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ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 06.07.2001 06:00

Ab Herbst bietet das Neptun-Projekt den ETH-Studierenden mobile Studierstationen
Per Laptop studieren

Dank dem Projekt "Neptun" werden ab Herbst viele Studierende der Departemente Maschinenbau, Informatik, Architektur und Angewandte Biowissenschaften fürs Studium einen Laptop einsetzen. Die mobile Studierstation wird einigen Informatik-Studierenden zusätzlich versüsst durch den Sponsoring-Beitrag eines IT-Konzerns, der die Kosten einzelner Laptop-Modelle auf bis unter die Hälfte des Listenpreises reduziert. Bezüglich der Integration in den Unterricht und zum konkreten Betrieb bleiben allerdings noch einige Fragen abzuklären.

Von Jakob Lindenmeyer

"Mit den Laptops wollen wir den Studierenden ein wichtiges persönliches und mobiles Werkzeug anbieten", erklärt der Neptun-Projektleiter Frantisek Kraus. Die mobilen Studierstationen sollen sich zur Eintrittspforte der Studierenden für die virtuelle ETH-Welt entwickeln. Die zukünftige Infrastruktur des fünfjährigen Grossprojekts "ETH World" umfasst unter anderem Vorlesungsübertragungen via Internet, Alumni- und Industrie-Portale sowie ein Campus-weites Funknetz (Wireless LAN). Das Laptop-Teilprojekt "Neptun" (1) startet in diesem Jahr erst einmal in "gut kontrollierbarer" Grösse mit einem 400'000-fränkigen Vorprojekt in den vier Pilot-Departementen Maschinenbau, Informatik, Architektur und Angewandte Biowissenschaften. Bereits nächstes Jahr könnten aber bis zu acht weitere Departemente auf den "Laptop-Zug" aufspringen - doppelt so viele wie ursprünglich geplant.

Kraus
Neptun-Projektleiter Frantisek Kraus: "Neben einer Studierstation ist der Neptun-Laptop gleichzeitig auch ein Kommunikationsmittel und vieles mehr." gross

Der grosse Run auf die ETH-Laptops wird zusätzlich angetrieben durch Zuschüsse aus der IT-Branche. Am glücklichsten schätzen dürfen sich wohl die Informatik-Studierenden im kommenden dritten Semester, denen der Prozessoren-Hersteller Intel die Laptops zusätzlich um 500 bis 800 Franken verbilligt. Das Sponsoring eingefädelt hat einmal mehr Vorsteher Walter Gander, der seinem Departement im Mai bereits zwei Computerräume von Intel im Wert von 368'000 Franken einhandelte. (2)

Sponsoring nur für Informatiker

Der Prozessoren-Gigant Intel beabsichtigt mit diesen Spenden weltweit Ausbildung, Forschungszusammenarbeit und Innovation zu fördern. Intel will mit dem gesponserten Betrag aber explizit nur die Informatiker unterstützen. "Die Industrie fördert wahrscheinlich primär diejenigen, die sie am dringendsten braucht", vermutete Vorsteher Gander schon bei der letzten Schenkung an sein Departement. Dass nur die Drittsemestrigen profitieren, sieht auch Immo Noack, Leiter der IT-Supportgruppe im Departement, nicht als ganz problemlos, doch er beschwichtigt: "Dies ist ein erster Versuch und die Drittsemestrigen sind unsere primäre Zielgruppe. Bei guter Akzeptanz wird das Ganze demnächst entsprechend erweitert."

Besitzen bald alle Informatik-Studierenden einen Neptun-Laptop? "Nach dem Vordiplom rechnen wir noch mit 230 bis 250 Studierenden im kommenden dritten Semester und gehen aufgrund einer Umfrage davon aus, dass rund 150 davon einen Neptun-Laptop bestellen", erklärt Noack. Auch er sieht dabei die Gefahr, dass es zu Schein-Bestellungen für Dritte kommen könnte. Ein mit 800 Megahertz getakteter IBM ThinkPad der edleren Sorte inklusive drei Betriebssystemen (Windows2000, Linux und Oberon) und einem riesigen Software-Paket für nur rund 2'100 Franken, also weniger als die Hälfte des Listenpreises, wirkt auf viele Studierende verlockend (siehe Kasten).

Support nur für Neptun'ler

Doch nach dem Sun Blade-Debakel vergangener Woche (3) sind die Studierenden vorsichtig geworden. Einer sagte: "Ich glaub das erst, wenn ich die Maschine in den Händen halte." Auch Projektleiter Kraus bekräftigt: "Einen solchen Flop wie das Sun-Angebot können wir uns mit Neptun nicht leisten." Mit rechtsgültigen Offerten will er sich insbesondere gegen Lieferengpässe und Angebotsänderungen absichern. Bei der Beschaffung sucht sich aber jedes Departement seine eigenen Maschinentypen aus. Im Herbst sollen dann alle Laptop-Typen der einzelnen Departemente zentral auf einer Neptun-Liste zusammengefasst und allen ETH-Studierenden und Angestellten zum Kauf angeboten werden. Dabei profitieren alle von den rund 30 Prozent Hochschulrabatt, nicht aber von zusätzlichen Sponsoring-Vergünstigungen wie beispielsweise die Intel-Spende. Auch der Support ist auf die Neptun-Studierenden der vier Pilot-Departemente und die ausgewählten Semester beschränkt.

