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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 24.09.2002 06:00

Orchideen imitieren Wespenweibchen auf deren Kosten
Betörender Orchideenduft

Täuschung für eine erfolgreiche Fortpflanzung ist in der Natur ein Thema mit Variationen. Ein Beispiel aus der Orchideenfamilie ist die australische Chiloglottis trapeziformis , die für ihre eigene Bestäubung Rollwespenweibchen nachahmt und damit deren Männchen erfolgreich anlockt. Was das für die flügellosen Insektenweibchen bedeutet, zeigt eine Studie mit Beteiligung eines ETH-Biologen.

Von Christoph Meier

Schön ist sie, und sie duftet verführerisch, die australische Orchidee Chiloglottis trapeziformis. Die Verführung funktioniert so gut, dass immer wieder Wespenmännchen der Art Neozeleboria cryptoides auf die Blume hereinfallen. Die betörten Insektenliebhaber fliegen die Pflanzen an, landen auf deren Blütenzunge, die aussieht wie eine Artgenossin, und beginnen zu kopulieren. Dabei hat die zu den Sextäuscher-Arten gehörende Blume Gelegenheit, dem Wespenmännchen ihr Pollenpaket aufzukleben, um ihre eigene Fortpflanzung zu gewährleisten. Doch sind einige vom Geruch und Aussehen der Orchideen fehlgeleitete Wespenmännchen wirklich eine ernstzunehmende Gefahr für die Weibchen? Dieser Frage, die im Rahmen der Sextäuscher-Arten noch niemand bearbeitet hatte, ging Florian Schiestl vom Geobotanischen Institut der ETH (1) zusammen mit dem Doktoranden Bob Wong aus Australien nach (2).

Versuchsanlage
Mit dieser Versuchsanlage, wo links eine Wespe und rechts eine Orchidee in einem für die Insekten undurchsichtigen Behälter ihre Düfte versprühen, wurden die Wespenmännchen auf ihr geruchliches Unterscheidungvermögen getestet (Bild: F. Schiestl). gross

Geprellte Wespenböcke

Die Forscher untersuchten als erstes, ob Wespenmännchen fähig sind, die Orchideen-Lockstoffe von den Düften ihrer Artgenossinnen zu unterscheiden. Die Männchen versagten als über den Geruch differenzierende Liebhaber aber kläglich. Sie flogen genau so oft einen undurchsichtigen Behälter mit Luftlöchern an, in dem eine Orchidee wuchs, wie einen, in dem eine Wespenbraut sass. Die geprellten Wespenböcke zeigten aber im Folgenden immerhin Anpassungsfähigkeit. Boten nämlich die Forscher am selben Ort zuerst eine unverhüllte Orchidee, das heisst ohne den undurchsichtigen Behälter, an und danach im Abstand von zwei Minuten immer eine Pflanze mehr - bis zu fünf oder zehn Exemplaren -, so verloren die Wespenmännchen schnell ihr Interesse. Zu Kopulationsversuchen mit der Orchideen kam es in den Endphase schon gar nicht mehr. Irgendwie schienen die Männchen ihr Interesse trotz oder vielleicht gerade wegen der zusätzlichen Orchideen verloren zu haben.

Viele Orchideen sind der Weibchen Feind

Wie würden sich aber die Männchen verhalten, wenn wieder Weibchen inmitten der Orchideen unverhüllt ohne Behälter auftauchten? Die Damenwahl gestaltete sich folgendermassen: Es wurden Annäherungen und Kopulationen von den am Studienort vorhandenen und somit teilweise schon getesteten Wespenmännchen gezählt, wenn sich ein Weibchen alleine, innerhalb einer der im vorherigen Versuch hergestellten Fünfer oder Zehner-Kolonie von Orchideen befand. Das Fazit war: Auch das reizendste Wespenweibchen bringt seine Artgenossen nicht an den Ort zurück, wo diese von Orchideen getäuscht wurden. So kam es sowohl bei den kleinen als auch bei den grossen Orchideenkolonien nicht einmal zu einer Landung eines Wespenmännchens. Bei den kleineren Kolonien kam es nur zu mehr Annäherungen, wobei es aber signifikant weniger waren als bei werbenden Weibchen ohne Orchideen in der Nähe.


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Wespen
Ein ungleiches Paar: das flügellose Weibchen der australischen Rollwespe (rechts) muss sich sowohl für die Fortpflanzung wie auch die Ernährung an ein Männchen hängen (Bild: F. Schiestl). gross

Wespenweibchen können die Orchideen also auch mit allen ihren Reizen nicht ausstechen. Sind sie von Orchideen umgeben, leiden sie nach gewisser Zeit zusätzlich noch unter deren abschreckendem Effekt auf ihre potentiellen Partner. Dies ist besonders gravierend, da die Wespenweibchen keine Flügel besitzen und somit ausser bei der Paarung auch bei der Nahrungssuche und zum Auffinden einer geeigneten Stelle für die Eiablage auf Männchen angewiesen sind.

Immer wieder naive Männchen

Auf die Frage, wieso überhaupt noch Wespen zusammen mit Orchideen vorkommen, wenn die Männchen die Orchideen zu meiden beginnen, erläutert Florian Schiestl: "Jede Generation von Wespenmännchen muss die Orchideen zuerst kennen lernen." Darum hätten sie die Experimente auch in einem Eukalyptuswald durchgeführt, wo es vorher noch keine Orchideen gab und die Männchen somit zuerst naiv an die Sache herangingen. Betrachte man eine grösseren Zeitraum, sei der Selektionsdruck nicht hoch genug, damit das Orchideen-Meiden genetisch fixiert würde, vermutet der Biologe. "Es könnte es auch sein, dass die Käferlarve, auf der die Wespen ihre Eier legen, bevorzugt in der Nähe von Orchideen vorkommt." Das ist aber noch reine Spekulation.

Das Risiko des Spezialistentums

Doch Schiestl will sich von den Pflanzen nicht täuschen lassen und wird weiter erforschen, unter welchen Bedingungen sich ein Bestäubungssystem, bei dem Orchideen Insekten imitieren, entwickeln konnte und wie es genau funktioniert. Dafür wird er auch andere Orchideenarten als Chiloglottis trapeziformis untersuchen, denn die Sextäuschung ist unter den Orchideen ein weit verbreitetes Phänomen, das auch europäische Arten betrifft. Obwohl der jetzt untersuchte Fall nahe legt, dass die Wespen durch die Pflanzen parasitiert werden - was nichts anderes heisst, als dass die Orchideen einseitig profitieren - , so gehen auch die Blumen ein hohes Risiko ein. Denn um perfekt täuschen zu können, müssen sie sich auf eine Insektenart spezialisieren. Funktioniert ihre Imitation nicht mehr, so dass die Wespenmännchen zwischen Orchidee und Artgenossinnen unterscheiden können, dann fliegen aller Schönheit zum Trotz die Bestäuber den Blumen davon.

F. Schiestl
Versucht die Entstehung des Systems von Orchideen mit den befruchtenden Insekten zu verstehen: ETH-Biologe Florian Schiestl. gross


Fussnoten:
(1) Geobotanisches Institut der ETH www.geobot.umnw.ethz.ch/
(2) Bob B. M. Wong and Florian P. Schiestl 2002 How an orchid harms its pollinator. Proc. R. Soc. Lond.



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