ETH Life - wissen was laeuft

Die tägliche Web-Zeitung der ETH Zürich - in English

ETH Life - wissen was laeuft ETH Life - wissen was laeuft
ETH Life - wissen was laeuft
Home

ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Tagesberichte
Print-Version Drucken
Publiziert: 28.09.2001 06:00

Vortrag im Rahmen der Latsis-Veranstaltung
Naht die globale Wasserkrise?

Wie Satellitenbilder helfen können, eine nachhaltige Bewässerungsmethode zu entwickeln. Professor Kinzelbach vom Institut für Hydromechanik und Wasserwirtschaft bekämpft mit seiner Forschung unter anderem die Versalzung der Böden in China.

Mit Professor Wolfgang Kinzelbach sprach Richard Brogle

Sie stellen in Ihrem heutigen Latsis-Vortrag die Frage, ob es zu einer globalen Wasserkrise kommt. Können Sie uns die Antwort jetzt schon verraten?

Ja, warum nicht? Wasser ist keine weltweit gehandelte Ressource. Insofern werden Wasserprobleme immer regional sein. Weltweit wird heute rund ein Drittel der erneuerbaren Süsswasserressourcen in irgend einer Form genutzt. Dies scheint weit von einer Krise entfernt. Aber der globale Mittelwert verbirgt die Extreme. Man kann nicht Überschwemmungen gegen Dürren aufrechnen. Insofern muss betont werden, dass ernste regionale Wasserkrisen schon heute existieren.

Kann trotz der wachsenden Weltbevölkerung auch in Zukunft die Bewässerung sichergestellt werden?

70 % des Süsswasserverbrauchs entfällt auf die Bewässerungslandwirtschaft. Insofern zielt Ihre Frage auf den Kern der Wasserproblematik. Ob es zur weltweiten Ernährungskrise kommt, ist ein Streitpunkt unter den Experten. Man rechnet allgemein damit, dass sich die Bevölkerungszahl etwa im Jahre 2050 bei rund 9 Milliarden stabilisieren wird. Um all diese Menschen versorgen zu können, muss bei gegenwärtiger Agrartechnologie rund 60% mehr Bewässerungswasser eingesetzt werden. Die Pessimisten unter den Experten zweifeln daran, dass dies möglich sein wird. Ich bin eher Optimist. Wenn man bedenkt, dass rund 40% des Bewässerungswassers ungenutzt verloren gehen und schliesslich auch noch rund 30% der Ernte in Entwicklungsländern verrotten, sehe ich genügend Reserven, die durch verbessertes Management und neue Technologien genutzt werden können. Ein Teil der Krisendebatte kommt sicher daher, dass derjenige, der die grösste Krise anzubieten hat, automatisch im Mittelpunkt steht und eine Menge Aufmerksamkeit bekommt - und daran sind auch die Medien schuld. Statt gebannt auf die globale Krise zu warten, sollten wir lieber die real existierenden regionalen Probleme anpacken.

Welches sind die neuralgischen Punkte auf der Welt?

Kritisch sind grundsätzlich alle dichtbevölkerten, ariden und semiariden Gebiete, Regionen also in denen weniger Regen fällt als potentiell verdunsten kann. Beispiele sind Niger, Botswana, Israel, die Türkei oder die Nil-Staaten.

Professor Kinzelbach: "Nachhaltigkeit ist in der chinesischen traditionellen Kultur kein Fremdwort."
Professor Kinzelbach: "Nachhaltigkeit ist in der chinesischen traditionellen Kultur kein Fremdwort." gross

Wird es Krieg um Wasser geben?

Das glaube ich nicht. Es hat zwar schon Drohungen gegeben, aber Wasser spielte in der Geschichte als Kriegsursache nur eine untergeordnete Rolle. Gerade bei grenzüberschreitenden Flüssen oder Grundwasservorkommen bietet es sich an, gemeinschaftlich nach Lösungen zu suchen. Es ist nämlich nicht immer so, dass die Länder am Unterlauf eines Flusses stets durch die Länder am Oberlauf benachteiligt würden. Baut beispielsweise der Oberlieger einen Staudamm, können die Unterlieger vom Schutz vor Überschwemmungskatastrophen profitieren.

Setzen sich denn die betroffenen Staaten effektiv an einen Tisch und suchen eine Verhandlungslösung?

Ja, durchaus. Beispielsweise haben sich Libyen, Tunesien und Algerien zusammengesetzt und suchen einen Verteilerschlüssel, wie sie die Grundwasserreserven am nördlichen Rand der Sahara nutzen können. Dazu wurde das Projekt SASS (Système des Aquifères du Sahara Septentrionnal) ins Leben gerufen. Die Datenaufnahme ist schwierig, da nicht alle Länder gerne präzise Angaben über die geförderten Wassermengen machen. Eine unserer Forschungsaufgaben ist es, mittels numerischer Simulationsmodelle Szenarien für die gemeinsame Nutzung zu entwerfen und den Übergang von der derzeitigen Übernutzung zu einer nachhaltigen Bewirtschaftung zu finden.

Was geschieht, wenn sich die Länder nicht auf einen Verteilschlüssel einigen?