Beim Departement Informatik liegt bereits eine favorisierte Laptop-Offerte auf dem Tisch. "Wir entschieden uns aufgrund diverser Offerten, eigenen Erfahrungen sowie einer Umfrage unter den Studierenden für das Laptop-Modell 'ThinkPad T22' von IBM, wobei zwei Varianten zur Auswahl stehen", erklärt Immo Noack. Pluspunkte für das gewählte Modell waren insbesondere die mechanische Stabilität des Titan-Gehäuses und das trotz des grossen Leistungsumfangs geringe Gewicht von nur 2,18 Kilo.

IBMThinkPad
Laptop-Modell "ThinkPad" von IBM: Durch Neptun für weniger als die Hälfte des Listenpreises gross


Die Neptun-Laptops am Departement Informatik

Obwohl der blaue Riese IBM im freien Markt sonst nicht unbedingt durch tiefe Preise auffällt, ist das Angebot für die ETH-Angehörigen überraschend günstig ausgefallen: Im mittleren Leistungssegment bietet IBM seinen 2,18 Kilo schweren ThinkPad T22 mit einem 800 Megahertz Pentium III-Prozessor, 13,3-Zoll-Bildschirm, 10GB Harddisk, 128MB Arbeitsspeicher sowie Modem- und Netzwerkanschluss für rund 2'900.-, beziehungsweise den drittsemestrigen Informatik-Studierenden sogar für nur 2'100 Franken.

Als High-end-Variante empfiehlt das Departement auch das Modell mit schnellerem Prozessor (900 MHz), grösserem Bildschirm (14,1 Zoll) und doppelt soviel Speicherplatz (20 GB) für rund 4'300.- beziehungsweise 3'500 Franken. Die technischen Daten zu den Laptops finden sich unter (4). IBM tritt dabei lediglich als "günstiger Anbieter" und nicht als Sponsor auf.




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Laptop-Vorlesung3
Neptun-Jahrgänge: "Diejenigen, die keinen Laptop besitzen, sind schon etwas benachteiligt in Laptop-orientierten Vorlesungen." gross

Benachteiligung finanzschwacher Studierender?

Auch wenn die Studierenden die Laptops teilweise für weniger als die Hälfte des Listenpreises kaufen können, so gibt es vielleicht doch Einzelne, die sich diesen Betrag trotz Sponsoring-Zuschüssen nicht leisten können. Besteht da nicht eine gewisse Gefahr, dass es an der ETH nach Umstellung der Vorlesungen zu einer Zweiklassen-Gesellschaft von Studierenden mit und solchen ohne Laptop kommen könnte? "Diejenigen, die keinen Laptop haben, kommen in den 'Neptun-Jahrgängen' unter Umständen schon etwas zu kurz, da in 'Laptop-orientierten Vorlesungen' ein wichtiges Arbeitsinstrument fehlt", befürchtet auch Projektleiter Kraus. Als Gegenmassnahme werden Laptop-Darlehen für finanzschwache oder Stipendien beziehende Studierende geprüft. "Um solche Fragen zu klären, hat sich die ETH World-Projektleitung für eine Pilotphase mit lediglich einer Laptop-Empfehlung entschieden, und nicht für ein Obligatorium", erklärt Kraus.

Anderer Meinung ist der Informatik-Student Pedro Gonnet vom Fachverein VIS: "Die Profs werden ihre Vorlesungen nicht so schnell auf Laptops umstellen, daher sehe ich ausser beim Faktor ‚Status Symbol' keine allzu grossen Nachteile für Leute ohne Laptop." Trotzdem will sich Gonnet, der selbst keinen Laptop besitzt, in seinem Departement auch weiterhin dafür einsetzen, dass finanzschwache Studierende und "Laptop-Verweigerer" in den Vorlesungen auch in Zukunft nicht benachteiligt werden.

EPFL will Laptops abgeben

Im Unterschied zu Zürich plant die ETH in Lausanne (EPFL) ab Herbst 2002 als Hochschule selbst Laptops einzukaufen und sie dann einem Teil ihrer Studierenden (rund 100) für zwei Jahre abzugeben. (5) Das bringt viele Vorteile, insbesondere weil so alle Campus-Lizenzen der Software-Produkte automatisch auch für die Laptops gelten und auch eine einheitlichere Flottenpolitik betrieben werden kann, was den Support erleichtert.

Warum wählte die ETH Zürich nicht auch diesen Weg? "Dieses Jahr hatten wir die Zeit nicht, eine GATT-Ausschreibung dieser Grössenordnung durchzuführen", erklärt Kraus und ergänzt: "Ich kann es mir in Zukunft aber durchaus vorstellen, dass auch die ETH Zürich ihren Studierenden Laptops für die zwei Jahre des Grundstudiums zur Verfügung stellt und sich die Studierenden beispielsweise erst ab dem fünften Semester eine eigene Maschine kaufen."

