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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 22.01.2003 06:00

Fotoausstellung über die Ölkatastrophe in Galizien
Beklemmende Strandbilder

Eine Fotoausstellung im Hauptgebäude der ETH zeigt, wie die Helfer an der galizischen Küste verzweifelt gegen das klebrig-schwarze Öl des gesunkenen Tankers "Prestige" kämpfen. Die dazugehörigen Begleittexte hinterfragen den Zynismus des Ölgeschäftes, der immer wieder zu derart verheerenden Katastrophen führt.

Von Felix Würsten

Am 19. November 2002 sank der Öltanker "Prestige" vor der galizischen Küste. In der Folge wurde Nordwestspanien von einer verheerenden Ölkatastrophe heimgesucht. Noch während Jahren, so sind Experten überzeugt, wird an den Küsten von verschiedenen europäischen Ländern das schwere Öl aus dem gesunkenen Tanker auftauchen. Fast aussichtslos scheint da der verzweifelte Kampf der Freiwilligen, welche die schwarz-verklebten Strände bei La Coruña zu säubern versuchen.

Nie mehr wieder?

Während sich die spanischen Politiker lange Zeit weitgehend ignorant zeigten, beteuerten auf EU-Ebene verschiedene Politiker und Beamte, man wolle nun sofort dezidiert für mehr Sicherheit in den europäischen Gewässern sorgen. Ob den vollmundigen Versprechen die entsprechenden Taten folgen werden, ist allerdings fraglich. Der Aufsehen erregende Fall "Prestige" verschwindet allmählich aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit, und damit sinkt auch der Druck auf die Verantwortlichen zu handeln.

Die Ausstellung "Nunca máis! - Nie mehr wieder!" im Hauptgebäude der ETH Zürich (1) möchte diesem drohenden Vergessen nun entgegenwirken, wie Albert Waldvogel erklärte. Der Delegierte der Schulleitung der ETH Zürich zeigte sich bei der gestrigen Eröffnung der Ausstellung befremdet, wie die Menschheit mit voraussehbaren Katastrophen umgeht. Es sei zu befürchten, dass der Ruf "Nunca máis!" ungehört verhallt und dass einmal mehr wenig Konkretes unternommen wird, um solche Unfälle zu verhindern.

Anstrengung und Verzweiflung

Die Ausstellung zeigt eindrücklich, was das Unglück für Galizien bedeutet. Die Fotografien von Manuel Bauer und Marc Latzel vermitteln ein beklemmendes Bild der Zerstörung. Die Aufnahmen von Helfern, die in ölverschmierten Anoraks unter grosser Anstrengung von Hand Öl beiseite schleppen, oder das Porträt einer verzweifelten Frau, deren Kräfte angesichts der endlosen Verwüstung schwinden, machen deutlich, dass Galizien noch weit von der Normalität entfernt ist.

Mit kurzen, sachlichen Texten beleuchtet der Journalist Christian Schmidt die politisch-wirtschaftlichen Hintergründe der Katastrophe. Durch diesen Kontrast gelingt es den Ausstellungsmachern, den Zynismus des Ölgeschäfts deutlich zu machen. Es ist ein Geschäft, an dem viele verdienen, auch in der Schweiz. So wurde die Unglücksfahrt der Prestige beispielsweise von der Genfer und der Waadtländer Kantonalbank mitfinanziert.

Verantwortung von Banken und Versicherungen

Für Andreas Reinhart, Präsident des Stiftungsrats der Volkart Stiftung Winterthur (2), ist das, was in Galizien passiert ist, schlechthin ein Verbrechen. Banken und Versicherungen hätten daran eine grosse Verantwortung, weil sie derart gefährlichen Transporte erst möglich machen. Das geladene Öl hatte einen Wert von neun Millionen Euro - die volkswirtschaftlichen Schäden für die betroffene Region belaufen sich bis heute hingegen auf eine Milliarde Euro. Die Ausstellung ist Teil eines längerfristigen Projektes, das von der Volkart Stiftung Winterthur unterstützt wird. Die Autoren der Ausstellung möchten die Geschehnisse rund um den Untergang der Prestige, die Folgen für die Umwelt und die betroffene Bevölkerung nun über längere Zeit hinweg verfolgen, wie Schmidt erklärte.

"Die Kübel mit dem Schweröl werden von einer Menschenkette bis zur nächtsten Strasse weitergereicht. Lastwagen bringen die Fracht ins Landesinnere. Hier wird das Öl in einer ehemaligen Kiesgrube zwischengelagert, die nur mit einem Plastik gegen das Grundwasser abgedichtet ist. Irgendwann später, so heisst es, soll es zu Asphalt verarbeitet werden."


