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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 28.11.2000 06:00

Wissenschaft und Gesellschaft:
"Forschung nicht im luftleeren Raum"

Sie habe in keiner anderen Berufsgattung so viele gespaltene Persönlichkeiten angetroffen wie in der Wissenschaft. Und: die Wissenschafter müssten endlich erkennen, dass sie nicht in einem luftleeren Raum forschten. Dies sagte SP-Nationalrätin Simonetta Sommaruga gestern an einer Diskussionsveranstaltung an der ETH zum Thema Wissenschaft und Gesellschaft.

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Die Berner SP-Nationalrätin und Präsidentin der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) hatte vor zwei Jahren an vorderster Front für die Annahme der umstrittenen Genschutz-Initiative gekämpft. Das Volk entschied anders und lehnte das Volksbegehren wuchtig ab. An ungezählten kontradiktorischen Veranstaltungen im Vorfeld er Abstimmung sei sie vielen Wissenschaftern begegnet. Vor allem aus diesem Fundus gemachter Erfahrungen leitete die SP-Politikerin vier provokative Thesen ab, die sie an der Diskussionsveranstaltung "Zum Dialog mit der Oeffentlichkeit" im Auditorium Maximum vortrug.

These 1: In der Wissenschaft herrscht eine patriarchale Haltung vor.

Bei einem durchschnittlichen Professorinnen-Anteil von rund drei Prozent an Schweizer Universitäten sei die Männerdominanz rein zahlenmässig immer noch erdrückend. Wichtiger als die Geschlechterfrage aber sei die patriarchale Haltung, die die Wissenschaft immer noch gegenüber der Oeffentlichkeit einnehme. Ganz nach dem Motto: Ich (Forscher) weiss, Du (Volk) weisst nicht. Diese Haltung sei durch eine partnerschaftliche abzulösen, bei der der Forscher zwar immer noch Wissender sei, die (Lebens-)erfahrung und Sichtweise des Gegenübers aber gleichwertig seien.

These 2: Wissenschaft entzieht sich der Verantwortung ihres Tuns.

In keiner Berufsgattung habe sie so viele gespaltene Persönlichkeiten angetroffen wie unter den Genforschern. Im Zusammenhang mit der Genschutz-Abstimmung (7. Juni 1998) sei sie vielen Forschern begegnet, die sich im privaten Leben als Bio-Gärtner betätigten, in der Rolle des Wissenschafters aber unbeirrbar der Genforschung das Wort redeten. Sommaruga rief die Wissenschafter angesichts dieser widersprüchlichen Haltung zu mehr Konsequenz im privaten und beruflichen Leben auf.


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These 3: Die Wissenschaft tut so, als ob sie im luftleeren Raum forschte.

Wer als WTO-Mitgliedsland die Einfuhr eines Lebensmittels verbieten will, muss mit wissenschaftlichen Methoden beweisen, dass dieses gesundheitsschädigend ist. Diese Bestimmungen hat die WTO, respektive ihre Vorgängerorganisation GATT, 1995 an einer Konferenz in Marokko beschlossen. Seither rechtfertigten die EU-Länder ihr Importverbot gegenüber amerikanischem Hormonfleisch mit immer neuen wissenschaftlichen Studien. Die USA ihrerseits produzierten wissenschaftliche Studien, die das Gegenteil beweisen sollen. Ein Beispiel, das zeige, dass die wertfreie und objektive Wissenschaft ein Mythos sei - so Simonetta Sommaruga. Forschung, selbst Grundlagenforschung, finde in einem politischen und gesellschaftlichen Rahmen statt.

These 4: Wissen allein genügt nicht, um glaubwürdig zu sein.

Schliesslich bestehe ein weit verbreiteter Fehler der Wissenschafter darin zu glauben, ihr Fachwissen allein sei Garant für Glaubwürdigkeit. Für eine echte Glaubwürdigkeit muss das Wissen laut Sommaruga von einer Wertehaltung getragen sein. Dies verlange auch nach Persönlichkeiten im Wissenschaftsbetrieb, die sich und ihre Rolle immer wieder hinterfragten. In einer Zeit, in der die Forschung auch mit privaten Geldern finanziert wird, sei es zudem wichtig, die undurchsichtigen Finanzierungsströme offen zu legen. Ein echter Dialog mit der Gesellschaft setze eine transparente Wissenschaft voraus.




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