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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 25.02.2005 06:00

Zum Einsatz von Funkchips
Sensoren und Sensibilitäten

Winzige Funkchips, die RFID-Tags, werden immer häufiger eingesetzt. Das erzeugt Ängste. Ein ETH-Experte äussert sich zur entsprechenden Technik, die in diesem März auch ein Thema einer Konferenz an der ETH sein wird. Er weist auch auf eine Eigenentwicklung hin, die mehr Transparenz ins Datensammeln mit der RFID-Technik bringen soll.

Von Christoph Meier

Wenn es funkt, dann ist dieser Vorgang selten ersichtlich. Das gilt auch für die RFID-Technik, bei der zwischen einem Lesegerät und einem RFID-Tag oder Transponder drahtlos Informationen fliessen. Dadurch eignen sich die Tags für eine effiziente Kontrolle von Warenlagern (vgl. Kasten). So will der Einzelhandelskonzern Wal-Mart ab 2006 von den Lieferanten nur noch mit Funk-Chips versehene Ware akzeptieren. Der Kunde wird heute aber auch vermehrt direkt mit der RFID-Technik konfrontiert: Die neue Buchausleihe der Stadtbibliothek Winterthur basiert beispielsweise darauf. Gemäss der Zeitung „Die Welt“, arbeitet die Europäische Zentralbank mit Hilfe der Funk-Chips an der fälschungssicheren Banknote.

„Big Brother“-Technik?

Obwohl seit einem halben Jahrhundert bekannt, scheint die RFID-Technik erst heute richtig Fuss zu fassen. Aufgrund ihrer diskreten Arbeitsweise löst sie aber Ängste aus. Die Rede ist von Schnüffelchips und vom gläsernen Kunden, dessen Einkäufe analysiert und verfolgt werden können. 2003 erhielt die Metro AG für das Projekt „future store", mit dem die RFID-Technik in Deutschland propagiert werden soll, den BigBrotherAward in Deutschland in der Kategorie Verbraucherschutz (1). Katherine Albrecht, eine amerikanische Konsumentenschützerin verglich das Risiko der Technik in einem Artikel sogar mit dem der Nuklearwaffen.

Ist die Menschheit also durch die neue Technik grundlegend gefährdet? Marc Langheinrich winkt ab. Der Doktorand am ETH-Institut für Pervasive Computing(2)widmet seine Forschung seit längerem dem Datenschutz in bei der Computerisierung des Alltags. Für ihn stellt die RFID-Technik kein spezielles Risiko dar. „Ängste treten fast immer auf bei der Einführung einer neuen Technik“, relativiert der Forscher. Schon als die Barcodes Einzug hielten, hätten manche befürchtet, eine Nummer zu werden. Heute gehört diese Markierung zum Alltag. Zudem sei erstaunlich, dass Kundenkarten, die das Auskundschaften von Kosumgewohnheiten leicht machen, ohne grosse Bedenken verwendet würden.

Einfacher Schutz möglich

Dass sich die Allmachtsfantasien in Bezug auf die Funkchips erfüllen werden, ist nach Ansicht von Langheinrich aus technischen Gründen unwahrscheinlich: „Die elektromagnetischen Wellen werden sehr leicht gestört, sei es durch Wasser oder Metall.“ Bereits eine Aluminiumtüte reicht, um beispielsweise seine Einkäufe innerhalb eines Supermarktes vor den Lesegeräten abzuschirmen. Ein Stapel Banknoten wäre auch nicht lesbar. Bei vielen der heute verwendeten Tags kommt noch dazu, dass sie je nach Ausrichtung im Feld des Lesegerätes nicht gelesen werden können. Entsprechend beschränke sich ihr Einsatz in der Industrie meist auf die Lagerung der Waren, bei der das Zusammenspiel von Tags und Lesegeräten genau aufeinander abgestimmt werden kann.

Zusammenhänge kreieren

Trotz dieser Einschränkungen schlägt Langheinrich nicht alle Bedenken in Bezug auf die RFID-Technik in den Wind. Ein durch den Einsatz von RFID erleichtertes Datensammeln erlaubt im verstärkten Masse Korrelationen. Wird massenweise das individuelle Kaufverhalten von Kunden bestimmt, finden sich leicht bisher nicht beachtete Zusammenhänge, sei es, dass Käufer von Windeln gerne auch einen Sixpack Bier mitnehmen (3). Während solche Massnahmen durch erhöhte Absatzzahlen kurzfristig Preise senken könnten, besteht allerdings auch die Gefahr, als einzelner Kunde mittels solcher Profile leichter manipulierbar zu werden.

