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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 11.12.2000 06:00

ETH-Patent für Biotech-Enzym
Käse aus Kamelmilch

Der Produktion von Kamelkäse ist man einen entscheidenden Schritt näher: Mitarbeiter des Labors für Milchwissenschaft haben mit einer dänischen Biotech-Firma ein Enzym entwickelt, das Kamelmilch zur Gerinnung bringt. Das Patent ist deponiert. Nun wird untersucht, ob das Enzym auch für die normale Käseherstellung aus Kuhmilch gebraucht werden kann.

Von Roman Klingler

Stefan Kappelers Fragestellung für seine Post-doc-Arbeit war: wie kann Kamelmilch wie Kuhmilch zur Gerinnung gebracht werden. In seiner Doktorarbeit am Institut für Lebensmittelwissenschaft hatte er schon die unterschiedliche Zusammensetzung von Kamelmilch und Kuhmilch analysiert.

Und er stellte dabei fest, dass beispielsweise das für die Gerinnung wichtigste Eiweiss - das Kappa-Kasein - in der Kamelmilch nur zu 30 Prozent gegenüber der Kuhmilch vorkam. Das Eiweiss Beta-Laktoglobulin, das häufig Milch-Allergien auslöst, kommt in der Kamelmilch schon gar nicht vor.

Der Trick mit dem körpereigenen Enzym

Aus anderen Forschungsergebnissen am Schwein wusste er, dass die Gerinnung von Schweinemilch (oh ja, das gibt es) deutlich verbessert werden konnte, wenn Schweine-Lab anstatt Kälber-Lab verwendet wurde. Also machte sich der ETH-Forscher daran, aus dem Kamelmagen ein Enzym zu extrahieren. Die Vermutung war: das köpereigene Enzym würde das Eiweiss präzis an einer gewissen Stelle in zwei Teile schneiden, was zu einer besseren Gerinnung der Milch führen würde. Und sieh da, es funktionierte.

In der Vergangenheit ist es zwar schon gelungen, Kamelmilch zur Gerinnung zu bringen und Käse herzustellen. Doch das mikrobielle Verfahren (das heisst, Gerinnung mit Hilfe von Bakterien) machte den Käse bitter. Und wer will schon bitteren Käse essen. Der Weg, den Kappeler einschlug ist ein radikal anderer. Das sogenannte Kamel-Lab (Lab: sämtliche Stoffe, die Milch gerinnen lassen) wird in einem Reaktor hergestellt.

Biotechnologie bei Käseherstellung

Seit Jahrhunderten wird Käse - sei es nun aus Kuh-, Geissen oder Büffelmilch - mit Hilfe eines speziellen Enzyms (Chymosin) hergestellt, das es nur im Magen von Kälbern gibt. Das Kälber-Lab ist somit ein wertvolles Nebenprodukt von geschlachteten Kälbern. Weil nicht immer genügend Kälbermägen vorhanden sind, behelfen sich auch die Schweizer Käsehersteller mit dem Import von Kälbermägen aus dem Ausland, etwa aus Indien oder Zimbabwe. Das heisst, die Käseherstellung ist auf Gedeih und Verderb auf die genügende Anlieferung von Kälbermägen angewiesen, was die Sache zum Teil unberechenbar macht.

Aspergillus
Enzym im Schimmelpilz: Petrischale mit vier sporulierenden Aspergillus-Kulturen, nach ca. 3 Tagen an der Wärme. gross


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Stefan Kappeler mit Zakaria Farah
Zwei Forscher am Labor für Milchwissenschaft: den Geheimnissen der Kamelmilch auf der Spur gross

Gegenüber der herkömmlichen Methode kommt die biotechnologische Herstellung von Lab ohne Kälbermägen aus. Dem Schimmelpilz Aspergillus niger wird nämlich beigebracht, Chymosin zu produzieren und ins Nährmedium (eine Soyasauce mit Mineralstoffen) abzugeben. Und zudem sei das im Reaktor hergestellte Lab ohne jegliche Verunreinigung, sagt Kappeler. Um eilig beizufügen, dass es keine Erbsubstanzen (DNA) gebe, die in die Natur gelangen könnten, "weil die beim Aufreinigungsprozess zerstört werden". Allerdings ist laut Kappeler die Gallerte, die er aus Kamelmilch gewonnen hat, im Moment nur halb so fest wie die aus Kuhmilch. Das heisst, bei einer Käseherstellung gibt es noch zuviel "Abfall" (in der Fachsprache "Sand" genannt).

Eine ETH-Studentin wird nun der Frage in ihrer Diplomarbeit nachgehen. Diese praktische Arbeit wird sie in einer Milchverarbeitungsanlage in Mauretanien machen. Wenn es gelingt, aus Kamelmilch schmackhaften Käse herzustellen, könnte die Existenzgrundlage zigtausender Nomaden im nordöstlichen Afrika verbessert werden (siehe dazu das Porträt "Mit dem Kamel per Du" ).

Zusammenarbeit mit Dänen

Kappelers mehrjährige Forschungsarbeit wäre wohl nicht möglich gewesen, wenn sich das Labor für Milchwissenschaft nicht den Sukkurs einer dänischen Biotechnologie-Firma gesichert hätte. Die Chr. Hansen A/S stellte dem Zürcher ETH-Forscher ihr biotechnologisches Know-How bei der Produktion von Enzymen zur Verfügung. "Am Anfang wussten die Dänen noch nicht, was dabei rauskommen würde", so Kappeler gegenüber ETH Life.

Dennoch haben sie mitgemacht, Know-how und Infrastruktur zur Verfügung gestellt und die Kosten für die Patentierung des Kamel-Enzyms übernommen. Das Patent gehört jedoch der ETH. Im Gegenzug haben sie sich die Exklusiv-Lizenz bei einer allfälligen Vermarktung des Enzyms gesichert. Inzwischen hat sich die Zusammenarbeit auch für die Dänen gelohnt. Das von Kappeler entwickelte Kamel-Lab scheint gar besser zu sein als das Kälber-Lab. Wenn sich diese Vermutung nun bei Versuchen im Grossmassstab bestätigen sollte, dann hat das Kamel-Lab gute Marktchancen auch bei der normalen Käseherstellung.

"Grossmolkereien wie die italienische Galbani oder auch in den USA könnten mit unserem Enzym wahrscheinlich ihre Ausbeute bei der Käseherstellung erhöhen und erst noch einen weniger bitteren Käse herstellen", erklärt Kappeler. Die Forschung an der Kamelmilch, initiiert in der Absicht, die Lebensgrundlagen im "Süden" zu verbessern, könnte sich somit im käse-essenden "Norden" zur gewinnbringenden Entdeckung entwickeln.




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