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ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 21.09.2001 06:00

Neuer ETH-Vize-Präsident Forschung und Wirtschaftsbeziehungen
Den Trends von übermorgen auf der Spur

Von der Zusammenarbeit mit der Industrie erhofft er sich vermehrt einen langfristig orientieren Gedankenaustausch und weniger kurzfristige Problemstellungen. Grundlagenforschung möchte er stärken. Darüber hinaus will er noch herausfinden, was in 10 bis 20 Jahren forschungspolitisch "heiss" ist: Er, der neue Vize-Präsident für Forschung und Wirtschaftsbeziehungen: Professor Ulrich W. Suter.

Interview: Roman Klingler

Herr Suter, haben Sie genug vom Forschen, dass Sie nun in eine Stabsstelle wechseln?

Im Gegenteil, ich finde die Forschung so toll, dass ich das Bedürfnis habe, mein Interesse an der Forschung von einem kleinen Bereich, den nur eine einzelne Gruppe machen kann, auszubreiten auf das Gebiet einer ganzen Hochschule.

Bei jedem Amtsantritt stellt sich die Frage: Setzt der Neue auf Kontinuität oder kehrt er mit dem eisernen Besen. Was darf man von Ihnen erwarten?

Für den eisernen Besen gibt es keinen Anlass. Meine Vorgänger haben ausgezeichnete Arbeit geleistet und einen sehr guten Stab zusammenbehalten. Ich sehe meine Aufgabe darin, die Rahmenbedingungen der Forschung weiter zu verbessern und damit den Forschenden hier die Möglichkeit zu geben, die ETH weiterhin weltweit unter den Topforschungsplätzen positionieren zu können.

www.ethlife.ethz.ch/tages/show/waldvogel3.html

Ihr Vorgänger, Albert Waldvogel , wird Delegierter für die sogenannten Strategischen Erfolgspositionen (SEP). Damit kümmern sich nun zwei ETH-Strategen um Forschungsbelange. Kommen Sie sich da nicht in die Quere?

Ich glaube nicht. Was mir besonders am Herzen liegt, sind Themen, die an der ETH noch nicht aktuell sind, die aber in Zukunft sehr wichtig werden könnten.

Das wäre?

Das weiss ich eben noch nicht. Das sind all die Sachen, die man im Moment noch nicht als wichtig erachtet, neue Forschungsthemen, die in den nächsten 20 bis 30 Jahren Bedeutung erlangen könnten. Der ehemalige Staatssekretär Ursprung hat das einmal mit den Worten umschrieben: die Lücke hat keine Stimme. Und genau das braucht es, Leute die sich darüber Gedanken machen, was in fünf oder zehn Jahren ein SEP werden könnte.

Sehe ich das richtig, Sie sind also eine Art Trendforscher im Hochschulbereich...

Jeder, der in der Forschungsadministration tätig ist, ist ein Trendforscher.

Wo liegen denn die Trends von übermorgen?

In meinem eigenen Bereich sind Stichworte dazu: Nanostrukturierung, multiphasische und multifunktionelle Materialien, im allgemeinen die Verbesserung der Eigenschaften von Materialien.

Ist Professor Waldvogel der Mann für die forschungspolitischen Rosinen und Sie müssen sich um den Rest kümmern?

Im Gegenteil, das ist eine sehr faire Trennung.

Er hat doch die schlagzeilenträchtigen Themen, und Sie müssen die Stimme suchen für die Lücke...

...aber diese Stimme zu suchen ist gerade das Attraktive daran. Die Schulleitung hat Aufgaben, die nicht nur am Tagesgeschäft gemessen werden, sondern zehn oder 20 Jahre später. Und da ist ja die grosse Herausforderung, etwas Gescheites zu machen.

Ihr Vorgänger steht im Ruf, gegenüber den Forschenden eine Politik der lange Leine betrieben zu haben. Wie stark wollen Sie die Zügel anziehen?

Ich finde diese Politik der langen Leine ein gute Sache. Vielleicht wird man vermehrt eine Leistungskontrolle brauchen; aber etwas Grundsätzliches ändern werde ich vorerst nicht, schon gar nicht in Richtung Programmsteuerung.


Ulrich W. Suter

Ulrich W. Suter ist seit 1988 Professor für Makromolekulare Chemie am Institut für Polymere der ETH Zürich. Seine Interessen liegen in den Struktureigenschaftsbeziehungen von Polymeren; der makromolekularen und der physikalischen Chemie von Polymer-Werkstoffen, insbesondere der Herstellung, Modifikation und Charakterisierung funktioneller Werkstoffe. Suter, 1944 in Zürich geboren, studierte an der Abteilung Chemie der ETH, wo er 1973 doktorierte. Danach war er während zwei Jahren Postdoktorand an der Stanford University. 1980 schrieb er an der ETH seine Habilitation. Später war Suter "Visiting Scientist" am IBM Almaden Research Center in San Jose (Kalifornien). 1982 wurde er als Professor ans MIT ins Departement of Chemical Engineering berufen.




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Professor Ulrich W. Suter
Professor Ulrich W. Suter: "Forschung kann sehr lustbetont sein, und dies gilt es noch zu fördern."

Was meinen Sie mit Leistungskontrolle?

