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ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 09.07.2007 06:02

Feldarbeit des Instituts für Atmosphäre und Klima IAC
Am Wasser im Feld

Auszeichnungen und grosse Forschungserfolge bringen Wissenschafter und Wissenschafterinnen regelmässig in die Schlagzeilen. Vergessen geht dabei der Alltag der Forschenden, der häufig durch unspektakuläre Kleinarbeit geprägt wird – wie die Feldmessungen des Hydrologen Ueli Moser.

Gabrielle Attinger

Punkt viertel nach acht Uhr morgens steht alles bereit: Ein Laptop muss mit, die Tasche mit den Tabellen und einer Flasche für die erste Wasserprobe sowie der Znünisack mit dem Picknick und einem Sonnenhut. Ueli Moser lädt alles ins Auto, das er für diesen Tag aus dem ETH-Wagenpark gemietet hat, und fährt dann los Richtung Toggenburg. Moser ist am Institut für Atmosphäre und Klima IAC in der Gruppe Land-Klima Wechselwirkung tätig. In seinen Aufgabenbereich fällt das hydrologische Forschungsgebiet Rietholzbach, das in den Voralpen der Ostschweiz nahe der Kantonsgrenze von Zürich und St. Gallen auf dem Gemeindegebiet von Kirchberg und Mosnang liegt. Die ETH misst dort auf einem rund drei Quadratkilometer umfassenden Einzugsgebiet den Niederschlag, den Abfluss und das Grundwasser am und rund um den Rietholzbach. Alle zwei Wochen fährt der Hydrologe dafür ins Feld, zu jeder Jahreszeit und egal, ob die Sonne scheint, ob es windet, regnet oder schneit. In Bauma legt Moser gewöhnlich einen kurzen Halt ein, um im Volg Verpflegung für den Tag einzukaufen. Dann geht es weiter Richtung Hulftegg. Kurz vor der Passhöhe liegt die Kantonsgrenze zwischen Zürich und St. Gallen. Noch vor ein paar Jahren wäre im Winter der Schnee jeweils bis nur an diese Linie geräumt gewesen, erinnert sich Moser. Heute endet lediglich der Velostreifen exakt an der Kantonsgrenze.

Gemeinschaftshütte am Bach

Erste Station im Forschungsgebiet ist die Abflussstation Rietholzbach. Auf dem Bauernhof Rietholz parkiert Moser den Wagen. Von da geht es über die Weide bergab in den Wald, der den Rietholzbach hier umgibt. Direkt oberhalb eines kleinen Wasserfalls betreibt das Bundesamt für Umwelt eine seiner hydrometrischen Stationen. Die ETH ist Mitbenutzerin der massiven Holzhütte auf einer Betonplattform, in der die Aufzeichnungsgeräte untergebracht sind. Moser misst den Pegelstand anhand der ins Wasser führenden Latte und vergleicht ihn dann mit der automatischen Messung durch den Luftdruckpegel. Die Daten werden notiert, Datum und Uhrzeit beigefügt. Dann kontrolliert Moser mittels Telefonuhr die Uhrzeit und vergleicht sie auch mit derjenigen auf den Apparaten des Bundes. Eine mehr als fünfminütige Abweichung würde er jeweils nach Bern melden, erklärt er. Das kürzlich erfolgte Hochwasser hat viel Geröll ins Messbecken geschwemmt, Steine bedecken den Temperatursensor der ETH. Moser schaufelt ihn mit einer grossen Schaufel auf dem Beckenrand kniend frei. Dann nimmt er die erste von insgesamt sieben Wasserproben. Das Fläschchen, das er bereits beschriftet mit sich führt, muss vor dem Füllen dreimal ausgespült werden, „am besten mit dem selben Wasser, das nachher eingefüllt wird“, erklärt er, „und es darf keine Luftbasen enthalten.“ Das Fläschchen wird ebenfalls mit der Uhrzeit beschriftet und verpackt. Und bevor er die Hüttentür wieder verriegelt, wischt Moser sogar noch den Boden. Man könne ja ein fremdes Haus nicht schmutzig hinterlassen, kommentiert er.

31 Jahre hydrologische Messungen

Seit Januar 1976 werden die Messreihen am Rietholzbach ohne Unterbruch durchgeführt. Anlass dazu waren besonders trockene Verhältnisse in den frühen Siebzigerjahren, die den Wasserhaushalt und seine Abhängigkeit von den klimatischen Bedingungen ins Zentrum des wissenschaftlichen Interesses rückten. Der Standort wurde aufgrund verschiedener Kriterien ausgewählt: Der Untergrund ist dicht, das Gebiet überschaubar, nur knapp ein Viertel davon ist bewaldet. Es ist schwach besiedelt und nicht allzu weit weg von Zürich. Zudem fliesst das Wasser über die Thur bis in den Rhein, ohne unterwegs durch einen See gebremst zu werden. Die Messresultate am Rietholzbach können daher möglicherweise für die Ermittlung der Rheinpegelvorhersage in Rheinfelden herangezogen werden. Der Hydrologe Herbert Lang von der Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie VAW entschied sich damals für das Gebiet im Toggenburg. Eine Vielzahl von wissenschaftlichen Artikeln, Dissertationen und Diplomarbeiten sind seither aufgrund der Messungen im Forschungsgebiet Rietholzbach entstanden. In den regelmässig stattfindenden Feldkursen und an Exkursionen wurde schon eine ganze Generation von Studierenden in die Technik der hydrologischen Datenerhebung eingeführt.

