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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 30.11.2005 06:00

Olaf Kübler übergibt sein Amt an Ernst Hafen
Abschied vom ETH-Präsidium

ETH-Präsident Olaf Kübler übergibt heute Abend nach acht Jahren sein Amt an Ernst Hafen. Anlass genug, um Rückschau zu halten. Ein Interview über die Meilensteine dieser Zeit, über den rasanten Wandel der Forschungswelt und die Herausforderungen, die auf die ETH zukommen.

Interview: Norbert Staub

Nach acht Jahren geht die Ära Olaf Kübler zu Ende. Welches waren aus Ihrer Sicht die zentralen Meilensteine Ihrer Amtszeit als ETH-Präsident?

Olaf Kübler: Ganz gewiss der Übergang zum internationalen Format der Ausbildung mit Bachelor, Master und PhD, wo sich die Schweiz in Kontinentaleuropa als Pionier positioniert hat. Ein zweiter Meilenstein waren die vielen Berufungen, die ich machen konnte. Es sind über 200. Und als emotionalen Höhepunkt sehe ich den Nobelpreis an Kurt Wüthrich im Jahr 2002.

Sind Sie mit dem in dieser Zeit Erreichten zufrieden?

Ich gehe heiteren Gemüts. Ich hatte sehr viele, auch persönlich spannende Erlebnisse und Kontakte. Es ist einfach grossartig, täglich zu sehen, welche geistige Kultur sich an der ETH versammelt und welche Vielfalt an Themen hier bearbeitet wird. Mir bestätigen die internationalen Hochschul-Vergleiche, dass die ETH heute mit den besten Universitäten der Welt mithält. Ich sehe zudem in meinen Kontakten gerade mit Deutschland, dass die ETH als Vorbild für die eigene Entwicklung gesehen wird.

Wunschloses Glück also – oder gibt es vielleicht doch Dinge, die Sie lieber anders gemacht hätten?

Mein Abstand ist für ein Urteil noch nicht gross genug. Entwicklungen, die in jüngster Vergangenheit in Gang gekommen sind, wie etwa SystemsX, brauchen jetzt primär Zeit, um sich zu entfalten. Ich habe grundsätzlich immer versucht, Dinge soweit zu verändern, dass im System ETH keine Brüche enstehen.

Sie haben 1997 nach Ihrer Wahl zum ETH-Präsidenten betont, dass Sie auf das Prinzip Freiwilligkeit setzen und auf die Identifikation der Menschen mit dem, was sie tun. Sie strahlen diese kooperative Führungsphilosophie auch aus. Hat sie sich bewährt?

Auf jeden Fall, denn der wichtigste Stimulus jedes Wissenschaftlers muss sein eigener Forscherdrang sein. Ich denke, an der ETH arbeiten auf allen Ebenen und in allen Bereichen ausserordentlich motivierte Menschen. Der Geist, seine Aufgaben bestmöglich auszuführen, ist im Haus mit Händen zu greifen. Und das ist auch das Klima, in welchem Einsichten reifen und Entdeckungen gemacht werden.

Sie sagten damals, die Hochschule müsse lernen, auch in kürzerfristigen Intervallen zu funktionieren, gewissermassen "just in time". Sehen Sie auch diese Einschätzung bestätigt?

Ja. Schauen Sie: Nach mehr als 100 Jahren ausgesprochen disziplinären Forschens bewegen wir uns heute vermehrt in "Big Science" hinein. Das heisst, wir stehen in vielen Gebieten an einem Punkt, wo Resultate nur in grösseren Kooperationen erreicht werden können. Hier können wir von der Wirtschaft lernen, dass Termintreue oft wichtiger ist als die letzte Perfektion, der wir als Universität an sich ja anhängen. Es wird dazu viel internationale Koordinationsarbeit brauchen. Die Teilchenphysiker, siehe CERN, haben das längst vorgemacht. Die anderen werden es auch lernen.

Was hat sich für die ETH in den letzten acht Jahren geändert?

Wir sind heute in Lehre und Forschung noch mehr ins globale Geschehen eingebettet. Inhaltlich haben die Biowissenschaften stark an Gewicht zugelegt – hier eröffnet sich denn auch ein fantastisches Potential.

Leiden die anderen, klassischen Forschungsbereiche wie die Ingenieurwissenschaften nicht zwangsläufig unter diesem "molekularen" Trend?

Keineswegs. Gerade Ingenieure wissen ja genau, dass die Entdeckung eines Phänomens noch lange keine technische Lösung garantiert. An der ETH zeigt zum Beispiel die aktuelle Initiative BEST, dass am Übergang von Technologie und Biologie bereits fruchtbare Kooperationen laufen. Der spannende Schwerpunkt "Geschichte und Philosophie des Wissens", der jetzt an der Uni und der ETH entsteht, dient übrigens dazu, solche Prozesse zu beobachten.

Ein ETH-Präsident trägt viele Hüte. Was waren Sie am ehesten: Politiker, Vermittler, Repräsentant – oder doch Wissenschaftler?

Im Rückblick staune ich, dass seinerzeit mein Schritt vom Labor zum Vizepräsidium für Forschung leichter war als jener vom Vizepräsidium ins Präsidentenamt. Ich bin überzeugt, dass Berufungen die wichtigste Aufgabe des ETH-Präsidenten sind, und daran habe ich mich gehalten. Ich hatte mir weiter zum Ziel gesetzt, den Professorinnen und Professoren optimale Entfaltungsmöglichkeiten zu bieten sowie ein Klima, in dem ihre Anliegen ernst genommen werden.


