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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 14.05.2004 06:00

Lipide - Nutztierwissenschaftler präsentierten ihre Forschungsergebnisse
Macht Fett nur fett?

"Nicht Fett ist die Ursache von Übergewicht, sondern die fehlende Fähigkeit der Regulation einer ausgeglichenen Energiebilanz", zog Professor Caspar Wenk gestern Donnerstag an der Fachtagung des Instituts für Nutztierwissenschaften zum Thema "Lipide in Fleisch, Milch und Ei: Eine Herausforderung für die Tierernährung" Bilanz. Die Veranstaltung wurde zu Ehren des 60. Geburtstags von Institutvorsteher Wenk abgehalten. Fachleute aus den verschiedensten Bereichen präsentierten in Vorträgen und in einer Posterausstellung ihre Forschungsergebnisse.

Von Regina Schwendener

Tierische Fette werden in unserer Gesellschaft seit geraumer Zeit mit den Attributen "unerwünscht" oder "gesundheitsschädigend" verbunden. Sowohl von tierzüchterischer Seite als auch über die Tierernährung ist man deshalb seit Jahren bestrebt, in der Tierproduktion den Gesamtfettgehalt tierischer Produkte zu reduzieren und auch die Zusammensetzung der Fette positiv zu beeinflussen. "Fett" war deshalb auch seit 1979 an den Frühjahrstagungen der beiden ETH-Professuren auf dem Gebiete der Tierernährung, die jeweils mit einem Nachtessen für alle Mitarbeitenden verbunden waren und sind, ein spezielles Thema.

"Ja, aber"

Auf die Frage "Macht Fett nur fett?" könne man, so Professor Caspar Wenk, die Aussagen an der diesjährigen Tagung zusammenfassend nur mit "ja, aber" beantworten. "Fett wird für den Ausgleich der Energiebilanz herangezogen. Ursache für eine positive oder negative Energiebilanz ist aber einerseits die gesamte Menge an aufgenommener Energie in Form von Nährstoffen, und andererseits die entsprechenden Energieabgaben", so Wenk. Nahrungsfett müsse vielfältige Aufgaben in der Ernährung des Menschen erfüllen.

Er präzisierte: "Fett ist aufgrund seiner Funktion im Stoffwechsel der eigentliche Nährstoff zur langfristigen Regulation der Energiebilanz. Bei Mensch und Tier ist der Mechanismus des Energieaustausches über Fett von grösster Bedeutung." Nur bei übergewichtigen Personen ist die hohe Effizienz des Fettstoffwechsels unerwünscht, geht Wenk auf den aktuellen "Dauerbrenner" in unserer Ernährung ein. Aber auch in diesem Falle sei nicht das Fett als solches Ursache von Übergewicht, sondern die fehlende Fähigkeit der Regulation einer ausgeglichenen Fettbilanz. Vorerst gehe es den Forschenden darum, abzuklären, wie der Bedarf an essentiellen Fettsäuren zu decken ist und wie die Aufnahme an fettlöslichen Wirkstoffen sichergestellt werden kann.

Die Tagung wurde zu Ehren von Professor Caspar Wenk (rechts) abgehalten, der kürzlich seinen 60. Geburtstag feierte. gross

Seit Jahren eine Herausforderung

Die aktuelle Tagung war denn auch in vier Themenbereiche gegliedert, die alle das Fett, aber aus unterschiedlicher Sicht, zum Inhalt hatten. "Lipide tierischer Herkunft" thematisierten an der Tagung zwei Referenten. Den Weg tierischer Fette in die Futter- und Lebensmittel zeigte Hans Hofer von der Centravo AG, Lyss, auf, wobei er auch die BSE-Problematik ansprach. Daniel Schwörer’s (Suisag-MLP, Sempach) Thema waren die Züchtungskriterien bei Schweinen bezüglich Wachstum und Fleischqualität - weg vom Auflagenfett hin zu intramuskulärem Fett. Und Giuseppe Bee (ALP Posieux) als Mitverantwortlicher für die staatlichen Fütterungsempfehlungen setzte sich in seinem Vortrag mit den Normen für das Fettzahl(1)-konforme Schwein auseinander.

