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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 08.04.2002 06:00

Collegium: die Künstlerin Maja Bajevic
Kunst zum Krieg

Maja Bajevic war im Wintersemester küstlerischer Gast am Collegium Helveticum. Am vergangenen Freitag präsentierte sie dort ihr Buch "... and other stories". Die Autorin reflektiert und illustriert darin ihr Leben und ihre Kunst, die stark vom Krieg und danach vom radikalen Wandel in Post-Jugoslawien geprägt sind.

Von Brigit Furrer

Von der Kunst zum Schreiben über die Kunst: die 1967 in Sarajewo geborene Künstlerin Maja Bajevic, im vergangenen Gast am Collegium Helveticum, ist unter anderem mit Multimedia-Projekten hervorgetreten. Am Freitag überraschte sie ihr Publikum in der Sternwarte mit einem äusserst aufschlussreichen Buch: einer Reflektion über ihre eigene Kunst. Die prekären äusseren Zustände und die damit verbundene Befindlichkeit der Autorin sowie jener Menschen, mit denen sie zusammenarbeitete, werden den Lesenden in "... and other stories" auf feinfühlige Art und Weise nahe gebracht. "Schreiben ist für mich ein Prozess, um die bedrückenden Dinge, die wir alle in uns haben, niederzuschreiben. So sollen sie leichter werden", erklärte Maja Bajevic ihren stark autobiografisch geprägten Text.

"Trust me"

Sie verlässt 1991 ihre Heimatstadt Sarajewo und studierte in Paris an der Ecole Nationale Superieure des Beaux Arts. Als der Krieg ausbricht, kann sie für lange Zeit nicht mehr nach Hause. Erst 1997 kehrte sie aus dem Exil zeitweilig zurück. Dort verursachte der Ausnahmezustand in einem vom Krieg zerstörten Land ein Kunstschaffen, das für Maja Bajevic in Paris wahrscheinlich nie möglich gewesen wäre.

speaker
Sarkastischer Kommentar zum Versagen der Politik: Maja Bajevic's Videoinstallation "Speaker", die eine fiktiven Wahlkampagne inszeniert(Sarajevo 1998). gross

"Die besonderen Bedingungen lassen dich Dinge tun, die du sonst nicht tun würdest oder tun könntest, weil eine Maschinerie und eingespielte Mechanismen es verhindern würden", erklärte sie. Um dies zu illustrieren, zeigte sie ein eindrückliches Video über ihre Arbeit mit Frauen aus Srebrenica mit dem Titel "Women at work – Under construction": Frauen, die ihre Männer im Krieg verloren hatten, sticken auf die Verkleidung eines Fassadengerüsts in Sarajewo traditionelle bosnische Motive.

Eine andere Arbeit von Maja Bajevic, entstanden mit dem Soros Center of Contemporary Art, zeigt eine Wahlkampagne: Ein fiktiver Politiker spricht in einem Video, aber man hört ihn nicht. Stattdessen werden Flyers mit Sprüchen wie "I love you", "You love me" and "Trust me" verteilt.

Zurück im (künstlerischen) Alltag

Heute ist die politische Aktualität des Krieges in Bosnien durch die Aufbauarbeit und den radikalen politischen Wandel in den Hintergrund gedrängt. Diese Entwicklung veränderte allerdings auch die Situation der Künstlerinnen und Künstler: "Zum Beispiel wird das dortige Soros Center for Contemporary Arts nicht mehr weiter finanziert", erklärte Maja Bajevic.


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artist maja bajevic
Ihr Thema ist die Kunst in der Ausnahmesituation: Maja Bajevic. gross

Das Ende des Krieges und die politische Situation in Post-Jugoslawien bedeutet folglich auch das Ende derjenigen Bedingungen, die das spezifische Kunstschaffen in einer bestimmten historischen Epoche ermöglichten. In "...and other stories" gibt Maja Bajevic einen Ein- und Rückblick in das Kunstschaffen in dieser Ausnahmesituation.

Das Buch ist ein Dokument zeitgenössischer Kunst, das zu lesen sich lohnt. "Die Arbeit von Maja Bajevic ist ein Beispiel einer gelungenen Kommunikation für eine breite Öffentlichkeit, weil sie es auch sehr gut versteht, ihre Kunst in Worte zu fassen. Eine Arbeit, wie wir sie uns am Collegium Helveticum von Wissenschaftlern und Künstlern wünschen", kommentierte die Leiterin Helga Nowotny das Werk.

Im Gespräch mit ETH Life erläutert Maja Bajevic ihre Sicht über das Verhältnis zwischen Wissenschaft und Kunst:

Frau Bajevic, Sie formulieren im aktuellen "Meridian", dem Newsletter des Collegium, die These: "Die Wissenschaft und die Kunst sind der Motor unserer Gesellschaft." Wie ist diese Aussage zu verstehen?

Maja Bajevic: Kunst verändert unsere Weltanschauung. Wenn wir heute über die Kunst des 19. Jahrhunderts nachdenken, dann ist dieser Gedanke normal, weil eine Geschichte dazwischen liegt. Damals aber war die Kunst ein Spiegel der Gesellschaft. Sie zeigte auch, was in der Gesellschaft nicht stimmte.

... und die Naturwissenschaften?

Maja Bajevic: Die NaturwissenschaflterInnen arbeiten in ihrem Gebiet, in der Technik, in der Forschung. Die zeitgenössische Kunst ist auf unterschiedliche Art und Weise kritisch gegenüber der Genindustrie oder der Robotik. Die Kunst macht hier auf Dinge aufmerksam, die dabei vielleicht nicht immer gut sind.

Ich war einmal an der ETH, da gab es einen mit dem Computer simulierten dreidimensionalen Raum. Wenn man reinkam, dann fühlte man sich von einer virtuellen Wirklichkeit umgeben. Es wird möglich, dass einer in Amerika ist und mit dieser Technik bei einer Operation in München dabei sein kann. Aber sie kann auch für den Krieg verwendet werden. Etwas in einer virtuellen Welt zu tun ist einfacher als in der Wirklichkeit - und das kann gefährlich sein. Der Forscher kann sich nicht mit diesem Thema beschäftigen, denn er hat die Aufgabe, das möglich zu machen. Aber später sollten dann eben andere darüber reflektieren, was diese Forschung bedeuten kann.

Wie könnte die Kommunikation zwischen der Kunst und der Wissenschaft verbessert werden?

Maja Bajevic: Das Collegium zum Beispiel bietet uns Künstlern eine Plattform für den Dialog. Auch an anderen Universitäten ist das Verhältnis von Wissenschaft und Kunst ein Thema. Am Massachussets Institut of Technology (MIT) in Boston gibt es eine ganze Abteilung von Künstlern und Wissenschaftlern, die zusammen an Projekten arbeiten. Eine Künstlerin hat dort zum Beispiel Linsen konzipiert, womit Blinde Effekte und Signale wahrnehmen können. Die Wissenschaftler haben die Idee dann technisch umgesetzt.


Literaturhinweise:
Weitere Angaben zu Maja Bajevics Aufenthalt am Collegium Helveticum: www.collegium.ethz.chguest/
Hier ist das Buch "... and other stories" zum Preis von 24 Franken zu beziehen: Collegium Helveticum, Semper-Sternwarte, ETH Zentrum / STW, Schmelzbergstr. 25, CH- 8092 Zürich, info@collegium.ethz.ch, Tel: +41 (0)1 632 69 06, Fax: +41 (0)1 632 12 04.



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