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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 12.03.2003 06:00

Mechanismus für die asymmetrische Zellteilung bei Hefe
Die Kunst des ungleichen Teilens

Das Erbmaterial wird bei einer Zellteilung durch den Spindelapparat aufgeteilt. Dieser muss sich dafür entsprechend in der Zelle ausrichten. Das Eiweiss "Kar9" spielt dabei bei knospenden Hefezellen eine zentrale Rolle, wie eine ETH-Studie zeigt. Beim Menschen kennt man ein funktionell sehr ähnliches Eiweiss auch im Zusammenhang mit Darmkrebs.

Christoph Meier

Die Kunst des Teilens muss jedes Lebewesen beherrschen. Denn von korrekten Zellteilungen hängt sowohl die erfolgreiche Entwicklung wie auch die Fortpflanzung ab. Vieles des hoch konzertierten Prozesses der Mitose ist bekannt. So weiss man zum Beispiel, dass der Spindelapparat für die Aufteilung der Chromosomen verantwortlich ist. Die Spindel besteht aus Mikrotubuli genannten Fäden und weiteren Eiweissen. Die Fäden führen zu den während der Zellteilung in einer Ebene liegenden Chromosomen. Entlang der Mikrotubuli wandern dann die in Chromatiden aufgeteilten Chromosomen zu den Polen.

Damit aber die Aufteilung des Erbmaterials erfolgreich ist, muss die Spindel zuerst wissen, wo sich die Ursprungszelle einschnürt und sich rechtwinklig zur Einschnürungsebene ausrichten. Als Orientierung kann dabei das asymmetrisch verteilte Eiweiss Aktin dienen. Doch wie erkennt die Spindel eigentlich diese Polarität? Ist sie selbst polar, oder werden freie, von den Spindelpolen ausgehende Mikrotubuli einfach am Pol mit der Aktinanhäufung eingefangen?

Das Kompassmodell bestätigt

Die Gruppe des ETH-Biochemieprofessors Yves Barral (1) konnte nun in einer im Fachmagazin "Cell" veröffentlichten Arbeit (2) zeigen, dass bei knospenden Hefezellen die Spindel wie eine Kompassnadel selber polar ist und sich nach dem "Aktinfeld" ausrichtet. "Intuitiv war es für mich klar, dass die Spindel polar sein sollte", erzählt Barral. Doch jetzt habe er Faktoren identifizieren können, die asymmetrisch auf der Spindel verteilt sind. Da wäre als erstes das Eiweiss "Kar9", das, wie Barral herausfand, nur am Spindelpol zur Knospe hin vorkommt. Von dort aus wird es auf Mikrotubuli geladen. Im Folgenden übernimmt Kar9 die Funktion eines Adapters, der die Mikrotubuli entlang von Aktinkabeln zur Knospe wandern lässt. Damit ist auch die Spindel ausgerichtet. Der ETH-Biochemiker fand aber neben diesem Mechanismus auch eine Erklärung, wieso Kar9 nur an einem Spindelpol vorkommt: Dort gibt es nämlich keine Aktivität des Eiweisses Clb4. "Das ist eine Riesenüberraschung", meint Barral. Denn von diesem bei vielen Organismen bekannten Protein sei eine solche räumliche Organisation nicht erwartet worden.


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Hefezellen beim Knospen zugeschaut: Das grüne Kar9 kommt nur am Ende der Spindel (rot) zur Knospe hin vor sowie an Mikrotubuli, die von der Spindel zur Knospe gehen. (Bild: Yves Barral) gross

Die Zelle zum Leuchten gebracht

Damit der Biochemiker überhaupt solche Entdeckungen machen konnte, brauchte er entsprechend sensitive Methoden. Stolz ist er einerseits auf die Time-lapse-Mikroskopie, mit der er zum Beispiel die Bewegung des mit Fluoreszenz markierten Kar9 hin zur Knospe verfolgen konnte, andererseits auf die sogenannte FRAP. Das Kürzel steht für "Fluorescence recovery after photobleaching". Bei dieser Methode wird mittels Laser die Fluoreszenz in ausgewählten, entsprechend markierten Bereichen ausgelöscht. Tritt dort wieder Fluoreszenz auf, gibt das Aufschluss auf neu dort hingewanderte markierte Faktoren. Barral gelang es nun, diese Methode in Hefezellen und mit grosser Auflösung zu etablieren, wie die neuen Daten beweisen.

Darmkrebs und das Alter der Zelle

Auch wenn Barral in den Mechanismus der Spindelorientierung im eigentlichen Sinn Licht gebracht hat, tauchen neue Fragen auf. So wird die hohe funktionelle Ähnlichkeit mit dem Eiweiss APC mit Kar9 wahrscheinlich zu breiter Diskussion Anlass geben. Denn APC ist unter anderem dadurch bekannt, dass alle Patienten mit Darmkrebs im entsprechenden Gen eine Mutation aufweisen. Barral selbst will aber als nächstes die Entstehung der asymmetrischen Verteilung von Clb4 untersuchen. Das tiefe Interesse am Mechanismus der asymmetrischen Zellteilung hängt mit einer Vermutung des Biochemikers zusammen. Barral glaubt nämlich, dass diese Teilungsform ein Alterungsschutz der Zellen sein könnte. Die Aufteilung in eine Mutter- und Tochterzelle ermöglicht nämlich im Prinzip, dass nur die Mutterzelle altert und die knospende Tochterzelle mit intaktem Material bestückt wird. Somit wäre die asymmetrische Zellteilung evolutiv gesehen am Anfang einer Zelldifferenzierung gestanden, die das längerfristige Überleben sichert.


Fussnoten:
(1) Forschungsprojekte von Yves Barral: http://www.bc.biol.ethz.ch/professors/barral/projects.html
(2) Liakopoulos D, Kusch J, Grava S, Vogel J, Barral Y.: Cell 2003 Feb 21;112(4):561-74; "Asymmetric Loading of Kar9 onto Spindle Poles and Microtubules Ensures Proper Spindle Alignment"



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