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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 19.11.2002 06:00

Abenteuerreisen mit Nachhaltigkeit verbinden
Eine Biketour soll Schule machen

Mountainbiken für einen karitativen Zweck - eine Vierergruppe von Schweizer Studenten fuhr von Nepal in die chinesische Provinz Qinghai, um eine Schule mitzufinanzieren. Für einen teilnehmenden ETH-Diplomanden steht das Abenteuer für die Verbindung von Abenteuerreisen mit Nachhaltigkeit.

Von Christoph Meier

"Ich bin süchtig nach dem Flow-Zustand und suche ihn darum immer wieder", sagt der ETH-Student Patrick Jeannerat. Doch der akademische Multisportler sieht sich nicht als Egoist. Erst kürzlich ist Jeannerat von einer knapp 3500 Kilometer langen Moutainbiketour mit mehreren 5000 Meter hohen Pässen zurück gekehrt. Diese begann im nepalesischen Kathmandu, führte vorbei am Mount Everest Base Camp nach Lhasa, der Hauptstadt der autonomen chinesischen Provinz Tibet, und endete in der chinesischen Provinz Qinghai. Hier überreichte der ETH-Student zusammen mit seinen drei Reisekameraden von der Hochschule St. Gallen dem Provinzvorsteher einen 30'000 Franken-Scheck, der als Starthilfe für den Bau einer Schule für 300 Kinder dient. Das Unternehmen, "Bikeventure2002" (1) genannt, soll gemäss den vier Initianten ein Beispiel dafür sein, dass sich persönliche Abenteuer sehr wohl mit nachhaltigen Zielen verbinden lassen.

Trauriger Ursprung

Am Anfang von "Bikeventure" stand ein Autounfall 1999 in Peking, bei dem zwei Schweizer starben. Die Trauerfamilien wollten, da ihre Kinder gestorben waren, anderen Kindern helfen und sammelten Geld für eine Schule in Tongren, Provinz Qinghai. Zur Schuleinweihung 2000 waren auch die Freunde der Verstorbenen, Martin Jeker und Stephan Ramseyer eingeladen. Sie waren so beeindruckt, dass sie in dieser Region ein vergleichbares Entwicklungsprojekt realisieren wollten. Nach einiger Zeit war für sie auch klar, dass sie das Hilfsgeld mit dem Fahrrad zum Ziel bringen wollten, und sie suchten nach zusätzlichen Begleitern. Diese fanden sie in Marc Huber und Patrick Jeannerat, dem Camel-Trophy-erprobten ETH-Diplomanden in Betriebs- und Produktionswissenschaften.

Ausreizen der Spendemöglichkeiten

Professionell begannen die vier Studenten ihr Abenteuer vorzubereiten, indem sie ein Commitment, einen 20seitigen Businessplan und eine Webseite gestalteten. Diese Vorgehensweise lockte auch Sponsoren auf den Plan, die für die Reise- und Ausrüstungskosten aufkamen. Teilweise stellten sie auch Geld für die Spendeaktion zur Verfügung, die gleichzeitig für die Schule anlief. Drei Monate vor der Abreise waren so allein für die Schule 20'000 Franken zusammen gekommen. "Das war der point of no return", kommentiert Jeannerat. Die Spendeaktion läuft aber immer noch weiter und die Studenten hoffen, dass sie dank der Berichterstattung und ihren Vorträgen am Ende einen Betrag von 40'000 Franken erreichen werden. Diese finanzielle Unterstützung wird vor Ort durch die Hilfsorganisation "The Tibet Development Fund" in Zusammenarbeit mit einem tibetischen Abt und den lokalen chinesischen Behörden koordiniert.

Nach knapp 3500 Kilometer Radfahren in Nepal und China zurück in der Schweiz: ETH-Diplomand Patrick Jeannerat. gross

Kulturübergreifende Sympathie

Bevor die Schweizer aber ihr Geld übergeben konnten, durchlebten sie einige Strapazen. Dünne Luft, Wind, Regen, schlechte Strassen und das viele Gepäck zehrten auch an Patrick Jeannerat, wobei er darauf achtete, nie ganz ans Limit zu gehen. Trotzdem: "Ein geblähter Bauch kann auch nach acht Wochen Akklimatisation noch vorkommen und macht dir das Radfahren zur Hölle." Erstaunt zeigte sich der ETH-Student darüber, dass er mit seiner Gruppe auch in den abgelegensten Gebieten immer wieder auf Leute stiess.