Alle Forschenden sollen sich ein gutes Bild machen können von ihren Kollegen. Man hat keine Schwierigkeiten zu erklären, wer wirklich gute Arbeit leistet, wer mehr Stimulation brauchen kann, um wieder ausgezeichnete Arbeit zu leisten. Wir müssen mal grundsätzlich davon ausgehen, dass alle Forschenden ausgezeichnete Arbeit leisten, sonst wären sie gar nicht erst hier.

Ihre Stelle heisst ja nicht umsonst "Forschung und Wirtschaftsbeziehungen". Wie wichtig ist Ihnen die Beziehung zur Industrie?

Sie ist wesentlich: Erstens, damit die akademischen Forscher lernen, was wichtig ist in der realen Welt. Akademische Forschung findet eher im virtuellen Raum statt, was manche auch als Elfenbeinturm bezeichnen. Zweitens ist das Feedback aus der Industrie wichtig. Es freut einen nichts so sehr, wie wenn jemand kommt und sagt: Das ist aber wirklich gut, das kann ich gebrauchen. Wenn ein Forscher seine Arbeit widerspiegelt sieht in der täglichen Welt, in einem Produkt, das ist etwas unheimlich Stimulierendes. Das ist der lustbetonte Teil der Forschung.

Aber dies heisst doch der angewandten Forschung das Wort reden?

Nein, es gilt eine Unterscheidung zu machen: Wenn die Industrie mit einem Problem kommt und sagt, unser Autolack sprengt sich beim Trocknen, könnte ihr das mal lösen, ist das eine Sache. Etwas anderes ist es, wenn ein Forscher es fertig bringt, seine akademischen Interessen so zu fokussieren, dass dann eine Firma sagt, aha, beruhend darauf könnte man ja einen neuen Lack entwickeln. Drei Jahre später sieht man einen Erfolg, und fünf Jahre später vielleicht ein Produkt. Das ist etwas ganz anderes für den Forscher. Hier hat er das Gefühl, an der Quelle zu stehen, im ersten Fall bleibt er mit dem Gefühl des Handlangers zurück, der die dummen Designfehler flicken muss.

Gibt es denn Industrien, mit denen die Zusammenarbeit besonders schwierig ist?

Es ist eine allgemeine Tendenz, dass die Anwendung wichtiger wird. Heute muss man schon in einem Forschungsantrag für ein Nationalfondsprojekt angeben, ob sich Industrien für das wissenschaftliche Thema interessieren. Das wäre vor zwanzig Jahren noch undenkbar gewesen. Heute läuft sehr viel über KTI-Mittel (1) oder andere sehr Applikations-fokussierte Mittel oder über direkte Forschungsunterstützung. Das sind dann halt schon sehr angewandte Sachen, die wahrscheinlich nicht mehr leicht zum Erfolg einer Doktorarbeit führen können. Dort muss man versuchen, eine gewisse Trendwende hinzukriegen. Man muss die Möglichkeit verstärken, dass Industrien ihre längerfristigen Interessen an die Hochschule tragen und nicht nur das Tagesgeschäft.

...also, die Industrie soll nicht einfach zur Hochschule kommt mit dem Anliegen: wir wollen ein Produkt YX entwickeln und das muss nächsten Sommer möglichst schon auf dem Markt sein.

...Genau. Neue Produkte rasch auf den Markt zu bringen ist natürlich für die Industrie von hoher Wichtigkeit. Aber man muss auch einsehen, dass die Hochschule in der Schlussphase der Entwicklung nicht viel einbringen kann, ausser dass sie billige Arbeitskräfte hat. Und es kann nicht unser Ziel sein, nur als Lieferant für die billigen Arbeitskräfte dabei zu sein.

Auf Ihrer Begrüssungsseite im Web zitieren Sie Churchill: "Success in life consists of going from one mistake to the next without losing enthusiasm". Gibt es bei Forschenden einen Zusammenhang zwischen dem Grad der Begeisterung und der Anzahl gemachter Fehler?

Es ist charakterliche Widerstandskraft, die man braucht, um wieder aufzustehen, wenn man Fehler macht. Das ist sehr amerikanisch. Schliesslich hab ich zehn Jahre in den USA gelehrt. Wichtig ist, die Begeisterung für die Forschung beizubehalten, sich nicht einschüchtern zu lassen durch Misserfolge. Jeder, der etwas macht, macht auch Fehler.

Und das gilt auch für den neuen Vize-Präsidenten Forschung?

Das gilt ganz besonders für ihn.


Fussnoten:
(1) "Kommission für Technologie und Innovation" des Bundesamtes für Berufsbildung und Technologie: Seit dem Jahr 2000 ist die KTI im Auftrag des Bundesrates Agentur für die anwendungsorientierte Forschung und Entwicklung. Ihre Aufgabe ist, dynamischen Unternehmen – besonders kleineren und mittleren (KMU) – den Zugang zu den beiden ETHs und den Universitäten, den Fachhochschulen sowie europäischen und internationalen Forschungsprogramme zu erleichtern. Ziel ist es, Ideen mit Zukunftspotenzial rasch in am Markt erfolgreiche Produkte und Dienstleistungen umzumünzen.



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