Nach acht Jahren ETH-Präsidium widmet sich Olaf Kübler jetzt neuen Aufgaben.

Wo sehen Sie die Felder, in denen sich der neue ETH-Präsident engagieren sollte?

Ich meine, die ETH charakterisieren das unbedingte Streben nach Erkenntnis, Ehrgeiz, hohe Qualität – aber auch die Treue. Das grossartige Erbe, auf welchem hier aufgebaut werden kann, gilt es zu kultivieren. Zu ändern um des Änderns willen wäre deshalb verfehlt. Dennoch: Die Universitätslandschaft ist daran, sich auszudifferenzieren. Das Resultat wird eine Gruppe weniger Hochschulen von Weltrang sein, eine mit nationalen Hochschulen und eine mit vielen, regional orientierten Institutionen. Motor dieses Prozesses sind die USA; soll es im Europa der 400 Millionen einen gemeinsamen Forschungsraum geben, müssen wir den gleichen Weg gehen. Die ETH Zürich sollte hier als treibende Kraft mittun – ihre Voraussetzungen sind hervorragend. Auch die Schweiz sollte eine aktive Rolle spielen. Doch mit der üblichen eidgenössischen Sorge, ob die anderen noch dabei sind, kommen wir nicht weit. So zeigt in China das konsequente Zusammenführen der Besten auf jeder Stufe bereits deutliche Wirkung.

Richten wir den Blick nach innen: Im Arbeitsalltag der ETH sind aufgrund der Personalbefragung Defizite erkannt worden, Stichwort: Mängel bei der Führungskompetenz. Wie sollte die neue Schulleitung dieses Problem jetzt anpacken?

Die Verantwortung der ETH für ihre Mitarbeitenden ist zentral, und sie ist auch Ernst Hafen ein grosses Anliegen. Hier wird vieles gut gemacht, aber es braucht gerade von Seiten der Wissenschaftler auch Verbesserungen. Wir haben eine Sprache entwickelt, die komplexeste Sachverhalte präzise beschreibt. Bei der Mitarbeiterführung geht es genauso darum, eine Sprache zu finden, die schwierige Punkte benennt, ohne ungenau oder persönlich verletzend zu sein. Nur so entsteht eine Atmosphäre, in der die ganze Energie in die Arbeit investiert wird und nicht verpufft in Rätselraten über verborgene Absichten oder letzten Endes das eigene Schicksal.

Was erwarten Sie von Science City, dem Zukunftsprojekt der ETH?

Science City heisst für mich, die pädagogische Verantwortung für die Gesellschaft ernst zu nehmen. Beispiel Energie: Wir werden immer gescheiter werden müssen, um schonender mit der vorhandenen Energie umzugehen. Dass heisst, die Information wird zunehmend entscheiden, ob und wie wir grundlegende Aspekte unseres Lebens meistern. Hier haben die Hochschulen eine enorme Aufgabe. Wenn Zukunft ausserdem heisst, dass Wissen in alle Bereiche des Lebens hinein verwoben ist, dann wird es immer den ständigen Dialog der Wissenschaft mit Gesellschaft und Wirtschaft brauchen. Als Plattform dieses Austauschs wird Science City für die ETH eine wichtige Rolle spielen.

Sie waren Forscher, Professor und acht Jahre lang ETH-Präsident. – Was kommt jetzt?

Ein Ruhestand wird es nicht, aber ich werde mehr Zeit mit meiner Familie verbringen und wieder mehr Sport treiben. Daneben steht besonders ein Projekt im Raum. Ich engagiere mich als Direktor in der Stiftung "Society in Science", die der Mäzen Branco Weiss 2002 ins Leben gerufen hat. Es ist ein Programm für Nachwuchsforschende, die sich mit Grenzbereichen zwischen Naturwissenschaften und Gesellschaft beschäftigen. Das Schöne daran ist, zu verfolgen, ob und wie begabte junge Forschende die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen; darin ähnelt dieser Job dem des ETH-Präsidenten durchaus.


Zur Person

Olaf Kübler wurde 1943 in Berlin geboren, besuchte die Schulen in Karlsruhe und begann dort auch sein Studium in Theoretischer Physik. 1965 wechselte er an die ETH Zürich. Nach dem Diplom zog er für das Doktorat nach Heidelberg. 1972 kehrte er an die ETH Zürich zurück. Hier war er am Institut für Zellbiologie verantwortlich für die digitale Verarbeitung von hochauflösenden elektronenmikroskopischen Aufnahmen. Er gründete das erste Labor für diese Disziplin an der ETH Zürich. 1978 habilitierte er sich und wurde 1979 Professor für Bildwissenschaften an der Abteilung für Elektrotechnik. Forschungsaufenthalte führten Kübler nach Berkeley, Sophia Antipolis/Nizza und Stanford. Sein Sabbatical 1996 nutzte er für einen Aufenthalt an der EPF Lausanne. Er war Vorsteher der Abteilung für Elektrotechnik und leitete das Nationale Forschungsprogramm 23 „Künstliche Intelligenz und Robotik“. 1996 wurde Olaf Kübler zum ETH-Vizepräsidenten für Forschung und noch im gleichen Jahr vom Bundesrat auf Dezember 1997 zum Präsidenten gewählt.




Literaturhinweise:
Website der Stiftung "Society in Science: The Branco Weiss Fellowship": www.society-in-science.ethz.ch



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