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Rubrik: Tagesberichte |
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"Work-Life-Balance" – Das Thema am Tag der Chancengleichheit Erfolgsmodell nicht in Sicht |
Ein ausgewogenes Verhältnis von Freizeit, Familie und Beruf ist eine wichtige Voraussetzung für das individuelle Wohlbefinden. Ob und wie sich Arbeits- und Privatleben in einer dynamischen und leistungsorientierten Gesellschaft intelligent verzahnen lassen, wurde am Tag der Chancengleichheit (1) an einem Podium diskutiert und an einer Ausstellung auf spielerische Art thematisiert. Es gibt noch kein Erfolgsmodell, das eine Lösung präsentiert, um eine Balance zwischen Arbeit in einer Spitzenposition und dem Privatleben finden zu können. Das kam an der Podiumsdiskussion mit Gudela Grote, ETH-Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie, Sabina Littmann-Wernli, Gleichstellungsfachfrau und Oberassistentin am ETH-Institut für Wirtschaftsforschung, ETH-Präsident Olaf Kübler und dem designierten ETH-Präsidenten Ernst Hafen klar zum Ausdruck. Patentrezepte waren am Tag der Chancengleichheit aber auch nicht gefragt. Ist Familie und Beruf vereinbar? Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein Teilaspekt der Work-Life-Balance (WLB). Welches Signal setzt die ETH, die erste Schweizer Hochschule, die eine Stelle für Chancengleichheit eingerichtet hat, in diesem Bereich? Um es vorweg zu nehmen: Konkrete Ideen wurden keine entwickelt, klar wurde aber, dass eine Förderung im Sinne eines Gleichgewichts zwischen Arbeit und Leben für Frau wie für Mann stattfinden müsste. Frauen müssten bereits in den Primarschulen für die Naturwissenschaften und die Technik erwärmt werden, meinte Ernst Hafen. Gudela Grote wünschte sich Arbeitsmodelle, in denen sich Beruf, Familie oder Privatleben vereinbaren liessen. WLB ist für Sabina Littmann keine Vision, da sie sich bereits seit zehn Jahren mit dem Thema beschäftige. Und für Olaf Kübler ist die WLB im Lot, wenn man die Verantwortung, die man übernommen hat, auch auslebt, ohne wesentliche Dinge zu vernachlässigen. Ist es möglich, das "ideale" Gleichstellungsmodell, wie es in Frankreich vorbildlich praktiziert wird, an der ETH umzusetzen? Verglichen mit diesem Modell lebe die Schweiz in der Steinzeit, meinte Olaf Kübler. Es sah es jedoch als sinnvoll an, Strukturen für ein derartiges Modell für die Schweiz zu entwickeln. Geht nicht, konterte Ernst Hafen, weil die Anstellungsbedingungen mit Vollzeitstellen in Frankreich anders konzipiert seien. Es sei nicht das Modell, dass die ETH anstreben sollte, aber sicher müsse die Kultur, die dahinter stehe, gefördert werden. Spitzenleistung mit oder ohne Familie? Gibt es überhaupt eine Möglichkeit Spitzenleistung mit Kindern, Familie und Freizeitaktivitäten zu vereinbaren? Es gebe viele Akademikerinnen ohne Kinder, die keine Spitzenpositionen einnähmen, meinte Littmann. Für sie stand die Vereinbarkeitsproblematik zu fest im Vordergrund der Diskussion. Hintergründig seien es strukturelle Probleme – Anforderungsprofile bei einer Anstellung oder sich nicht 150-prozentig in den Arbeitsprozess einbinden lassen zu wollen – die Frauen an einer Karriere hinderten. Und wie sähe der ideale Weg zur Förderung von Frauen aus? Olaf Kübler nannte als erfolgreiches Beispiel Dual Career Advice. Mit diesem und weiteren Angebote der ETH im Infrastrukturbereich hätten schon einige Frauen an die ETH "gelockt" werden können. Ernst Hafen sah ein Diskussionsthema darin, dass die Betroffenen eine bewusste Familien- und Karriereplanung betreiben. Sollte man aber nicht zum Beispiel Talente unter den Doktorierenden bereits frühzeitig fördern und mit gezielten Massnahmen in der Karriere unterstützen?
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Sollten bestehende Systeme gestürzt oder gefördert werden, sollten diese nicht für Männer wie Frauen gleichermassen gelten? – Fragen aus dem Publikum. Ein klares Ergebnis brachte die interessante und an manchen Stellen auch kontroverse Auseinandersetzung um Frauenförderung und Arbeit und Familie unter einen Hut zu bringen, nicht. Aber sie regte an, sich mit dem Thema weiter zu beschäftigen. Berufs- und Lebenskonzepte im Einklang Um ein erfolgreiches Berufs- und Alltagsleben auch für die Zukunft zu entwickeln, müssten die Bereiche Erwerbsarbeit und Privatleben in einer neuen Weise aufeinander abgestimmt werden. Wie es damit überhaupt aussieht, zeigt eine spannende und gut konzipierte Ausstellung (2) im Hauptgebäude im Rahmen der "Visionen"-Woche, die – umrahmt mit Einlagen der Komikerin Sybille Marseiler – von Gerhard Schmitt, Vizepräsident für Planung und Logistik, eröffnet wurde. Zahlreich seien die Bestrebungen, mehr Frauen für ein Studium oder eine wissenschaftliche Karriere an der ETH zu animieren. Die Forderung nach Gleichheit sei gerade an einer Forschungs- und Lehranstalt gelebte Kultur. Und auch im Konzept von Science City spielten die Frauen eine entscheidende Rolle, denn: "Heute sind die Probleme so komplex, dass sie die Männer allein nicht lösen können." Besucht man die Ausstellung, muss man leider ganz genau hinsehen, um zu erkennen, dass hier – im Gegensatz zum Podium – die Frauen aller ETH-Bereiche angesprochen werden. Die Ausstellung stellt "Work-Life-Balance an der ETH – Berufs- und Lebenskonzepte im Einklang" als Diskussionsthema in den Raum. Sie wurde von der Stelle für Chancengleichheit in Zusammenarbeit mit Dual Career Advice, der Stiftung Kinderbetreuung im Hochschulraum Zürich und "Creation biefer.com" konzipiert. Die Schau informiert, hinterfragt Klischees, regt zum Nachdenken an und gibt einen Überblick über die Handlungsfelder: Was wurde bereits erfolgreich durchgesetzt? Was muss noch angegangen werden?
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Fussnoten:
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