Fettzahl-konform?

Sowohl als Instrument zur Qualitätssicherung als auch als Kriterium für den Auszahlungspreis habe sich laut Bee die Erfassung der Fettqualität basierend auf der Fettzahl etabliert. Bei der Einführung der Fettzahl als Qualitätsmerkmal sei die Forderung ausschlaggebend gewesen, dass für die Herstellung qualitativ hochwertiger Fleischwaren der Rohstoff Fett hohen Anforderungen hinsichtlich der Konsistenz und der Oxidationsstabilität genügen müsse. Beide Merkmale würden massgeblich durch die Fettsäurenzusammensetzung des Fettgewebes beeinflusst. Bee erklärt: "Allgemein geht ein zunehmender Anteil an ungesättigten Fettsäuren im Depotfett mit einer weicheren Konsistenz einher und führt in der Regel zu erhöhter Oxidationsanfälligkeit des Fettes. Damit wurde das Fettzahl-konforme Mastschwein geschaffen, das hauptsächlich darauf ausgerichtet ist, den Anforderungen an die Verarbeitungsqualität zu genügen." Und so ganz neben bei erwähnte er, dass die gezielte Verminderung des Anteils ungesättigter Fettsäuren im Depotfett, was auch einen gleichgerichteten Einfluss auf das inter- und intramuskuläre Fett zur Folge habe, aus Sicht der Humanernährung nicht den gewünschten Bedürfnissen entspräche. Dies rege ihn zur Frage an, ob das Fettzahl-konforme Schwein überhaupt das einzig richtige Schwein sei.


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Die Pausen während der Tagung wurden zu angeregten Gesprächen genutzt. gross

Fettsäuren mit Zusatznutzen

Martin Scheeder (ETH Zürich) ging auf die markanten Zusatznutzen funktioneller Fettsäuren ein und bemerkte: "Lebensmittel tierischen Ursprungs, obwohl oftmals als Gesundheitsrisiko verdammt, verfügen über einiges Potential, die Versorgung mit wertvollen, funktionellen Fettsäuren in der Humanernährung zu verbessern. Fleisch, Milch und Eier dürften daher nicht nur hochgeschätzte, sondern tatsächlich auch ernährungsphysiologisch wertvolle Lebensmittel sein."

Die Rolle funktioneller Fettsäuren in Lebensmitteln tierischer Herkunft berge für Gesundheit und Prävention durch Ernährung aber weiterhin etliche Unklarheiten, die viele Ansatzpunkte für Forschungsarbeiten mit Bezug auf metabolische Effekte, gesundheitliche Vorteile und Produktqualität böten, meinte Scheeder. Wie sinnvoll es ist, zum Beispiel konjugierte Linolsäuren (CLA) in Lebensmitteln durch Fütterung synthetischer CLA-Isomerenmischungen anzureichern, dürfe vor dem Hintergrund der eher enttäuschenden Ergebnisse aus Humanstudien kritisch hinterfragt werden. Aus Sicht einer Wirkung auf den Fettstoffwechsel zeigten sich dagegen vielversprechende Ansätze.

Alpmilch - der besondere Saft?

Floria Leiber, Doktorand von Professor Michael Kreuzer, machte in seinen Ausführungen die besondere Fettzusammensetzung der Alpmilch und deren Ursachen zum Thema und berichtete von einem Versuch mit Kühen der Chamau auf der Alp Weissenstein: Die Alpweide könne potentiell, nicht jedoch generell zu herausragend hohen Konzentration an CLA und Omega-3 - Fettsäuren in der Milch führen. Einen grossen Anteil habe dabei jedoch der Weidegang ohne Supplemente - was prinzipiell auch jederzeit im Flachland realisierbar sei. Eine Wirkung bestimmter sekundärer Pflanzeninhaltsstoffe könnte klar alpspezifisch sein, bliebe aber bislang hypothetisch. "Sollte sich dies experimentell bestätigen lassen und wären entsprechende Substanzen identifizierbar, könnte man versuchen, durch den gezielten Anbau auch in tieferen Lagen ähnliche Effekte zu erzielen", folgerte Leiber. Generell muss jedoch auch erwähnt werden, dass der Anteil der ungesättigten Fettsäuren im Vergleich zu den gesättigten im Milchfett der Alpmilch gering sei. Folglich würden erhöhte Gehalte an ungesättigten Fettsäuren im Milchfett zwar eine ernährungsphysiologische Optimierungen darstellen, dennoch wäre ein regelmässiger Verzehr von fettreichem Fisch und Leinsamen nach wie vor eine effektivere Quelle dieser Fettsäuren.