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"Am Strand von San Vincente do Mar. Der Zivilschutz hat den Freiwilligen Masken verteilt, doch sie nützen nur gegen Staub. Die Dämpfe des Schweröls sind 'possibly carcinogenic.'" (Bilder: M. Bauer/Lookat; Legenden: C. Schmidt/Kontrast)

Unterschiedlich gut abbaubar

Mineralöl wird in der Natur durch geochemische und biologische Prozesse mit der Zeit abgebaut. Verschiedene Mikroorganismen können mit Hilfe von Oxidationsmitteln - etwa Sauerstoff oder dreiwertiges Eisen - Öl in Kohlendioxid umwandeln. Wie schnell das aus der Prestige ausgelaufene Mineralöl abgebaut wird, ist heute noch unklar. Entscheidend sind dabei verschiedene Faktoren, wie Josef Zeyer, Professor für Bodenbiologie am Institut für terrestrische Ökologie der ETH Zürich, erklärt (s. Kasten) (3). Beim Unfall der "Exxon Valdez" (4), die 1989 im Prince Williams Sound in Alaska verunglückte, dauerte es beispielsweise mehrere Jahre, bis das Öl auf den Stränden abgebaut wurde. Das zähe schwere Öl aus Alaska vermischte sich in der ruhigen Bucht kaum mit dem Wasser, sondern verklebte zu einer relativ kompakten Schicht. Da das Wasser in diesen Breiten zudem nur wenige Nährstoffe aufweist, konnten die Bakterien das Öl nur langsam abbauen.

Ganz anders hingegen verlief der Fall "Braer". Dieser Tanker verunglückte 1992 vor den Shetland Inseln. Die Braer hatte leichtes Mineralöl geladen, das in der stürmischen Nordsee mit dem Wasser eine Emulsion bildete, die biologisch gut abbaubar war. Bereits nach wenigen Wochen konnten an der Küste kaum mehr Spuren des Mineralöls nachgewiesen werden.

Die Prestige ist leider eher mit der Exxon Valdez vergleichbar als mit der Braer. Das zähe Prestige-Öl verklumpt leicht und ist für Mikroorganismen kaum zugänglich. Obwohl das Oberflächenwasser vor Galizien wärmer und nährstoffreicher ist als dasjenige im Prince Williams Sound, wird es daher noch lange Zeit dauern, bis die schwarz-klebrigen Spuren der Prestige verschwunden sind.


Vergleichbare Prozesse

Am Departement Umweltnaturwissenschaften der ETH Zürich beteiligen sich mehrere Arbeitsgruppen mit dem Ausbreitungs- und Abbauverhalten von Mineralöl in der Umwelt. Katastrophale Ereignisse wie in Galizien werden an der ETH allerdings nicht untersucht; vielmehr beschäftigen sich die Forscher mit Unfällen, bei denen Heizöl oder Benzin in das Grundwasser gelangt. Die Studienobjekte, welche Josef Zeyer als Beispiele erwähnt, wirken neben dem Fall Prestige geradezu harmlos, gelangen doch bei einem typischen Unglück in der Schweiz "nur" etwa 10 bis 30 Kubikmeter Öl in die Umwelt. Die grundsätzlichen physikalischen, chemischen und biologischen Prozesse sind aber vergleichbar mit denjenigen bei einem grossen Tankerunglück.

Um die Ausbreitung und den Abbau von Mineralöl zu verstehen, braucht es das Zusammenspiel von unterschiedlichen Disziplinen, wie Zeyer erklärt. Mit modernen molekularbiologischen Methoden etwa kann man zeigen, wie die verschiedenen Populationen von Mikroorganismen funktionieren. Auch hydrogeologische Kenntnisse sind von Bedeutung. Wenn man nicht weiss, wie das Wasser im Untergrund fliesst, kann man die Prozesse im Boden nicht quantifizieren.

Besonders wertvolle Informationen erhält man durch die Analyse der stabilen Isotopen. Das Verhältnis der beiden Kohlenstoffisotopen C-13 und C-12 oder dasjenige der Schwefelisotopen S-34 und S-32 erlauben Rückschlüsse, wie weit die Umwandlung des Mineralöls fortgeschritten ist. In den letzten Jahren wurden verschiedene Fälle genau untersucht, wie Zeyer berichtet. Daher weiss man heute recht gut, was sich bei einem Mineralölunglück abspielt.




Fussnoten:
(1) ETH-Zentrum, Hauptgebäude, Galerie F-Stock, Rämistrasse 101, Zürich. Bis 3. Februar 2003. Geöffnet: Mo bis Fr von 10 bis 20 Uhr, Sa 10 bis 17 Uhr, So geschlossen.
(2) Webseite der Volkart Stiftung Winterthur: www.volkart.ch
(3) Webseite des Instituts für terrestrische Ökologie: www.ito.umnw.ethz.ch
(4) Informationen über die Exxon-Valdez-Katastrophe: www.oilspill.state.ak.us



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