Laptop-Vorlesung2
Wird auch die ETH Zürich wie die EPFL ihren Studierenden schon bald Laptops anbieten? gross

Im Vordergrund stehen aber vorerst banalere Massnahmen, wie beispielsweise die Sicherstellung der Stromversorgung für die Laptops der vier Pilot-Departemente. Die Architektur-Studierenden haben sowieso schon einen persönlichen Arbeitstisch mit Strom- und Netzwerk-Anschluss. In der Pharmazie wurden bereits alle Garderobenkästen mit einer Stromversorgung nachgerüstet. Für die Informatik-Studierenden überlegt man sich noch, ob ihre Garderoben-Kästen im Hauptgebäude ebenfalls mit einer Strombuchse ausgestattet werden sollen. Eine andere Variante wären Auflademöglichkeiten während des Unterrichts im Hörsaal.

Wozu braucht es Laptops?

Auch über den Sommer haben die Neptun-Beteiligten alle Hände voll zu tun: Da müssen einerseits noch zahlreiche Umfragen ausgewertet werden. Allein die Web- und Vorlesungsbefragung mit 27 Fragen erzielte rund 2'500 Rückmeldungen. Hinzu kommen die Umfragen in den einzelnen Pilot-Departementen. Daraus sollen genauere Zahlen zur bisherigen Ausstattung, zur Computernutzung und zu den Kaufabsichten der Studierenden ermittelt werden. Andererseits müssen auch noch viele Software- und Supportfragen gelöst werden. Es braucht Standardkonfigurationen, Backup-Konzepte, Support-Hilfen und Infomaterialien.

Aufgrund der vielen noch anstehenden Arbeiten und noch zu lösenden Detailfragen stiess das Neptun-Projekt in seiner Anfangsphase auf einige Kritik. So schrieb etwa Fritz Zaucker, Leiter der IT-Supportgruppe der Elektrotechnik in einem ETH Life-Leserbrief (6) : "Es ist keine Kunst, Tausende von Laptops zu verteilen. Interessanter und schwieriger wird das Ganze aber, wenn die Frage auftaucht, wozu dies eigentlich gut sein soll."

Neue Lernformen

Einerseits liegen die Vorteile unter anderem darin, dass Laptop-Besitzer auch bei vollen Computerräumen über die Mittagszeit Zugang zu einem Rechner haben, ebenso wie unterwegs im Zug oder zuhause. Andererseits hängt der sinnvolle Einsatz der mobilen Studierstationen im Hochschulunterricht auch davon ab, wie stark die Dozierenden die Laptops in ihre Vorlesungen einbauen. Immerhin haben sich die vier Pilot-Departemente in einer Absichtserklärung dazu verpflichtet, ihr Unterrichtskonzept auf die mobilen Studierstationen anzupassen. Laptops effizient in den Unterricht zu integrieren braucht allerdings grosse Vorbereitungsarbeiten. Thomas Stricker, der in seiner Vorlesung zur Systemprogrammierung bereits tragbare Rechner einsetzt (siehe Bilder), ist jedoch überzeugt, dass sich computerbasierte interaktive Unterrichtsformen in der nächsten Zeit noch stark weiterentwickeln werden. "Dies kann allerdings nur geschehen, wenn möglichst viele Studierende einen Laptop mit Funknetz-Anschluss besitzen, um damit auch aktiv an Vorlesungen teilzunehmen."

Laptop-Vorlesung
"Computerbasierte interaktive Unterrichtsformen werden sich in der nächsten Zeit noch stark weiterentwickeln", vermutet Professor Stricker. (Bild: Vorlesungsteam SysProg) gross

Auch im Unterricht gebe es noch einige offene Fragen zum Einsatz der mobilen Studierstationen zu klären, meint Projektleiter Kraus zum Schluss: "Um die Laptops in den Übungen sinnvoll einzusetzen, sollten sie beispielsweise auch in den Prüfungen benutzt werden dürfen." Eines der Hauptziele des Neptun-Projekts ist es denn auch, Impulse zu geben, bestehende Lehr- und Lernprozesse zu überdenken und allenfalls zu überholen.


Fussnoten:
(1) Website des ETH Laptop-Projekts "Neptun" unter: www.neptun.ethz.ch
(2) ETH Life-Bericht zum Intel-Sponsoring an der ETH: "Wer hat dem wird gegeben" unter: www.ethlife.ethz.ch/tages/show/IntelSponsoring.html
(3) ETH Life-Bericht zum Sun Blade-Debakel: "Das grosse Ringen um klare Worte" unter: www.ethlife.ethz.ch/tages/show/SunVeranstaltung.html
(4) Die technischen Daten zum Laptop-Modell "ThinkPad" von IBM: www5.pc.ibm.com/ch/products.nsf/wwwthinkpads/918C1B692E20A4D580256A17001BA163
(5) Laptop-Projekt der ETH Lausanne (EPFL): "Projet IT 2001": http://sicwww.epfl.ch/informatique/IT2001/index.html
(6) ETH Life-Leserbrief zu ETH World und auch zum Laptop-Projekt: www.ethlife.ethz.ch/forum/list/1,1251,401,00.html



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