Ein Mittel gegen Karzinome?

Jana Kraft von der Uni Jena erklärte, wie der CLA-Gehalt der Milch von verschiedenen Faktoren beeinflusst wird: durch Fütterung der Tiere, Jahreszeit und Rasse. Milchprodukte würden ausserdem aufgrund unterschiedlicher Verarbeitungsparameter - wie Wärmebehandlung, Starterkulturen, Lagerung und Reifung - im Gehalt an CLA variieren. Zahlreiche Untersuchungen würden auf molekularbiologischer Ebene sowie in verschiedenen Tiermodellen (Nager, Geflügel, Schwein) und zum Teil am Menschen positive physiologische Wirkungen der CLA wie antithrombotische oder antikarzinogene Eigenschaften belegen. Am Tiermodell habe zum Beispiel durch Verabreichung von CLA das Auftreten eines Tumors und die Metastasenbildung verschiedener Krebsarten (Brust-, Vormagen-, Dickdarmkrebs) verringert werden können. Die absorbierten CLA würden anstelle anderer mehrfach ungesättigter Fettsäuren in die Zellmembranen eingebaut. Damit könnten sie den Zellstoffwechsel beziehungsweise die Signaltransduktion beeinflussen. Der beschriebene Einfluss von CLA auf die Karzinogenese scheine vielversprechend, freute sich die Forscherin, aber es gebe noch keine Studien, die eine antikarzinogene Wirkung von CLA am Menschen belegen.

Fettreich oder fettarm?

Dieser Frage nahm sich Paolo Colombani vom ETH-Institut für Nutztierwissenschaften) an. In den Medien und der breiten Bevölkerung werde Nahrungsfett immer wieder als etwas Schlechtes betrachtet, manchmal sogar als Ursache vielen Übels, so der Ernährungswissenschaftler. Diese allzu vereinfachte Sichtweise sei jedoch nicht haltbar. "Die meisten aktuellen Richtlinien für die Ernährung basieren auf Erkenntnissen, die eine gewisse Zeit zurück liegen." Die Frage, ob die Ernährung der Zukunft fettreich oder fettarm sein soll, liesse sich für physisch kaum aktive Erwachsene zur Zeit nicht schlüssig beantworten. Hinweise auf gesundheitsbeeinträchtigende Auswirkungen gebe es sowohl für eine fettreiche - beziehungsweise reich an gesättigten Fettsäuren - wie auch für eine kohlenhydratreiche - beziehungsweise eine hohe glycämische Belastung verursachende - Ernährungsweise. Eine generelle Mässigung beim Verzehr von (raffinierten) Getreideprodukten, Zucker sowie fettreichen Milch und Milchprodukten dürfte jedenfalls sinnvoll sein, stellt Colombani fest und bemerkt: "Absolut ideal wäre es aber, wenn wir die Frage, ob fettreich oder fettarm, gar nicht beantworten müssten. Diesen Fall hätten wir bei einer hohen physischen Aktivität."


Fussnoten:
(1) Die Fettzahl ist ein Mass für den Anteil an ungesättigten Fettsäuren und damit ein wichtiges Kriterium für die Konsistenz von Fett allgemein. Bei Fettgewebe von Schweinen ist dies wegen der Verarbeitung von Fettgewebe zu Fleischwaren wichtig. Die Fettzahl wurde am ETH-Institut für Nutztierwissenschaften entwickelt und wird von der Industrie in Europa weitverbreitet angewendet.



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