„Denkbar ist natürlich auch, dass RFID-Lesegeräte zum Spass eingesetzt werden“, meint Langheinrich. Geneigte Nutzer würden vielleicht versuchen herauszufinden, was für Unterwäsche das Gegenüber trägt – ein vielleicht ärgerlicher Zeitvertreib, womöglich aber kaum kritisch für unsere Zukunft.


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An der ETH werden auch die Auswirkungen von RFID-Chips auf den Persönlichkeitsschutz unter die Lupe genommen.

Das viel beschworene Ausspähen unserer Inneneinrichtung durch umtriebige Diebe aus dem vorbeifahrenden Auto heraus wird auf jeden Fall kaum Realität werden – hier werden, wie so oft, die Möglichkeiten der Technik überschätzt. Grundsätzlich wird es einfach nötig werden, existierende Gesetze zum Datensammeln oder zum Persönlichkeitsschutz im Rahmen der neuen technischen Möglichkeiten zu interpretieren, findet Langheinrich. Dabei könnte es selbstverständlich wie schon bei der Handyfotografie vereinzelt zu Verboten kommen.

Watching Big Brother

Doch die neue Technik lässt sich nicht nur gesetzgeberisch in den Griff bekommen, sondern auch technisch. Die vom ETH-Forscher mitentwickelten Watchdog-Tags sollten es Interessierten ermöglichen, über Handy oder Palm Informationen über Lesegeräte zu erhalten. Die Lesegeräte deklarieren dabei dem Watchdog-Tag, was für Daten zu welchem Zweck gesammelt werden. „Im Moment haben wir das gesamte Protokoll noch auf Wireless-Lan simuliert“, erläutert Langheinrich den Stand der Dinge, „doch arbeiten wir gerade an einer kompletten Hardware-Implementation bestehend aus Lesegerät und PDA-Watchdog“. Mit seinem Projekt sei er an Vorträgen auf grosses Interesse gestossen. Auch bei Industrievertretern, denn die Industrie wolle auch nicht immer der Buhmann sein. Insofern besteht die Chance, dass RFID-Lesegeräte in Zukunft in detaillierter Weise auf sich aufmerksam machen und so sowohl Konsumenten als auch Datenschützern einen besseren Überblick über die tagtäglichen Datensammlungen verschaffen.

Langheinrich ist überzeugt, dass die RFID-Tags in den nächsten fünf Jahren bei der Zulieferung der Waren, also auf Paletten und Gebinden, die Barcodes mehrheitlich abgelöst werden haben. Ansonsten sei es schwierig, spezifische Prognosen für die RFID-Technik zu stellen. „Auf jeden Fall schreitet die Computerisierung des Alltags voran“. Einen Einblick, wie weit sie fortgeschritten ist, gibt das Symposium „Der Computer im 21. Jahrhundert: Die Informatisierung des Alltags“, das am 21. und 22. März an der ETH stattfindet. Innerhalb dieser Veranstaltung, die Teil der 150-Jahr Feier der ETH ist, kommt es zu einer Podiumsdiskussion unter dem Titel „RFID im Supermarkt: Rückkehr des Tante-Emma-Ladens?“(4).


RFID

RFID steht für Radio Frequency Identification (Identifizierung per Funk). Mit dieser Technik können berührungslos Daten gelesen und gespeichert werden. Diese werden auf so genannten "RFID-Tags" (englisch für Etikett) gespeichert. Weil diese Etiketten extrem flach und klein sind, können sie an nahezu jedem Objekt angebracht werden. Die gespeicherten Daten lassen sich über Funk auslesen und können somit, im Gegensatz zu den heute allgegenwärtigen Barcodes, auch ohne direkte Sichtverbindung ausgelesen werden. Darüber hinaus ermöglichen RFID Tags die Speicherung grösserer Datenmengen als Barcodes, wodurch beispielsweise jedes Produkt eine individuelle Seriennummer im Tag erhalten kann. Die Entfernung, über die ein Tag ausgelesen werden kann, schwankt durch unterschiedliche Sendestärken, Empfangstechniken und Umwelteinflüsse zwischen wenigen Millimetern und maximal 30 Metern.




Fussnoten:
(1) Die BigBrotherAwards 2003 in Deutschland: www.bigbrotherawards.de/2003/.cop/
(2) Institut für Pervasives Computing: www.pc.inf.ethz.ch//
(3) Dieses oft zitierte Beispiel ist allerdings eher eine Urban Legend. Siehe http://web.onetel.net.uk/~hibou/Beer%20and%20Nappies.html
(4) Symposium "Der Computer im 21. Jahrhundert. Die Informatisierung des Alltags": www.comp21.ethz.ch/



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