ETH Life - wissen was laeuft

Die tägliche Web-Zeitung der ETH Zürich - in English

ETH Life - wissen was laeuft ETH Life - wissen was laeuft
ETH Life - wissen was laeuft
Home

ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Tagesberichte
Print-Version Drucken
Publiziert: 12.02.2001 06:00

ETH-Konferenz über friedenserhaltende Operationen
Lektionen aus Kosovo

Der eine ist Franzose, der andere Deutscher: Beide haben eine intensive Zeit als Krisenmanager in Kosovo verbracht. Bernard Kouchner (ehemaliger UNO-Administrator) und General Klaus Reinhardt (ehemaliger Kommandant der Kfor-Truppen) waren die Stars an der Konferenz über friedensunterstützende Operationen.

Von Roman Klingler

Man habe sie die "Zwillingsbrüder" genannt in Kosovo, eröffnete Bernard Kouchner sein Referat und sprach "von meinem Freund Klaus", wenn er über die enge Zusammenarbeit mit dem militärischen Oberkommandierenden in Kosovo berichtete. "Eine faszinierende Persönlichkeit", lobte seinerseits General Klaus Reinhardt den Franzosen Kouchner, der als UNO-Verwalter eineinhalb Jahre lange die Geschicke der zivilen Verwaltung in Kosovo lenkte.

Gerade diese Tatsache, dass sie sich als Vertreter von Ländern, die in der Geschichte mehrmals Kriege gegeneinander führten, verstanden und respektierten, habe man gegenüber den Kosovaren immer wieder zu unterstreichen versucht.

Im Unterschied zu den Militärs sei die zivile Führung (Unmik) nicht vorbereitet gewesen auf die enorme Aufgabe, die sie in Kosovo erwartete. Es galt, eine Verwaltung und politische Institutionen aus dem Nichts aufzubauen. Und das in einer Region, in der die elementarste Infrastruktur zerstört war und die Leute nicht einmal Ausweispapiere hatten.

Vorbild Militär

"Ohne die Hilfe der Kfor-Truppen wäre beispielsweise die Reparatur von Elektrizitätswerken schlicht undenkbar gewesen", so Kouchner. Der Aufbau von zivilen Polizeikräften verlief schleppend. Die Länder, die Polizeibeamte stellten, hatten laut dem ehemaligen UNO-Verwalter sehr unterschiedliche Vorstellungen von Risiko: "Einige Beamte konnten aufgrund dessen, was ihnen ihre Länder erlaubten, nicht einmal die Brücke von Mitrovica überqueren".

Auf eine wesentlich grössere Erfahrung bei friedenserhaltenden Operationen können die Militärs zurückblicken. General Reinhardt strich denn auch gerade die Mulitnationalität der Kfor-Schutztruppen als grosses Plus hervor. Das Kommando über die anfänglich 50'000 Mann sei relativ leicht gefallen, die Soldaten und Offiziere aus 39 Ländern hätten gute Arbeit geleistet. Schwieriger war offenbar mit dem Umstand umzugehen, dass zu Beginn der Operation fast alle Länder unterschiedliche Einschränkungen machten in bezug auf den Einsatz ihrer Truppenkontingente.

Noch keine Bewegungsfreiheit

Es sei sehr schwierig, Kosovo von aussen zu verstehen, meinte Bernard Kouchner und sprach von einem "kolonialen Syndrom". Die albanischstämmige Bevölkerungsmehrheit Kosovos fühlte sich von den Serben in Belgrad kolonial bevormundet. Die Serben und Albaner hätten sich zwar nicht immer in ihrer gemeinsamen Geschichte bekämpft, doch ihre Beziehung sei seit Jahrhunderten eine Beziehung des gegenseitigen Ignorierens.