Durch die Übernutzung sinken die Druckspiegel des Grundwassers weiter ab. Die erste Folge wird sein, dass die Oasen versalzen, die in der Peripherie der Salzseen oder Schotts liegen. Die Grundwasserabsenkungen in den Oasen kehren die Strömungsrichtung um, salzhaltiges Wasser fliesst aus den Salzseen in die Brunnen zurück und das Wasser kann nicht mehr für die Bewässerung verwendet werden.


weitermehr

Grundwasserabsenkungen in den Oasen kehren die Stršmungsrichtung um,  salzhaltiges Wasser fliesst aus den Salzseen in die Brunnen zurźck.
Grundwasserabsenkungen in den Oasen kehren die Strömungsrichtung um, salzhaltiges Wasser fliesst aus den Salzseen in die Brunnen zurück. gross

Senkt man den Druckspiegel weiter ab, so erreicht man bei etwa 250 Metern eine Tiefe, bei der so viel Pumpenergie aufgewendet werden muss, dass sich die Bewässerung nicht mehr lohnt. Schon heute sind die in Nordafrika mit künstlicher Bewässerung produzierten Nahrungsmittel viel teurer als importierte.

Warum werden Nahrungsmittel denn überhaupt in solchen Wüstenregionen angebaut?

Das hängt vielfach mit dem Wunsch der einzelnen Staaten zusammen, eine eigenständige Nahrungsmittelproduktion aufzubauen. Besonders in Libyen herrscht eine gewisse Angst, durch ein Embargo erpressbar zu sein.

Gibt es das Problem der Versalzung der Böden nur in Entwicklungsländern?

Nein, in einem unserer Forschungsprojekte untersuchen wir beispielsweise den Reisanbau in Australien und die damit zusammenhängende Versalzung der Böden. Eines der Probleme besteht darin, dass Schäden, die sich erst in 30 bis 50 Jahren manifestieren, bei der üblichen Gewinnoptimierung des Agrobusiness aufgrund der Diskontierung heute praktisch nicht ins Gewicht fallen. Das war bei den Bauern früher anders, die dachten in dynastischen Zeiträumen: Sie wollten ihren Kindern und Kindeskindern einen guten Boden weitervererben. Diese Sichtweise müsste heute wieder mehr zum Tragen kommen.

Sie forschen ja auch in China. Können Sie dort den Gedanken der Nachhaltigkeit einbringen?

Nachhaltigkeit ist in der chinesischen traditionellen Kultur kein Fremdwort. Erst durch den Bevölkerungsdruck werden die Prinzipien der Nachhaltigkeit verletzt. Wir versuchen in der Yanqi-Ebene in der Provinz Xinjiang eine kombinierte Bewässerungsmethode aus Grund- und Oberflächenwasser zu entwickeln, die den Grundwasserspiegel nicht weiter ansteigen lässt und der Gefahr der Versalzung der Böden entgegenwirkt. Wie gross unser Erfolg letztlich sein wird, hängt von der Implementierung der neuen Bewirtschaftungsmethoden ab. Wir als Wissenschaftler können nur Vorschläge machen, auf die Umsetzung haben wir aber keinen Einfluss. Das ist in China ähnlich wie in der Schweiz.

Wie stehen Sie zu Grossprojekten wie dem Drei-Schluchten-Damm?

Ich hätte ihn nicht gebaut. Schon die Zwangsumsiedlung von 1.2 Millionen Menschen ist für mich ein entscheidendes Argument gegen den Damm. Allgemein kann man sagen: je grösser Projekte sind, desto schwieriger ist es, die Folgen sowohl hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit als auch für die Umwelt abzuschätzen. Auf der ganzen Welt sieht man, dass Wasserbehörden gerne Mammutprojekte in Angriff nehmen, nicht zuletzt auch darum, weil die entsprechenden Behörden sehr viel Macht gewinnen. Die Analyse zeigt, dass viele Staudammprojekte, die für die Bewässerung angelegt wurden, die Versprechungen der Planer nicht erfüllt haben.

Gelegentlich hört man, dass Nahrungsmittelkonzerne gezielt Mineralwasserquellen aufkaufen. Gibt es nicht genügend Mineralwasser?

Nein, das ist überhaupt kein Problem. Die Konzerne reagieren auf eine Marktnachfrage. Das Interesse an Mineralwasser ist wohl eher aus der Wellness- und Fitnesswelle heraus als Modeerscheinung zu verstehen. Ein Indiz dafür ist das vorhandene Markenbewusstsein. Das normale Leitungswasser in der Schweiz ist übrigens auch sehr empfehlenswert und wenn es mit Kohlensäure versetzt ist, bin ich fast sicher, dass viele es von Mineralwasser nicht unterscheiden können.


Zur Person

Wolfgang Kinzelbach ist seit 1.Januar 1996 ordentlicher Professor für Hydromechanik der ETH Zürich. Sein Forschungsinteresse gilt generell den Strömungs- und Transportvorgängen in der Umwelt mit praktischen Anwendungen im Gewässerschutz und der Gewässersanierung. Derzeit liegt der Schwerpunkt auf dem Boden- und Grundwassersektor. Seine Berufstätigkeit führte ihn nach Maiduguri, Nigeria, ans Kernforschungszentrum Karlsruhe und ans Umweltforschungsinstitut der Academia Sinica, Peking. Er hält in China auch Gastvorlesungen in Chinesischer Sprache.




Literaturhinweise:
Institut für Hydromechanik und Wasserwirtschaft: www.baug.ethz.ch/ihw/uebersicht_en.html

Fussnoten:
(1) Der Vortrag von Prof. Wolfgang Kinzelbach findet heute Freitag um 9:40 bis um 10:20 im Auditorium Maximum der ETH Zürich statt und ist öffentlich.



Sie können zu diesem Artikel ein Feedback schreiben oder die bisherigen lesen.




!!! Dieses Dokument stammt aus dem ETH Web-Archiv und wird nicht mehr gepflegt !!!
!!! This document is stored in the ETH Web archive and is no longer maintained !!!