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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 25.04.2003 06:00

Glasbläserei im Departement Physik
Fast jedes Produkt ein Unikat

Exklusive Arbeiten für die Physik oder die Chemie verlassen die Räume der Glasbläserei auf dem Hönggerberg. Apparaturen werden nach eingehender Beratung für spezielle Versuchsanlagen konzipiert - weltweit einmalige Prototypen, die in der in- und ausländischen Forschung eingesetzt werden. Diese Exklusivität könnte bald einmal verloren gehen, weil der Nachwuchs fehlt.

Von Regina Schwendener

Selbst im Hause wissen nur wenige von der Glasbläserei. Oder wussten Sie, dass es auf dem Hönggerberg im Departement Physik eine professionell betriebene technische Glasbläserei gibt? Sie besteht dort seit 1970; zuvor hatte sie ihr Domizil seit 1958 an der Gloriastrasse .

Präzisionsarbeit verlangt

Ganz am Ende der Physik-Institutsgebäude, im HPF, ist die Glasbläserei zu finden. Betritt man die Räume, fallen die vielen üppig spriessenden Grünpflanzen vor den grossen Fenstern auf, ein Zischen, ein leises Maschinengeräusch. An den Arbeitstischen steckt das unbearbeitete Glas in speziellen Halterungen. Glasbläserin Evelyne Trüb steht - wegen der Infrarotstrahlung mit einer speziellen Brille geschützt - an der Drehbank und fertigt im Feuerstrahl ein grösseres Glasobjekt, das sie durch Blasen, Ziehen und Drücken in die gewünschte Form bringt. Es ist zu gross, um es von Hand zu bearbeiten. Ihre Arbeit erfordert volle Konzentration. Jedes Objekt ist Präzisionsarbeit.

Gearbeitet wird mit verschiedenen Arten von Glas. Borosilikatgläser - besser bekannt unter dem Namen "Pyrex" oder "Duran" - (Preis etwa 20 Franken pro Kilo) haben eine Verarbeitungstemperatur von 800 bis 1'200 Grad, Quarzglas (etwa 200 Franken pro Kilo) - zum Beispiel für die Halbleiterforschung - eine von 1'700 bis 2'100 Grad. Natronglas (Fensterglas) ist Weichglas und wird nur kalt bearbeitet. Es ist übrigens schon für zwei Franken pro Kilo zu haben.

Bruno Nussberger stellt die Geräte zusammen, deren molekulare Spannung nach einer speziellen Behandlung gelöst wurde. gross

Ausgezeichnete Auftragslage

"Die Auftragslage ist ausgezeichnet", freut sich Bruno Nussberger, der Leiter der Glasbläserei. Teilweise müssten Aufträge von "Fremdinstituten" nach abgeschlossener Beratung sogar nach auswärts gegeben werden.

Neben der Bearbeitung von Glas bietet der kleine Betrieb als Dienstleistung das "Einpacken" von Proben (Versuchsmaterialien) unter Vakuum oder Schutzglas in Aufbewahrungs- und/oder Reaktionsampullen - eine manchmal nicht ganz ungefährliche Angelegenheit. Alle Nutzerinnen und Nutzer am Standort Hönggerberg werden im Übrigen mit technischen, speziellen und hochreinen Gasen sowie den dazugehörigen spezifischen Armaturen versorgt. In speziellen Öfen werden zudem auch Temper- (Erhitzen zum Verändern von Materialeigenschaften), aber auch Glühvorgänge an Metallen und anderen Proben durchgeführt.


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Evelyne Trüb: Glasblasen an der Drehbank. gross

Nachfrage aus allen Richtungen

Die Auftraggeber sind in den letzten 30 Jahren andere geworden, so Nussberger. Habe man fräher voll für die Physik gearbeitet, sei man heute nur noch zu einem Drittel mit Aufträgen für diesen Bereich beschäftigt. Zwei Drittel seien Auftragsarbeiten aus allen Bereichen der ETH - inklusive aus den Forschungsanstalten des ETH-Bereichs wie PSI oder EAWAG - in deren Versuchsanlagen mit hochwertigem Glas gearbeitet wird. Ein grosser Teil entfällt auf die Chemie und zwei bis drei Prozent auf Aufträge aus dem Ausland, aber auch von Schweizer Betrieben, in denen ehemalige ETH-Leute sitzen, die von der Exklusivität "Spezial-Glasbläserei" wissen. Präzise Glas- und Quarzgeräte werden nach technischen Zeichnungen und Skizzen hergestellt. Bruno Nussberger: "Die Konstruktion der Apparaturen nach Pflichtenheft sowie die Beratung der Nutzerinnen und Nutzer in Konstruktionsfragen sind bedeutende Teile dieser Tätigkeit." Glas, Quarz, Keramik und Saphir werden zudem auch mechanisch nass mit Diamantwerkzeugen bearbeitet. - Jedes hier entwickelte Gerät ist ein Unikat.

Wo bleibt der Nachwuchs?

"Nachwuchs mit dem für diese Glasbläserei nötigen Know-how gibt es heute nicht", stellt dessen Leiter frustriert fest. Als Gründe nennt er die sich in den vergangenen Jahren stark veränderte wirtschaftliche Landschaft und neue Konzepte in der Berufsbildung. Vielleicht liege es auch daran, dass man sich ausserhalb und sogar innerhalb von Physik und Chemie nicht bewusst ist, was verloren gehen wird.

Evelyne Trüb hat ihre Ausbildung als technische Glasbläserin vor zwanzig Jahren bei Bruno Nussberger absolviert. Wegen der starken körperlichen Beanspruchung und dem grossen technischen Verständnis, das die technischen Glasbläser mitbringen müssen, findet man in diesem Berufszweig selten eine Frau. Zwei Jahre lang ging sie "fremd", liess sich den Wind um die Nase wehen, bevor sie an der ETH ihre Arbeit wieder aufgenommen und weitergebildet hat. Das war vor 15 Jahren. Bruno Nussberger ist seit rund 38 Jahren an der ETH, kommt aus dem Hause BBC (heute ABB) dem früher besten Ausbildungsort für Apparateglasbläser und hat viele Jahre lang Nachwuchs ausgebildet. Seit vier Jahren gibt es in der Schweiz keine Apparate-Glasbläser Ausbildung mehr. Physiklaborantinnen und -laboranten k–nnen in der Glasbläserei noch einen Grundkurs Glas/Keramik/Gase besuchen, der aber auf wenig Interesse stösst, da das Prüfen der Glasbearbeitung aus dem Ausbildungskonzept rausgekippt wurde. "Wenn ich in absehbarer Zeit in Pension gehe, muss die Glasbläserei wohl auf einem anderen Niveau weitergeführt werden. Das könnte sogar ihre Existenz in Frage stellen", mutmasst der Glasbläsereileiter. Evelyne Trüb möchte nicht "nachrutschen", wie sie bestimmt sagt.




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