Komplementarität zwischen den wichtigsten Anbauländern (in dunkelblau) und den Unterzeichner-Staaten (in rot). Einzige Ausnahme: Brasilien. gross

Checkliste erst in zweiter Phase

Liefert das Projekt den Anbauländern nun eine einfache Checkliste, um GVO sicher anzubauen? Soweit sei man noch nicht, hält Angelika Hilbeck fest. Die erste Phase des GMO-Guidelines Projekts, die mit einer Konferenz dieses Frühjahr an der ETH abgeschlossen worden ist, habe erst den wissenschaftlichen Rahmen für konkrete Regulierungen festgelegt. Für eine Implementierung müssten jetzt in einer zweiten Phase Behörden und Politiker an Bord geholt werden. Zudem sollten die sozio-ökonomischen Aspekte und die Biodiversitäts-Abklärungen vertiefter analysiert werden.

Grossanbauer unterzeichnen nicht

Angelika Hilbeck ist sich bewusst, dass die Implementierung von Richtlinien vielerorts politisch nicht einfach sein wird. So zählen die Länder Argentinien, China, Kanada und die USA, die den grössten Teil der weltweiten GVO-Produktion abdecken, zu den wichtigsten Nicht-Unterzeichnern des Cartagena-Protokolls. Von den wichtigsten GVO-Anbauländern (in dunkelblau) hat lediglich Brasilien unterzeichnet (siehe Grafik oben).

Das ist aber für die ETH-Wissenschaftlerin kein Grund zur Resignation. Wenn sich die vorgesehenen Richtlinien im politischen Prozess bewähren, werden vielleicht mehrere Länder bemerken, dass ihnen diese Richtlinien eine grosse Hilfe bei der Risikoabschätzung transgener Pflanzen und der Implementierung des Cartagena-Protokolls sein können.

Zusammenarbeit von Gentech-Gegnern und Befürwortern

Weiteren Optimismus schöpft Hilbeck aus dem Umstand, dass ihre Arbeit wissenschaftlich sehr breit abgestützt war. So arbeiteten im GMO-Guidelines Projekt sowohl Gentech-Kritiker wie Befürworter mit. So ist beispielsweise der Leiter der Sektion „Resistenzentwicklung und -Management “ ein begeisterter Anhänger von Bt-Baumwolle, und sein Kollege bei der Sektion „Transgenexpression und Lokusstruktur“ beginnt demnächst eine neue Arbeit bei einem grossen Biotechkonzern. Allen Beteiligten ging es gemäss Hilbeck nur um die wissenschaftliche Aufgabe. Daher habe man fachübergreifend in angenehmer und kollegialer Atmosphäre konstruktiv zusammenarbeiten können.

Heftige Gentech-Debatte in Brasilien

Rückblickend war für die ETH-Forscherin spannend zu beobachten, welche Reaktionen die Fallstudien auslösten. In Brasilien, wo die Debatte um GVO sehr heftig sei, hätten beispielsweise Feldentomologen erst durch die Fallstudie realisiert, dass auch sie einen Beitrag zur Sicherheitsforschung leisten können. Bei den Vietnamesen fiel Hilbeck auf, dass sie das Thema sehr pragmatisch behandelten. Damit sie ihre möglichen Produkte zügig absetzen können, gehören für die Asiaten die Sicherheitsabklärungen selbstverstädnlich mit zur GVO-Technologie.

Das Ziel nach der zweiten Phase ihres Projekts ist für Hilbeck, dass ihre Gruppe obsolet wird. Das heisst, dass die Kompetenz für die erarbeiteten wissenschaftlich Richtlinien vollständig in den Händen der Kollegen aus dem Süden liegt und dort selbstständig weitergetragen und -entwickelt werden kann. Dann könnte sich die ETH-Forscherin durchaus vorstellen, die Schweiz oder die EU bei der Ausarbeitung konkreter Regelungen zu beraten.


Literaturhinweise:
“ETH Life”-Artikel zum Start des „GMO Guidelines“-Projekt: www.ethlife.ethz.ch/articles/guidelines.html

Fussnoten:
(1) Website des GMO-Guidelines Projekts: www.gmo-guidelines.info/
(2) Buch „Environmental Risk Assessment of GMO”, herausgegeben von A. Hilbeck und D.A. Andow, CABI Publishing, 2004: www.cabi-publishing.org/Bookshop/BookDisplay.asp?SubjectArea=&PID=1766
(3) Buch "Environmental Risk Assessment of GMO: A Case Study of Bt-cotton in Brazil" (Arbeitstitel), in press, CABI Publishing.



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