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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 04.09.2002 06:00

Brennpunkt Asbest
Asbestopfer: Wer bezahlt?

In den USA zahlten Versicherungen bereits Dutzende von Milliarden Dollar für Asbest-Erkrankungen und Firmen gingen bankrott. Obwohl in der Schweiz Asbest für rund einen Drittel der jährlich 90 Todesfälle, die auf eine Berufskrankheit zurückzuführen sind, verantwortlich ist, müssen die ehemaligen Asbestproduktionsbetriebe kaum mit Sammelklagen rechnen. Der Schweizer Gesetzgeber schützt sie.

Von Richard Brogle

Asbest kommt nicht aus den Schlagzeilen. Gemäss der Gewerkschaftszeitung "Work" ermittelt der Turiner Staatsanwalt wegen mehrfacher fahrlässiger Tötung gegen die Verantwortlichen der Eternit AG und hat die Schweiz um Rechtshilfe ersucht. Die Führung der Eternit gab an einer Orientierung der Betroffenheit Ausdruck, dass von den rund 700 Asbest-Kranken 45 Eternit-Mitarbeiter sind, was ein massiv unterproportionaler Anteil sei. Gemäss Angaben der Suva sind unter den jährlich etwa 90 Todesfällen in der Schweiz, die auf anerkannte Berufskrankheiten zurückgehen, rund ein Drittel asbestbedingt.

Asbestsanierung (Bild: Suva) gross

Sammelklagen?

Steht nun den ehemaligen Asbest-Betrieben eine Prozesslawine bevor? "Kaum", meint ETH- Rechtsprofessor Nef, "denn das Unfallversicherungsgesetz lässt Klagen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegen die Arbeitgeber nur bei nachgewiesener Grobfahrlässigkeit oder Vorsatz zu." Und das ist kaum je schlüssig zu beweisen. Die Angestellten müssten den Verantwortlichen der Firma nachweisen, dass sie wider besseren Wissens völlig elementare Vorsichtsmassnahmen vernachlässigt haben oder gar die Gesundheitsschädigung der Arbeiterinnen und Arbeiter vorsätzlich in Kauf nahmen. Ganz abgesehen davon, dass sie auch noch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachweisen müssten, dass ihre Erkrankung vom Asbest und nicht etwa vom Rauchen herrührt.

Suva springt ein

Trotz dieser auf den ersten Blick unangenehmeren Aussichten, stehen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Schweiz dank der obligatorischen Unfallversicherung besser da als viele ihrer Kolleginnen und Kollegen in den USA. Dort müssen die Geschädigten selber gegen ihre Arbeitgeber klagen.


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Asbest muss heute unter grossen Schutzvorkehrungen entfernt werden. (Bild: Suva)

Nicht so in der Schweiz. Hier springt Suva ein und zahlt in jedem Falle die Kosten für Heilung, allfällige Hilfsmittel, sowie bei Todesfällen die Bestattung. Dazu kommen Taggelder, Invaliden- und Hinterlassenenrenten. Die Invalidenrente beträgt 80% des ursprünglichen Lohnes. Die Prämien für diese Unfallversicherung - die auch Berufskrankheiten einschliesst - werden jeden Monat vom Arbeitgeber bezahlt. Damit "erkaufen" sich die Arbeitgeber auch den Schutz vor direkten Klagen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Rechtsanwalt Bruno Vogel von der Rechtsabteilung der Suva: "Es besteht nur eine Ausnahme: bei Grobfahrlässigkeit und Vorsatz können die Angestellten ihren Schaden, soweit er nicht von der Suva gedeckt wird, direkt gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen."

50 US-Firmen bankrott

Ganz anders in den USA. Dort klagen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer meist direkt gegen die Arbeitgeber. Gewinnen sie vor Gericht, so zahlt entweder eine allenfalls abgeschlossene Versicherung der Firma oder die Firma muss den Schaden übernehmen. Die gesprochenen Schadenersatzzahlungen sind dann meist sehr hoch. Im Buch "Eternit-Report" aus dem Jahre 1985 nennt der Autor Werner Catrina eine Summe von 600'000 Dollar für einen durchschnittlichen Schaden. Aber die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer laufen Gefahr, dass die Firma unter der Flut der Schadenersatzforderungen zusammenbricht und viele dann leer aus gehen. Gemäss einem "Rundschau"-Bericht des Schweizer Fernsehens (1) sind in den USA schon mehr als 50 Asbest-Firmen wegen den Klagen Konkurs gegangen.

ABB-Tochter hat 94'000 Klagen

Die "Combustion Engineering", eine ABB-Tochter, ist eine der wenigen ehemaligen asbestverarbeitenden Firmen, die den Weg zum Konkursrichter noch nicht beschreiten mussten. Aber auch sie kämpft mit einer Prozessflut. Zur Zeit beschäftigen sich 55 Angestellte mit den 94'000 hängigen Asbest-Klagen. Für diese und die kommenden Klagen wurden laut der "Rundschau" 940 Mio Dollar zurückgestellt. Aber auch die Versicherungen stellen für Asbestforderungen immer mehr Mittel zurück. Anfangs Februar erhöhte beispielsweise die britische Versicherungsgruppe Royal & Sun Alliance ihre Rückstellungen für Asbestforderungen um 171 Mio £ alleine für das US-Geschäft. Die ehemalige "Wunderfaser" Asbest wird zum wohl grössten Industrie-Schadensfall der Geschichte.


Fussnoten:
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