Messen und beobachten

Seit zehn Jahren ist Ueli Moser mit dabei und betreut seither das Forschungsgebiet. Er messe und beobachte gerne, gibt er zu Protokoll, und wenn das Wetter so gut sei wie an diesem Tag, wäre der Feldtag eine willkommene Abwechslung. Vor allem aber ist der Aufenthalt im Feld konzentrierte Präzisionsarbeit. Das zeigt sich deutlich in der Messstation Büel, deren Wartung meist mehrere Stunden in Anspruch nimmt. In der ETH-eigenen Holzbaracke, die nahe dem Rietholzbach steht, werden aus der Vorratskiste zunächst sieben Fläschchen mit beschriftbarem Klebeband versehen und fein säuberlich angeschrieben. Sechs davon dienen den noch bevorstehenden heutigen Wasserproben. Das siebte wird nach Zürich mitgenommen, so dass man in zwei Wochen wiederum richtig ausgerüstet bei der Abflussstation Rietholz anfangen kann. Mit Kabellichtlot, Schöpfgefäss, Eimer und Laptop ausgerüstet geht es dann los: An zwei Grundwasserstationen misst Moser den Wasserstand, die Temperatur und entnimmt Wasserproben. Erneut wird jedes Fläschchen dreimal ausgespült, jede Messung zur Sicherheit wiederholt. Die Daten, die sich seit seinem letzten Besuch in einem Speicher angesammelt haben, überträgt er auf seinen Laptop, um sie dann im Institut den Daten der automatisch übermittelnden Messgeräte hinzuzufügen. Jede halbe Stunde schaltet die Messautomatik ein. Bei der Entnahme der Wasserproben muss Moser also auf die Uhr schauen, um die die Automatik nicht zu stören.

Arbeit im Untergrund

Im Messfeld Büel stehen Wind-, Verdunstungs-, Regen- und Strahlungsmessgeräte, die alle kontrolliert und wenn nötig gereinigt und gewartet werden müssen. In den Boden eingelassen ist ein Lysimeter, ein Zylinder mit zwei Metern Durchmesser, der mit Erde gefüllt und von den ortsüblichen Pflanzen bewachsen ist. In einem Kellerraum darunter muss die aus dem Zylinder abgeflossene Wassermenge gemessen, eine weitere Wasserprobe genommen und weitere Geräte müssen auf ihre Funktionstüchtigkeit überprüft werden. Die Glaskappen und Kunststoffhauben der Strahlungssensoren müssen gereinigt werden. Auch mit Niederschlagswasser wird ein Probefläschchen gefüllt. Und an einem Seitenbach in der Nähe hat das angeschwemmte Geröll schon fast das ganze Abflussmessbecken gefüllt, dies gilt es wegzuschaufeln. Nur eine kurze Mittagspause vor der Baracke im Sonnenschein hat die Arbeit bis jetzt unterbrochen, und die Unterhaltsarbeiten dauern diesmal bis fast um fünf Uhr. Zurück in Zürich, wird Ueli Moser die Fläschchen vorerst in ein Lager stellen. Zurzeit ist nämlich niemand mit der Auswertung betraut. Ein ganzes Jahr gibt es inzwischen nachzuführen und zu dokumentieren. Ja, das sei unbefriedigend, sagt Moser. Er hofft, dass die zuständige Professorin Sonia Seneviratne bald entscheiden wird, wie es weiter gehen soll. Noch ein Jahr lang wird er alle zwei Wochen morgens um 8.15 Uhr die Utensilien ins Auto packen und Richtung Toggenburg fahren, um unspektakuläre Präzisionsarbeit zu leisten. Dann wird er pensioniert.


Papierarbeit: Ueli Moser notiert in der Hütte der Abflussstation Rietholzbach die Messungen. gross

Handarbeit: Der Temperatursensor im Wasser muss vom angeschwemmten Geröll befreit werden. gross

Kleinarbeit: Die erste Wasserprobe wird dem Rietholzbach entnommen. gross

Massarbeit: Mit dem Kabellichtlot wird der Grundwasserstand gemessen. gross

Arbeitsergebnis: Sieben Wasserproben warten auf den Transport nach Zürich. gross




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