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Rubrik: Tagesberichte |
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Geologische Hindernisse beim Bau der Neuen Eisenbahn Alpentransversale (NEAT) Kritischer Abschnitt sicher bewältigt |
Wieder einmal sorgen geologische Probleme beim Bau der neuen Eisenbahn-Basistunnels für Schlagzeilen. Die Geologen können aber auch Erfolge vermelden. So wurde am Lötschberg ein heikler Abschnitt sicher und in kurzer Zeit durchquert. Ein an der ETH Zürich entwickeltes Verfahren hat massgeblich dazu beigetragen. Von Felix Würsten Der Bau der beiden grossen Eisenbahn-Basistunnels durch die Alpen läuft zur Zeit auf Hochtouren. Auf den NEAT-Baustellen am Gotthard (1) und Lötschberg (2) hat sich inzwischen ein regelrechter industrieller Betrieb etabliert. Die Arbeiten kommen bei beiden Tunneln im Grossen und Ganzen planmässig voran. Obwohl die Tunnelbauer in der Planungsphase umfangreiche Erkundungen durchführten, kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Vortrieb auf Grund von unvorhergesehenen geologischen Schwierigkeiten plötzlich ins Stocken gerät. So stiessen die Mineure am Gotthard kürzlich auf eine unerwartete Störzone, die erhebliche zusätzliche Kosten verursachen wird (s. Kasten).
Erfolgsmeldung am Lötschberg Dass die Geologen durchaus in der Lage sind, kritische Abschnitte so zu erkunden, dass sie ohne unvorhergesehene Schwierigkeiten durchörtert werden können, wurde in den letzten 10 Monaten am Lötschberg demonstriert. Die heikle Durchquerung der Doldenhorndecke ist praktisch abgeschlossen, und die potentiell schwierige Passage konnte ohne Zwischenfälle bewältigt werden. Dies ist nicht zuletzt auch einer Untersuchungsmethode zu verdanken, die von Forschern der ETH Zürich entwickelt wurde. Die Doldenhorndecke gilt nicht wegen ihren Gesteinen als heimtückisch - die harten Kalke lassen sich ohne grössere Probleme durchbohren - sondern wegen den teilweise wasserführenden Karststrukturen, welche die Gesteinsschichten durchziehen. Wenn die Tunnelbauer beim Vortrieb ohne Gegenmassnahmen eine grössere wasserführende Karststruktur anfahren, droht ein Unglück, könnten im Extremfall doch plötzlich mehrere Tausend Liter Wasser und Schlamm pro Sekunde in die Tunnelröhre hereinbrechen und die Arbeiter und Teile des Bauwerks gefährden.
Punktuelle Erkundung reicht nicht Wo genau die häufig nur wenige Dezimeter mächtigen Hohlräume durchziehen, kann nicht ohne weiteres gesagt werden. Die Chance, dass man mit einer Sondierbohrung einen Karstgang auf der Tunnelachse entdeckt, ist sehr gering. Gefragt sind daher Methoden, welche indirekte Hinweise auf mögliche gefährliche Klüfte liefern. Wie Simon Löw, Professor für Ingenieurgeologie am Geologischen Institut der ETH Zürich (3) erklärt, wollte man ursprünglich mehrere rund 1400 Meter lange Richtbohrungen aus einem Stollen zwischen den Tunnelröhren vortreiben und diese Bohrungen für umfangreichere Messungen benutzen. So hätte man die gesamte Strecke durch die Doldenhorndecke im voraus erkunden könnten, ohne den Tunnelvortrieb zu stören. Die erste solche Bohrung zeigte jedoch, dass dieses Vorgehen nicht zweckmässig ist. Hydrogeologische Messungen Die am Projekt beteiligten Geologen und Ingenieure entwickelten daher zusammen mit der ETH Zürich eine andere Methode, die den Tunnelbauern innert kurzer Zeit die wesentlichen Daten liefert. Von der Tunnelbrust aus wurden jeweils zwei horizontal verlaufende, 250 bis 300 Meter lange Sondierbohrungen vorgetrieben. Die Geologen analysierten nicht nur die Bohrkerne, sondern nutzten die Bohrungen auch für umfassende hydrogeologische Messungen.
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Am Eingang der Bohrlöcher direkt an der Tunnelbrust wurden dazu empfindliche Drucksensoren installiert. Die Geologen massen dann, wie sich der hydraulische Druck in den Bohrlöchern entwickelt, wenn man das Wasser kontrolliert auslaufen lässt. Anhand dieser Daten konnten sie abschätzen, ob auf den nächsten 250 bis 300 Metern mit wasserführenden Karststrukturen zu rechnen ist. Mit der Methode konnten sie auch abschätzen, wie viel Wasser allenfalls in den Tunnel eindringen wird und ob das Gebirge abgedichtet werden muss. Richtige Prognose Das System hat sich sehr gut bewährt, erzählt Löw. So konnten die Geologen mit ihren Messinstrumenten rechtzeitig eine grössere Karsthöhle entdecken. Die Messungen zeigten allerdings auch, dass der Hohlraum mit Lockergestein verstopft war und daher praktisch kein Wasser führte. Das Expertenteam gab daher Entwarnung und riet, den Vortrieb ohne vorgängige Gebirgsinjektionen weiterzuführen. Als die Mineure den Hohlraum freigesprengt hatten, zeigte sich, dass die Prognose richtig war. Die Erdwissenschaftler haben für die Vorauserkundung nicht nur hydraulische Drucksensoren, sondern auch geophysikalische Messmethoden eingesetzt. So wurden aus den Bohrlöchern heraus die umgebenden Gesteine mit Radarreflexion untersucht. Es zeigte sich allerdings, dass man mit diesem Verfahren die Karststrukturen in der Doldenhorndecke nicht eindeutig erkennen kann.
Offener Umgang mit Problemen Löw hat zusammen mit seinen Mitarbeitern im Auftrag der BLS AlpTransit AG verschiedene Forschungsarbeiten durchgeführt. Für die Zusammenarbeit mit der Projektleitung findet er nur lobende Worte. Die Verantwortlichen hätten die geologischen Probleme stets offen und klar angesprochen und versucht, durch Voruntersuchungen unerwartete Schwierigkeiten zu verhindern. Die Strategie der Projektleitung hat sich am Lötschberg bewährt; die Doldenhorndecke wurde immerhin ein halbes Jahr schneller als geplant und mit deutlich geringeren Kosten durchquert. Schon bald steht den Tunnelbauern die nächste heikle Passage bevor. Nach der Doldenhorndecke führt der Tunnel über mehrere hundert Meter durch die schwierigen autochthonen Schichten des Aarmassivs. Diese bestehen zu einem grossen Teil aus leicht löslichem Anhydrit und Gips, sowie aus weichen Tonsteinen und Schiefern. Da diese Gesteinsschichten während der Alpenfaltung teilweise tektonisch stark beansprucht wurden, sind sie heute stark zerbrochen und wenig stabil. Wie gross der Aufwand sein wird, um die Strecke zu bewältigen, ist noch nicht ganz klar, berichtet Löw. Vermutlich wird man versuchen, im voraus mit Hilfe von Drainagebohrungen den hohen Porenwasserdruck von bis zu 60 bar im Gestein abzusenken, um dieses zu stabilisieren.
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