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Unterwegs zwischen Sok und Riwoche, im Nordosten der Provinz Tibet, um eine Schule zu gründen: zwei Mitglieder des Bikeventure-Teams aus der Schweiz (Foto: P. Jeannerat). gross

Diese seien ihnen grundsätzlich sehr freundlich begegnet und hätten sie auch zu sich in die Zelte oder anderen Behausungen eingeladen. Unterhalten habe man sich dann mit Schweizerdeutsch und Tibetisch. "Wichtig war der Sympathieaustausch durch Lächeln oder eine geteilte Zigarette", sinniert Jeannerat rückblickend.

Terror in Tibet?

Doch nicht immer verlief die Reise so harmonisch. Teilweise bewarfen Kinder die Mountainbiker mit Steinen, einmal wurden sie bestohlen. Das gestohlene Gut bekamen sie aber wieder zurück, da sie ins Dorf zurück kehrten und den Bewohnern klarmachten - indem sie zum Beispiel deren Haustür aus den Angeln nahmen -dass sie nicht so einfach abziehen würden. Der herbeigeeilte Dorfvorsteher massregelte die Bewohner und entschuldigte sich für das Verhalten der Bevölkerung. In Gesprächen mit Intellektuellen erfuhren die Abenteurer auch von den Problemen der Region. So befürchten einige Einheimische, dass das Mittel der Terroranschläge in den Unabhängigkeitsbestrebungen vermehrt eingesetzt werden wird. Konkreten Hinweisen auf solche Aktivitäten oder grösserer Ablehnung gegenüber Fremden begegneten aber die Schweizer nicht. Als Vorteil erachtet Jeannerat in diesem Zusammenhang, dass sie auf dem Fahrrad nahbarer gewesen seien, als wenn sie mit einem Jeep daher gekommen wären.

Brücken zur Diskussion

Gefragt, ob das Team denn mit ihrem Unterfangen nie auf Unverständnis gestossen sei, antwortet der ETH-Student: "Eigentlich nicht. Die Leute in Tibet finden grundsätzlich das Neue positiv." Der zunehmende Appetit auf materielle Güter bringe es mit sich, dass sie aus der Schweiz mit ihrer Ausrüstung als Vertreter der Modernisierung begrüsst wurden. Mit seiner Reise hofft Jeannerat, Brücken zwischen den Kulturen schlagen zu können. Denn über Sinn und Unsinn des westlichen Materialismus könne man erst auf einer solchen Basis diskutieren. Entsprechend hält Jeannerat auch nichts von Boykotten. "Du musst den Leuten zeigen, dass du Freude an ihnen hast. Dann fragen sie sich, wie kann ich ihm noch mehr Freude machen", erläutert der ETH-Student. Nachhaltigkeit und das Bewusstsein dafür könne nur aufgrund vieler direkter Erfahrungen entstehen. Insofern war für Jeannerat auch sein Camel-Trophy-Erlebnis von Bedeutung: "Bei diesen Schnellboot-Rennen kam ich mir des öfteren wie ein arroganter Konsumtourist vor. Diese Erfahrung war aber nötig, damit ich bereit war für ein Projekt wie Bikeventure."

In nächster Zeit präsentiert Patrick Jeannerat sein Erlebnis an verschiedenen Orten als Beispiel für nachhaltiges Abenteuer. Seine Hoffnung dabei ist, dass dadurch Abenteuerhungrige auf den Geschmack kommen und eine attraktive Möglichkeit sehen, ihren eigenen Abenteuern mit Nachhaltigkeit zu verbinden. Eine kleine Änderung würde Jeannerat auch an Bikeventure noch vornehmen: Beim nächsten Mal würde er dafür besorgt sein, für den Flug Klima-Tickets zur CO2-Kompensation von Flugreisen (2) zu kaufen. Getreu seiner Auffassung, dass Nachhaltigkeit auf vielen kleinen Schritten beruht.


Fussnoten:
(1) Bikeventure 2002: www.bikeventure.info/popup.html
(2) Klimaticket: www.climateticket.com/



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