Gemäss UN-Resolution 1244 soll sich die persönliche Sicherheit aller Bevölkerungsgruppen in Kosovo verbessern. Zwar sei es der internationalen Gemeinschaft gelungen, so General Reinhardt, die Gewalt einzudämmen. Heute zählt man noch drei bis vier Gewaltakte pro Woche, am Anfang der Mission wurden zehnmal mehr Menschen ermordet. Trotzdem ist das Ziel noch nicht erreicht, die Bewegungsfreiheit der in Kosovo lebenden Serben zu garantieren.


weitermehr

Klaus Reinhardt
Der Deutsche: General Klaus Reinhardt gross

Bernard Kouchner
Der Franzose: Bernard Kouchner gross

Wichtige Gemeindewahlen

Kouchner, der im Sommer 1999 seine Arbeit in Pristina aufgenommen hatte, unterteilte die Mission in vier Phasen. Die erste umfasste die Rückkehr der Hunderttausenden Vertriebener. In einer zweiten Phase ging es darum, die Befreiungskämpfer der UCK zu entwaffnen, was in relativ kurzer Zeit gelang. Der Aufbau von Verwaltung, Gerichtsbarkeit und politischen Institutionen unter Einbindung der Führer der verschiedenen Fraktionen (insbesondere Thaci und Rugova) stand im Zentrum der dritten Phase.

Schliesslich die Gemeindewahlen im vergangenen Oktober, die Kouchner als einen historischen Erfolg bezeichnete. Quer durch Europa sei man dagegen gewesen, aber er habe daran festgehalten. Kouchner: "Es ist eines der beglückensten Bilder, die ich in Erinnerung behalte, sind die langen Schlangen von Menschen, die warteten, bis sie ihren Wahlzettel in die Urne legen konnten." Auf die Frage aus dem Plenum, ob man besser noch etwas zuwarten solle mit der Durchführung von Gesamtwahlen in Kosovo, sprach sich der Franzose unmissverständlich für rasche Wahlen aus.

Heute seien zwar die meisten Schulen und Spitäler wieder in Betrieb und der Aufbau eines geordneten, öffentlichen Lebens ist unter den wachsamen Augen der UNO-Verwaltung im Gang. Aber sowohl Reinhardt wie auch Kouchner warnten vor allzu hohen Erwartungen. Das Gleichgewicht bleibt labil und die Wunden zwischen den verfeindeten Bevölkerungsgruppen sind noch lange nicht geheilt. Es brauche noch viel Zeit, so General Klaus Reinhardt, bis in Kosovo Toleranz einkehrt. Die internationale Gemeinschaft muss sich auf eine lange Präsenz in der "Unruheprovinz" einrichten.


Zur Person

Bernard Kouchner war zwischen Juli 1999 bis Januar 2001 der Spezialrepräsentant des UNO-Generalsekretärs für Kosovo sowie Chef der "UN Interim Administration in Kosovo"(Unmik). Zuvor war der Vollblutpolitiker Mitglied verschiedener französischer Regierungen. Kouchner ist eben erst ins Kabinett Jospin berufen worden als Gesundheitsminister. Der studierte Arzt ist Gründer von "Médecins sans Frontières".

General Klaus Reinhardt war zwischen Oktober 1999 und April 2000 Oberkommandierender der Kfor-Truppen in Kosovo. Zuvor hatte der Vier-Sterne-General schon den Führungsstab der Nato-Landstreitkräfte in Zentraleuropa befehligt. Er war ebenfalls Kommandierender des deutschen UN-Kontingents in Somalia, wie auch der deutschen Unprofor, Ifor und Sfor-Truppen.




Literaturhinweise:
Informationen zu General Reinhardt unter: www.kforonline.com/resources/bios
Informationen zu Bernard Kouchner unter: www.un.org/peace/kosovo/pages



Sie können zu diesem Artikel ein Feedback schreiben oder die bisherigen lesen.




!!! Dieses Dokument stammt aus dem ETH Web-Archiv und wird nicht mehr gepflegt !!!
!!! This document is stored in the ETH Web archive and is no longer maintained !!!