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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 22.10.2003 06:00

Die Polybahn: Unterwegs seit 114 Jahren
„Bitte zurücktreten!“

Die Polybahn gehört seit jeher zum Zürcher Stadtbild wie zum Alltag der Studierenden. Doch das nostalgische Gefährt ist weitaus mehr als nur ein Transportmittel vom Central zur ETH. Ein Blick in Geschichte und Gegenwart.

Von Claudia Werschlan

Die etwas metallische und bedrohlich anmutende Stimme ertönt immer dann, wenn man dem beliebten Transportmittel der Zürcher Studierenden zu nahe kommt: „Bitte zurücktreten!" Die Polybahn, der "Studenten-Express" oder auch die "Zürichberg-Bahn" (ihr ursprünglicher Name) hat seit ihrer Inbetriebnahme 1889 nicht nur mehrere neue Anstriche erhalten. Das Zürcher Verkehrs-Unikum wurde durch die Totalsanierung im Jahr 1996 zu einem Hightech-Verkehrsmittel, das nur noch durch sein nostalgisches Kleid mit seiner Vergangenheit verbunden ist.

Touristen, Bahnliebhabende und nicht zuletzt Studierende sowie Dozierende dürften jeweils die paar Momente geniessen, die es dauert, sich gemütlich vom Limmatquai über einen Viadukt, der den Seilergraben überquert, zur ETH transportieren zu lassen. – Sofern sich nicht unzählige andere Drahtseil-Pendler in der engen Kabine befinden. Bei einer Maximalkapazität von 50 Personen kann das auch ziemlich unangenehm werden.

Der kleine rote Freund der Studis

Für die meisten Studierenden gehört die Fahrt trotz aller Nostalgie zum Alltag. Entweder ist es still oder man hört, wie Studierende sich über Vorlesungen und Übungen unterhalten. Manche Fahrgäste scheinen auch dann noch zu rechnen und zu studieren, wenn sie bereits in der Kabine Platz genommen haben. Einige Eckwerte: Die Polybahn legt eine Strecke von 176 und eine Höhendifferenz von 41 Metern zurück, klettert dabei mit einer mittleren Steigung von 23 Prozent während 100 Sekunden mit einer Leistung von 90 kW den Berg hinauf.

Unsichere Zeiten

Die Polybahn hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich, während der es wiederholt um Sein oder Nichtsein ging. Am 8. Januar 1889 nahm sie ihren Betrieb auf, schon acht Jahre später wurde vom bisherigen Wasser- auf elektrischen Antrieb umgestellt. Der Publikumserfolg – für das Jahr 1923 wurde eine Million Passagiere gezählt – konnte nicht verhindern, dass die Polybahn ab 1950 wiederholt in die roten Zahlen fuhr. 1966 wurde die Konzession ein letztes Mal um zehn Jahre verlängert. Es folgten weitere Jahre mit hohem Betriebsdefizit, worauf die Zürichbergbahn-Gesellschaft auf eine Erneuerung der Konzession verzichtete.


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Ein ungewohntes Bild – die Polybahn fast leer gross

Ab 1972 setzte sich der Verein Pro Polybahn stark für den Erhalt der Bahn ein. Dass es sie heute noch gibt, ist der von der damaligen Schweizerischen Bankgesellschaft 1976 gegründeten Gesellschaft „SBG-Polybahn AG“ zu verdanken. Sie sicherte fortan mit finanzieller Unterstützung den langfristigen Erhalt und stellte die Weichen für die Zukunft. Heute können die Polybahn und ihre Betreiber gelassen in die Zukunft blicken.

In Fahrt per Draht

In ihrem 101. Betriebsjahr ging die Polybahn 1990 in den Zürcher Verkehrsverbund über. Gehegt und gepflegt von der VBZ ist die Bahn nun erfolgreicher denn je: Sie transportiert jährlich über zwei Millionen Passagiere. Vorbei sind die Zeiten, als der Motor der überfüllten Kabine am Anschlag war, oder als VBZ-Mitarbeiter fluchend versuchten, die stockende Bahn wieder in Betrieb zu setzen. Heute läuft die Bahn vollautomatisch und buchstäblich wie am Schnürchen. Als Antrieb dient ein so genannter Drehstrom-Asynchronmotor mit Frequenzumrichter.

Den Zürcher Studierenden und allen anderen Polybahnbenützenden- und Liebhabenden wird die Bahn auch künftig das Gefühl verleihen, sich im falschen Jahrhundert zu befinden. Denn bis dieses lebendige Kapitel Zürcher Verkehrsgeschichte in den Ruhestand ins Trammuseum Zürich treten wird, werden noch einige Jahre vergehen. „Bitte abtreten!“ wird es also noch lange nicht heissen.


Literaturhinweise:
Trammuseum Zürich: www.tram-museum.ch/Seiten_Zeitreise/in_Zuerich/zb-D.htm,
Geschichte der Polybahn: www.vbz.ch/html/mobil/polybahn/



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